Tag Augenblicksversagen

Autofahrer sollten wissen, wann wegen eines Augenblicksversagens ein Absehen von einem verwirkten Regelfahrverbot

…. in Betracht kommen kann.

Liegen die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) vor, in denen,

  • wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers,

die Anordnung eines Fahrverbots,

  • als Denkzettel- und Erziehungsmaßnahme,

in der Regel in Betracht kommt, wie bei Verwirklichung eines Tatbestands

  • der Nummern 9.1 bis 9.3, der Nummern 11.1 bis 11.3, jeweils in Verbindung mit Tabelle 1 des Anhangs,
  • der Nummern 12.6.3, 12.6.4, 12.6.5, 12.7.3, 12.7.4 oder 12.7.5 der Tabelle 2 des Anhangs,
  • der Nummern 19.1.1, 19.1.2, 21.1, 21.2, 50.1, 50.2, 50.3, 135, 135.1, 135.2, 83.3, 89b.2, 132.1, 132.2, 132.3, 132.3.1, 132.3.2, 152.1 oder
  • der Nummern 244, 246.2, 246.3 oder 250a

des Bußgeldkatalogs, kommt ein Absehen von einem Fahrverbot u.a. dann in Betracht, wenn

  • ein Augenblicksversagen offensichtlich gegeben ist und
  • deshalb erkennbar nicht der von § 4 Abs. 1 BKatV erfasste Normalfall vorliegt.

In Betracht kommt ein solches Augenblicksversagen, wenn die begangene Pflichtverletzung darauf zurückzuführen sein kann, dass

  • ein unübersichtliches Verkehrsgeschehen falsch gedeutet,
  • eine verwirrende Verkehrsregelung falsch verstanden,
  • auf eine überraschend eingetretene Verkehrslage falsch reagiert oder
  • ein Verkehrszeichen schlicht übersehen wurde und die sichtbaren äußeren Umstände auch nicht auf eine Beschränkung oder ein Ge- oder Verbot hingedeutet haben.

Nicht auf ein Augenblicksversagen berufen können sich Autofahrer,

  • die nicht nur einfache Fahrlässigkeit,
  • sondern eine grobe Nachlässigkeit und/oder Unaufmerksamkeit an den Tag gelegt haben, obwohl sie aufgrund vorhandener Umstände verpflichtet gewesen wären erhöhte Vorsicht und Aufmerksamkeit walten zu lassen (vgl. Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe, Beschluss vom 24.01.2019 – 2 Rb 8 Ss 830/18 – zum Fall der Verwechslung eines Wechsellichtzeichens nach vorherigem Anhalten bei Rotlicht, auch als „Mitzieheffekt“ oder „Frühstart“ bezeichnet).

Autofahrer sollten wissen, wann das Gericht von einem bußgeldrechtlich verwirkten Regelfahrverbot absehen kann

Sieht die Bußgeldkatalogverordnung (BKatV) wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers in der Regel ein Fahrverbot vor,

  • beispielsweise im Fall der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit mit einem PKW (ohne Anhänger)
    • innerorts um mehr als 30 km/h oder
    • außerorts um mehr als 40 km/h,

und hat die Bußgeldstelle im Bußgeldbescheid in einem solchen Fall, neben einer Geldbuße, gemäß §§ 24, 25 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG), § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BKatV i.V.m. lfd. Nr. 11.3. ff Tab. 1 BKatV ein Fahrverbot festgesetzt, kann

  • nach Einspruchseinlegung gegen den Bußgeldbescheid

das Amtsgericht von der Anordnung des an sich verwirkten Regelfahrverbots,

  • gegebenenfalls gegen angemessene Erhöhung des als Regelsatz vorgesehehen Bußgeldes (vgl. § 4 Abs. 4 BKatV),

ausnahmsweise u.a. dann absehen, wenn

  • die Ordnungswidrigkeit, also beispielsweise die Geschwindigkeitsüberschreitung, auf ein Augenblicksversagen zurückzuführen ist

oder

  • ein vermeidbarer (Verbots)Irrtum i.S.v. § 11 Abs. 2 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) über den Bedeutungsgehalt verkehrsrechtlicher Anordnungen seine Ursache in einem Augenblicksversagen hat

oder

  • bei einer Vollstreckung des Fahrverbots der Verlust des Arbeitsplatzes droht oder die wirtschaftliche Existenz des Betroffenen bedroht wäre und diese Folge von dem Betroffenen auch durch entsprechende und ihm zumutbare Maßnahmen nicht abgewendet werden kann, wie etwa
    • zumindest teilweise Überbrückung durch Urlaub, Inanspruchnahme von öffentlichen Verkehrsmitteln, Taxis, Fahrdienste von Angehörigen oder notfalls vorübergehender Einstellung eines Fahrer für die Dauer des Fahrverbots.

Ein Augenblicksversagen kann angenommen werden im Falle einer momentanen Unaufmerksamkeit bzw. eines kurzzeitiges Fehlverhaltens, wie es auch dem sorgfältigen und pflichtbewussten Kraftfahrer unterlaufen kann.

  • Es ist dadurch gekennzeichnet, dass der Handelnde für eine kurze Zeit die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt,
  • kommt also von vornherein nur bei einfacher Fahrlässigkeit in Betracht und
  • scheidet deshalb aus, wenn ein Betroffener vorsätzlich gehandelt hat.

Ein solches Augenblicksversagen kann vorgelegen haben, wenn ein Betroffener