Tag gesetzlich Versicherte

An einer Querschnittslähmung leidende gesetzlich Versicherte sollten wissen, dass sie Anspruch haben auf

…. die Versorgung mit einem Exoskelett.

Mit Urteil vom 27.02.2020 – L 5 KR 675/19 – hat das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen im Fall eines,

  • nach einem Verkehrsunfall an einer Querschnittslähmung leidenden,

gesetzlich Versicherten entschieden, dass dieser

  • sich von der Krankenkasse nicht auf die alleinige Versorgung mit einem Aktivrollstuhl und einem Stehrollstuhl verweisen lassen muss, sondern

Anspruch hat auf unmittelbaren Behindertenausgleich nach § 33 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) durch

  • die Versorgung mit einem Exoskelett (Kosten rund 100.000 Euro).

Begründet hat das LSG dies damit, dass es bei einem Querschnittsgelähmten um den Ausgleich der durch den körperlichen Schaden verlorengegangenen Funktion der Beine,

  • die für den Menschen im Wesentlichen aus dem Stehen und Gehen besteht,

gehe und das Exoskelett,

  • auch wenn es im Gegensatz zu einer mechatronischen Prothese wie z.B. dem C-leg kein Körperersatzstück ist, jedoch ebenfalls auf ähnliche Weise

als orthopädisches Hilfsmittel die Funktion der Beine ersetzt, indem es das Stehen sowie das Gehen dadurch ermöglicht, dass der Querschnittsgelähmte

  • es wie eine zweite Hose anlegt,
  • auf der Fernbedienung das Programm „Stehen“ wählt sowie den Aufstehvorgang durch eine Vorwärtsneigung und ein Bewegen der Unterarmgehstützen auslöst und
  • mit der Auswahl „Gehen“ dieses gleichermaßen auslösen kann, das, sobald die Unterarmgehstützen nicht mehr bewegt werden, wieder endet (Quelle: Pressemitteilung des LSG Essen).

Wann liegt bei betrieblichen Aktivitäten von gesetzlich Versicherten mehrerer Unternehmen eine „gemeinsame Betriebsstätte“ vor?

Sind an einem Arbeitsunfall gesetzlich Unfallversicherte mehrerer Unternehmen beteiligt, ist Voraussetzung für die Haftungsprivilegierung gemäß § 106 Abs. 3 Alt. 3 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII),

  • also dass die sich aus §§ 104, 105 SGB VII ergebenden Haftungsbeschränkungen greifen (u.a. Haftung nur für eine vorsätzlich Verursachung des Versicherungsfalls) für Unternehmer (§ 104 SGB VII) sowie andere im Betrieb tätige Personen (§ 105 SGB VII),

dass die an dem konkreten Unfallgeschehen Beteiligten

  • vorübergehend betriebliche Tätigkeiten auf einer „gemeinsamen Betriebsstätte“ verrichten.

Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 23.09.2014 – VI ZR 483/12 –) erfasst der Begriff der „gemeinsamen Betriebsstätte“ betriebliche Aktivitäten von Versicherten mehrerer Unternehmen,

  • die bewusst und gewollt bei einzelnen Maßnahmen ineinander greifen,
  • miteinander verknüpft sind,
  • sich ergänzen oder
  • unterstützen,

wobei es ausreicht, dass die gegenseitige Verständigung stillschweigend durch bloßes Tun erfolgt.

Erforderlich ist aber

  • ein bewusstes Miteinander im Betriebsablauf,
  • das sich zumindest tatsächlich als ein aufeinander bezogenes betriebliches Zusammenwirken mehrerer Unternehmen darstellt.

§ 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII ist nicht schon dann anwendbar, wenn Versicherte zweier Unternehmen auf derselben Betriebsstätte aufeinandertreffen.

  • Eine „gemeinsame Betriebsstätte“ ist nach allgemeinem Verständnis mehr als „dieselbe Betriebsstätte“;
  • das bloße Zusammentreffen von Risikosphären mehrerer Unternehmen erfüllt den Tatbestand der Norm nicht.

Parallele Tätigkeiten, die sich beziehungslos nebeneinander vollziehen, genügen ebenso wenig wie eine bloße Arbeitsberührung.

  • Erforderlich ist vielmehr eine gewisse Verbindung zwischen den Tätigkeiten als solche in der konkreten Unfallsituation, die eine Bewertung als „gemeinsame“ Betriebsstätte rechtfertigt.

Der Haftungsausschluss nach § 106 Abs. 3 Alt. 3 SGB VII ist (nur) im Hinblick auf die zwischen den Tätigenden verschiedener Unternehmen bestehende Gefahrengemeinschaft gerechtfertigt.

  • Eine Gefahrengemeinschaft ist dadurch gekennzeichnet, dass typischerweise jeder der (in enger Berührung mit anderen) Tätigen gleichermaßen zum Schädiger und Geschädigten werden kann.

Der Haftungsausschluss knüpft daran an, dass eine gewisse Verbindung zwischen den Tätigen bei konkreten Arbeitsvorgängen in der konkreten Unfallsituation gegeben ist, die die „gemeinsame Betriebsstätte“ kennzeichnet.

Darauf hat der 7. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (OLG) mit Urteil vom 15.09.2016 – 7 U 117/15 – hingewiesen.