Tag Bestimmungen

Was, wer mit einem Bauunternehmen einen Bauvertrag über die Erstellung eines schlüsselfertigen Wohnhauses abschließt

…. oder abgeschlossen hat, wissen sollte.

Mit Urteil vom 28.10.2020 – 29 U 146/19 – hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main, 

  • nach einer Inhaltskontrolle, unter Berücksichtigung des seit dem 01.01.2018 geltenden neuen Bauvertragsrechts, 

mehrere 

  • vorformulierte Vertragsklauseln für unwirksam 

erklärt, die ein Bauunternehmen, 

  • das schlüsselfertige Wohnhäuser erstellt, 

in seinen 

  • mit Verbrauchern 

abgeschlossenen Planungs- und Bauverträgen verwendet hat, was bedeutet, dass 

  • sich auf diese Klauseln bzw. Bestimmungen das Bauunternehmen nicht (mehr) berufen kann und 
  • diese für den Verbraucher unbeachtlich sind.

Unwirksam,

  •  wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB),

ist nach Auffassung des Senats u. a. eine Klausel, die vorsieht, dass die Parteien davon ausgehen, dass „keine unüblichen Grundstücksgegebenheiten bestehen“, weil,

  • wann ein Grundstück noch üblich und wann es unüblich beschaffen, einem durchschnittlichen Verbraucher vollkommen unklar und für diesen eine solche Klausel unverständlich ist, 

eine Klausel, die bestimmt, dass, wenn der Auftraggeber statt der vorgelegten Ausführungsplanung wesentliche Änderungen fordert, die Vertragsparteien „verhandeln und eine entsprechende Nachtragsvereinbarung abschließen“, weil,

  • obwohl das Gesetz in § 650b Abs. 2 Satz 1 BGB dem Besteller, wenn keine gütliche Einigung zwischen den Parteien zu Stande kommt, ausdrücklich ein einseitiges Anordnungsrecht zubilligt, mit der Klausel – zu Unrecht – der Eindruck erweckt wird, dass der Kunde unbedingt eine Nachtragsvereinbarung benötigt,

eine Klausel, die vorsieht, dass der Kunde dafür Sorge zu tragen hat, dass das Grundstück „mit schweren Baufahrzeugen mit einem Gesamtgewicht von 40 t befahren werden kann“, weil 

  • dies von der Beschaffenheit seines Grundstücks insbesondere den Bodenverhältnissen sowie von der Beschaffenheit des Baufahrzeugs abhängt, 
  • beides dem Kunden nicht bekannt sei und dieser deshalb die Befahrbarkeit seines Grundstücks mit derartigen Baufahrzeugen nicht beurteilen könne

sowie eine Bestimmung, wonach das Bauwerk als abgenommen gilt, wenn eine Frist zur Abnahme gesetzt wurde „und der Auftraggeber die Abnahme nicht innerhalb dieser Frist unter Angabe wesentlicher Mängel verweigert hat“, weil nach § 640 Abs. 2 Satz 2 BGB  

  • zum einen der Unternehmer in Textform auf die Folgen einer nicht erklärten oder ohne Angabe von Mängeln verweigerten Abnahme hinweisen muss und
  • zum anderen nach dem Gesetz bereits dann nicht von einer Abnahme auszugehen ist, wenn der Besteller wegen eines Mangels – nicht mehrerer Mängel – die Abnahme verweigert hat, wobei es nach den gesetzlichen Regelungen auch keine Rolle spielt, ob der Mangel wesentlich oder unwesentlich ist (Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt).

Was Patienten, die wegen eines Gesundheitsschadens aufgrund behaupteter Hygieneverstöße Schadensersatz verlangen, wissen sollten

Anders als im Bereich des ärztlichen Handelns, in dem grundsätzlich der Patient die Darlegungs- und Beweislast für einen von ihm behaupteten Behandlungsfehler sowie dessen Ursächlichkeit für den eingetretenen Gesundheitsschaden trägt, muss,

  • wenn sich ein durch den Klinikbetrieb oder die Arztpraxis gesetztes Risiko verwirklicht,
  • das von der Behandlungsseite durch sachgerechte Organisation und Koordinierung des Behandlungsgeschehens voll hätte beherrscht werden können und müssen,

in Umkehrung der Darlegungs- und Beweislast die Behandlungsseite darlegen und beweisen,

  • dass sie alle erforderlichen organisatorischen und technischen Vorkehrungen ergriffen hatte, um das Risiko zu vermeiden.

Voll beherrschbare Risiken in diesem Sinne,

  • die dadurch gekennzeichnet sind, dass sie durch den Klinik- oder Praxisbetrieb gesetzt werden und durch dessen ordnungsgemäße Gestaltung ausgeschlossen werden können sowie müssen,

sind allerdings abzugrenzen von den Gefahren, die aus den Unwägbarkeiten des menschlichen Organismus bzw. den Besonderheiten des Eingriffs in diesen Organismus erwachsen und deshalb der Patientensphäre zuzurechnen sind, weil

  • die Vorgänge im lebenden Organismus auch vom besten Arzt nicht immer so beherrscht werden können, dass schon der ausbleibende Erfolg oder auch ein Fehlschlag auf eine fehlerhafte Behandlung hindeuten würden.

Dem von der Behandlungsseite voll beherrschbaren Bereich beispielsweise zuzurechnen sind

  • die Reinheit des benutzten Desinfektionsmittels,
  • die Sterilität der verabreichten Infusionsflüssigkeit oder
  • die vermeidbare Keimübertragung durch an der Behandlung beteiligte Personen,

weil all diesen Fällen gemeinsam ist, dass

Dagegen kommt

  • bei ungeklärter Infektionsquelle

eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast nach den Grundsätzen über das voll beherrschbare Risiko nicht in Betracht.

Eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast nach den Grundsätzen über das voll beherrschbare Risiko tritt vielmehr nur dann ein,

  • wenn feststeht, dass der Gesundheitsschaden aus der von der Behandlungsseite vollbeherrschbaren Sphäre hervorgegangen ist (vgl. BGH, Urteile vom 20.03.2007 – VI ZR 158/06 – und vom 17.01.2012 – VI ZR 336/10 –)

und diese Voraussetzung ist nicht erfüllt,

  • wenn nicht feststeht, wo und wann sich ein Patient mit dem nachgewiesenen Erreger infiziert hat,
  • es also möglich ist, dass der Patient selbst Träger des Keims war und dieser in die Wunde des Patienten gewandert oder der Keim durch einen Besucher übertragen worden ist.

Ist die Infektionsquelle (noch) ungeklärt, steht also noch nicht fest, wo und wann sich der Patient mit dem nachgewiesenen Erreger infiziert hat und ist deshalb auch noch keine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast nach den Grundsätzen über das voll beherrschbare Risiko eingetreten,

  • erfüllt der dann zunächst noch als Anspruchssteller primär darlegungsbelastete Patient seine Darlegungslast, wenn

er konkrete Anhaltspunkte für einen Hygienevorstoß der Behandlungsseite vorträgt,

  • wobei er sich dabei darauf beschränken darf, Tatsachen vorzutragen, die die Vermutung eines fehlerhaften Verhaltens der Behandlungsseite aufgrund der Folgen für ihn gestattet (vgl. BGH, Urteile vom 08.06.2004 – VI ZR 199/03 – und vom 24.02.2015 – VI ZR 106/13 –),
  • beispielsweise, dass er als frisch Operierter neben einen Patienten gelegt worden war, der unter einer offenen, mit einem Keim infizierten Wunde im Kniebereich litt und sein „offenes Knie“ allen Anwesenden zeigte.

Ein solcher Vortrag, wenn er die Vermutung eines fehlerhaften Verhaltens des Arztes aufgrund der Folgen für den Patienten gestattet, genügt, um eine erweiterte Darlegungslast der Behandlungsseite auszulösen, die dann

  • die sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Maßnahmen trifft, die sie ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die Hygienebestimmungen eingehalten wurden (vgl. auch Oberlandesgericht (OLG) München, Urteil vom 06.06.2013 – 1 U 319/13 –).

Darauf hat der VI. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 16.08.2016 – VI ZR 634/15 – hingewiesen.