Tag Inverkehrbringen

Dieselgate: BGH trifft weitere Entscheidungen zur Haftung eines Automobilherstellers nach §§ 826, 31 BGB gegenüber einem

…. Fahrzeugkäufer in einem sogenannten Dieselfall.

Mit Urteilen vom 13.04.2021 – VI ZR 274/20 – und vom 27.07.2021 – VI ZR 865/20, VI ZR 480/19 – hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden, dass, wenn Fahrzeug- oder Motorenhersteller Fahrzeugkäufer 

  • durch das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung 

vorsätzlich sittenwidrig geschädigt haben und der Fahrzeugkauf von den Käufern (teilweise) finanziert worden ist, 

  • beispielsweise durch ein aufgenommenes Bankdarlehen, 

die Fahrzeugkäufer auch Anspruch haben auf Ersatz der Finanzierungskosten,

  • beispielsweise der Darlehenszinsen und der durch den Abschluss einer Kreditausfallversicherung entstandenen Kosten,

in voller Höhe.

Begründet hat der Senat dies u.a. damit, dass ein Fahrzeugkäufer, 

  • der von einem Fahrzeug- oder Motorenhersteller vorsätzlich sittenwidrig geschädigt worden ist, 

gemäß §§ 826, 249 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) so zu stellen sind, als wäre es nicht zu dem Fahrzeugerwerb gekommen, 

  • ohne den Fahrzeugerwerb, 

der Käufer den Kaufpreis nicht (teilweise) mit einem Bankdarlehen finanziert hätte und er 

  • durch die Finanzierung 

keinen Vorteil hatte, der im Wege der Vorteilsausgleichung schadensmindernd zu berücksichtigen wäre.

Dieselgate – LG Kiel entscheidet: Porsche AG ist verpflichtet, dem Käufer eines vom Abgasskandal betroffenen Porsche Macan S Diesel

…. den Schaden aus dem Fahrzeugkauf zu ersetzen.

Diese Feststellung hat die 12. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Kiel mit Urteil vom 30.10.2018 – 12 O 406/17 – in einem Fall getroffen, in dem der Käufer 2013 einen neuen Porsche Macan S Diesel bestellt sowie 2014 ausgeliefert erhalten hatte und vom Kraftfahrt-Bundesamt

  • bei Überprüfung dieses Fahrzeugtyps im Jahr 2018 festgestellt worden war, dass werksseitig in die Fahrzeuge dieses Typs, damit diese die Abgasnorm EU 6 erfüllen, ein mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehener, von der Firma Audi hergestellter Dieselmotor eingebaut und
  • deswegen verpflichtend angeordnet worden war, die unzulässige Abschalteinrichtung zu entfernen sowie dazu ein Softwareupdate aufzuspielen.

Nach der Entscheidung der Kammer hat die Porsche AG,

  • durch das vom Vorstand gebilligte, unter Geheimhaltung, massenhafte arglistige Inverkehrbringen der aufgrund der bewusst eingebauten Abschalteinrichtungen zur Beeinflussung der Emissionswerte auf dem Prüfstand erheblich mangelhaften, nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechenden Fahrzeuge,

die Fahrzeugkäufer in einer gegen die guten Sitten verstoßenen Weise vorsätzlich geschädigt und ist deswegen nach § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verpflichtet, den Fahrzeugkäufern den erlittenen Schaden,

  • der in dem Abschluss eines ungewollten Kaufvertrags über ein mangelhaftes Fahrzeug und
  • damit in der Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung liegt,

zu ersetzen.

Dieselgate – LG Kiel entscheidet: Käufer eines Porsche Macan S Diesel können vom Fahrzeughersteller Schadensersatz

…. verlangen, wenn vom Kraftfahrtbundesamt

  • wegen einer bei diesem Fahrzeugtyp festgestellten unzulässigen Abschalteinrichtung ein verpflichtender Rückruf angeordnet und
  • der Fahrzeughersteller verpflichtet worden ist, die unzulässige Abschalteinrichtung zu entfernen.

Mit Urteil vom 30.10.2018 – 12 O 406/17 – hat die 12. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Kiel in einem Fall, in dem der Kläger einen neuen Porsche Macan S Diesel gekauft hatte,

  • der von dem Fahrzeughersteller mit einem von der Firma Audi hergestellten Dieselmotor ausgerüstet worden war,
  • der (zwar) über eine EG-Typgenehmigung nach der EU6-Abgasnorm verfügte,
  • aber zur Erfüllung der Abgasnorm eine unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut war und
  • bei dem das Kraftfahrbundesamt deswegen einen verpflichtenden Rückruf angeordnet sowie den Fahrzeughersteller zur Entfernung der unzulässigen Abschalteinrichtungen verpflichtet hatte,

festgestellt, dass

  • der Fahrzeughersteller verpflichtet ist, dem Kläger den Schaden aus dem Kauf des mit der unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs zu ersetzen.

Danach steht dem Käufer gegen den Fahrzeughersteller ein Anspruch auf Schadenssatz nach § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu.

Begründet hat die Kammer dies u.a. damit, dass

  • die schädigende Handlung in dem arglistigen Inverkehrbringen solcher mangelhafter Fahrzeuge unter Geheimhaltung der bewusst eingebauten Abschalteinrichtungen zur Beeinflussung der Emissionswerte auf dem Prüfstand liegt,
  • der Schaden des Klägers in dem Abschluss eines ungewollten Kaufvertrags über ein mangelhaftes Fahrzeug zu sehen ist,
  • die Schadenszufügung, nachdem vorsätzlich mangelhafte Fahrzeuge unter Geheimhaltung der bewusst eingebauten Funktion zur Veränderung der Emissionswerte auf dem Prüfstand im Vergleich zum normalen Betrieb in Verkehr gebracht worden sind, sich als sittenwidrig darstellt

und

  • die sittenwidrige Schädigung zumindest bedingt vorsätzlich erfolgt ist, da der Vorstand des Fahrzeugherstellers zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens der Fahrzeuge Kenntnis von den unzulässigen Abschalteinrichtungen in dem von Audi bezogenen Motor hatte, den Motor aber gleichwohl hat einbauen lassen und die Schädigung des Vermögens der Käufer durch ungewollte Fahrzeugkäufe in Kauf genommen hat.