Tag Bindungswirkung

Warum die Erstellung einer Patientenverfügung sinnvoll ist

…. wenn man in bestimmten, künftig möglicherweise eintretenden Lebens- bzw. Behandlungssituationen eine bestimmte ärztliche Behandlung wünscht oder nicht (mehr) wünscht, wie etwa (weitere) lebenserhaltende Maßnahmen.

Wenn ein Volljähriger,

  • beispielsweise weil er sich nach einem Unfall oder Schlaganfall in einem komatösen Zustand befindet,

selbst nämlich keine Entscheidungen (mehr) treffen kann,

  • er also in ärztliche Behandlungen selbst auch nicht mehr einwilligen kann,

der Betroffene aber vorher schon einen entsprechenden eigenen Willen

  • in einer schriftlichen Patientenverfügung (§ 1901 a Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) niedergelegt hat,

sind die von ihm in der Patientenverfügung getroffenen Entscheidungen,

  • also, ob eine ärztliche, auch eine lebensverlängernde Maßnahme – wie etwa eine künstliche Ernährung über eine Magensonde (PEG) – unterbleiben, durchgeführt, fortgesetzt oder abgebrochen werden soll,

für alle, auch für die behandelnden Ärzte, bindend,

  • sofern die von dem Betroffenen in der Patientenverfügung beschriebene Lebens- und Behandlungssituation auf die bei ihm konkret eingetretene zutrifft.

Dagegen müssen, wenn

  • ein Betroffener keine Patientenverfügung errichtet hat,
  • aber auch dann, falls sie auf die konkret eingetretene Lebens- und Behandlungssituation nicht zutrifft bzw. sie nicht ausreichend bestimmt ist,

die Entscheidungen darüber, ob bzw. welche in Betracht kommenden ärztlichen Maßnahmen durchgeführt oder nicht (länger) durchgeführt werden sollen,

  • sofern für diesen Fall der Betroffene einer Person ausdrücklich schriftlich Vollmacht auch für die Entscheidung über die Beendigung lebenserhaltender Maßnahmen erteilt hat, von dieser Person,
  • ansonsten von einem vom Amtsgericht zu bestellenden Betreuer

getroffen werden.

Diesem Bevollmächtigten bzw. diesem Betreuer obliegt es zuvor den (mutmaßlichen) Behandlungswunsch des Betroffenen zu ermitteln, was, wenn keine Patientenverfügung vorliegt, äußerst schwierig sein kann.

Will in einem solchen Fall der Bevollmächtigte bzw. der Betreuer,

  • weil er überzeugt ist, dass dies dem (mutmaßlichen) Willen des Betroffenen entspricht,

dass (weitere) lebenserhaltende Maßnahmen unterbleiben oder abgebrochen werden, bedarf diese Maßnahme dann keiner gerichtlichen Genehmigung nach § 1904 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 4 und Abs. 5 Satz 1 BGB, wenn

  • zwischen dem Bevollmächtigten bzw. dem Betreuer und dem behandelnden Arzt des Betroffenen Einvernehmen darüber besteht, dass diese Vorgehensweise dem Willen des Betroffenen entspricht.

Besteht darüber dagegen kein Einvernehmen zwischen dem Bevollmächtigten bzw. dem Betreuer und dem behandelnden Arzt des Betroffenen greift das Genehmigungserfordernis gemäß § 1904 Abs. 2 BGB ein, d.h., dass

  • lebenserhaltende Maßnahmen nur mit Genehmigung des Betreuungsgerichts abgebrochen bzw. beendet werden dürfen und
  • dazu das Gericht erst prüfen muss, ob diese Maßnahme dem (mutmaßlichen) Willen des Betroffenen entspricht oder nicht.

Übrigens:
Eine Patientenverfügung bedarf keiner notariellen Beurkundung sondern lediglich der Schriftform. Der Ersteller kann sie auch jederzeit schriftlich ändern und formlos widerrufen.

Um unmittelbare Bindungswirkung (auch) gegenüber den behandelnden Ärzten zu entfalten muss eine Patientenverfügung ausreichend bestimmt sein, d.h.,

  • in ihr muss der Ersteller umschreibend festlegen, was er in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation bzw. bei bestimmten spezifizierten Krankheiten will und was nicht,
  • möglichst durch Bezeichnung der ärztlichen Maßnahmen in die der Ersteller einwilligt oder die er untersagt,

etwa durch Angaben zur

  • Schmerz- und Symptombehandlung,
  • künstlichen Ernährung und Flüssigkeitszufuhr,
  • Wiederbelebung,
  • künstlichen Beatmung,
  • Antibiotikagabe oder Dialyse usw..

Nicht ausreichend sind

  • ausschließlich allgemeine Anweisungen, wie die Aufforderung, „ein würdevolles Sterben zu ermöglichen oder zuzulassen, wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten ist“ oder
  • lediglich die Äußerung, „keine lebenserhalten- den Maßnahmen“ zu wünschen, da diese Äußerung jedenfalls für sich genommen keine hinreichend konkrete Behandlungsentscheidung enthält (Bundesgerichtshofs (BGH), Beschluss vom 08.02.2017 – XII ZB 604/15 –).

Was, wer eine Patientenverfügung erstellen möchte oder schon erstellt hat, wissen sollte

Jeder einwilligungsfähige Volljährige kann,

  • für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit,

schriftlich festgelegen – ohne dass dazu eine notarielle oder sonstige Beurkundung erforderlich ist -,

  • ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe
  • einwilligt oder sie untersagt,

also auch, wann bei ihm

  • lebenserhaltende Maßnahmen nicht (mehr) ergriffen oder
  • (bereits eingeleitete) lebenserhaltende Maßnahmen abgebrochen werden sollen.

Eine solche Patientenverfügung im Sinne des § 1901 a Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB),

  • die übrigens jederzeit schriftlich geändert und formlos widerrufen werden kann,

entfaltet eine unmittelbare Bindungswirkung (auch) gegenüber dem behandelnden Arzt allerdings nur dann, wenn

  • sie ausreichend bestimmt ist,
  • d.h., sich feststellen lässt, in welchen konkreten Behandlungssituationen welche ärztliche Maßnahmen durchgeführt werden bzw. unterbleiben sollen.

Diesem Bestimmtheitsgrundsatz genügt eine Patientenverfügung, die

  • einerseits konkret die Behandlungssituationen beschreibt, in der die Verfügung gelten soll, und
  • andererseits die ärztlichen Maßnahmen genau bezeichnet, in die der Ersteller einwilligt oder die er untersagt,

etwa durch Angaben zur

  • Schmerz- und Symptombehandlung,
  • künstlichen Ernährung und Flüssigkeitszufuhr,
  • Wiederbelebung,
  • künstlichen Beatmung,
  • Antibiotikagabe oder Dialyse.

Die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Patientenverfügung dürfen dabei allerdings nicht überspannt werden.

Der Ersteller muss weder seine eigene Biografie als Patient vorausahnen, noch die zukünftigen Fortschritte in der Medizin vorwegnehmend berücksichtigen.

  • Ausreichend ist, dass der Ersteller umschreibend festlegt, was er in einer bestimmten Lebens- und Behandlungssituation bzw. bei bestimmten spezifizierten Krankheiten will und was nicht.

Nicht ausreichend sind jedoch

  • allgemeine Anweisungen, wie die Aufforderung, „ein würdevolles Sterben zu ermöglichen oder zuzulassen, wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten ist“ oder
  • lediglich die Äußerung, „keine lebenserhalten- den Maßnahmen“ zu wünschen, da diese Äußerung jedenfalls für sich genommen keine hinreichend konkrete Behandlungsentscheidung enthält.

Darauf hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 08.02.2017 – XII ZB 604/15 – hingewiesen.