Tag Jugendstrafe

Jugend(straf)recht: Bei wem wird es angewandt und welche Ahndungsmöglichkeiten sieht das Jugendrecht vor?

Eine Ahndung nach Jugendrecht kommt in Betracht bei Tätern, die bei Begehung der angeklagten Tat(en) 

  • vierzehn Jahre alt waren und 
  • mindestens eine der angeklagten Taten vor ihrem einundzwanzigsten Geburtstag begangen haben (§ 1 Abs. 2 Jugendgerichtsgesetz (JGG)).

Das Jugendstrafrecht wird, 

  • im Gegensatz zum Erwachsenenstrafrecht 

vom Erziehungsgedanken geleitet, hat zum Ziel

  • Nacherziehung und Integration, 
  • d.h. die Herbeiführung einer Einstellungs- und Verhaltensänderung 

und setzt demzufolge auch wesentlich auf 

  • normverdeutlichende, fördernde und Defizite ausgleichende, sowie helfende Maßnahmen.

Heranwachsende, d.h. Täter, die bei Begehung der angeklagten Tat(en) 

  • bereits achtzehn, 
  • aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt waren,

werden nur dann nach Jugendrecht geahndet, wenn 

  • entweder die Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 Nr.1 JGG bei ihnen vorlagen, 
    • d.h. die Gesamtwürdigung ihrer Persönlichkeit bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, dass sie zum Zeitpunkt der Begehung der Tat(en) nach ihrer sittlichen und geistigen Entwicklung noch Jugendlichen gleichstanden
  • oder es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der begangenen Tat um eine Jugendverfehlung i.S.v. § 105 Abs. 1 Nr. 2 JGG gehandelt hat, d.h. um eine Tat, 
    • die entweder schon nach ihrem äußeren Erscheinungsbild die Merkmale jugendlicher Unreife aufweist oder 
    • die durch die Motivation bzw. die Veranlassung als typische Jugendverfehlung gekennzeichnet wird.

Als Ahndungsmöglichkeiten sind im JGG vorgesehen,

  • die Erteilung von Erziehungsmaßregeln nach §§ 9 bis 12 JGG in Form 
    • von Weisungen und 
    • der Anordnung Hilfe zur Erziehung in Anspruch zu nehmen,
  • Zuchtmittel nach §§ 13 bis 16 JGG in Form 
    • einer Verwarnung, 
    • der Erteilung von Auflagen und/oder 
    • der Verhängung von Jugendarrest, als Freizeit-, Kurz- oder Dauerarrest von mindestens einer Woche und höchstens vier Wochen,
  • die Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe nach § 27 JGG 
    • für die Dauer von nicht unter einem Jahr und nicht über zwei Jahren (§ 28 Abs. 1 JGG), wobei 
    • der Täter für die Dauer oder eines Teils der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt wird und 
    • ihm Weisungen und Auflagen nach §§ 29 Satz 2, 23 JGG erteilt werden können,
  • die Verhängung von Jugendstrafe nach §§ 17 Abs. 2, 18 JGG 

sowie

  • die Erteilung von Maßregeln der Besserung und Sicherung nach § 7 Abs. 1 JGG in Form  
    • der Unterbringung in einem psychiatrischem Krankenhaus (§ 61 Nr. 1 Strafgesetzbuch (StGB)),
    • der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 61 Nr. 2 StGB), 
    • der Führungsaufsicht§ 61 Nr. 4 StGB und 
    • der Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 61 Nr. 5 StGB). 

Jugendstrafe darf nach § 17 Abs. 2 JGG nur verhängt werden, wenn 

  • wegen schädlicher Neigungen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln (vgl. §§ 9 – 12 JGG) oder Zuchtmittel (vgl. §§ 13 – 16 JGG), die gemäß § 8 Abs. 1 JGG, von der dort genannten Ausnahme abgesehen, auch nebeneinander angeordnet werden können, zur Erziehung nicht ausreichen 

oder 

  • wegen der Schwere der Schuld und (überdies) aus erzieherischen Gründen, Jugendstrafe erforderlich ist.

Wird Jugendstrafe verhängt, 

  • deren Mindestmaß sechs Monate sowie 
  • deren Höchstmaß 
    • fünf Jahre und 
    • zehn Jahre dann beträgt, wenn es sich bei der Tat um ein Verbrechen handelt (§ 12 Abs. 1 StGB) handelt, für das nach dem allgemeinen Strafrecht Freiheitsstrafe von mehr als zehn Jahren angedroht ist (§ 18 Abs. 1 JGG), 

ist die Jugendstrafe so zu bemessen, dass sie die 

  • erforderliche erzieherische Einwirkung 

ermöglicht (§ 18 Abs. 2 JGG). 

Zur Bewährung ausgesetzt wird die Vollstreckung einer verhängten Jugendstrafe (§ 21 JGG) 

  • von nicht mehr als einem Jahr, wenn 
    • die Sozialprognose günstig ist, d.h., zu erwarten ist, dass der Täter sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs unter der erzieherischen Einwirkung in der Bewährungszeit künftig einen rechtschaffenen Lebenswandel führen wird

sowie bei einer solchen günstigen Sozialprognose, auch eine verhängte Jugendstrafe

  • die ein Jahr, 
  • aber nicht zwei Jahre übersteigt, wenn 
    • die Vollstreckung im Hinblick auf die Entwicklung des Jugendlichen nicht geboten ist.

Bei einer Strafaussetzung 

  • beträgt die Bewährungszeit mindestens zwei und höchstens drei Jahre (§ 22 Abs. 1 Satz 2 JGG),
  • wird der Täter in der Bewährungszeit für höchstens zwei Jahre der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt (§ 24 Abs. 1 Satz 1JGG) und
  • sollen ihm Weisungen und/oder Auflagen nach § 23 JGG erteilt werden.

Neben 

  • der Aussetzung der Verhängung oder der Vollstreckung einer Jugendstrafe zur Bewährung,

kann nach § 16a Abs. 1 JGG Jugendarrest verhängt werden, wenn dies geboten ist,

  • um, unter Berücksichtigung der Belehrung über die Bedeutung der Aussetzung zur Bewährung und unter Berücksichtigung der Möglichkeit von Weisungen und Auflagen, dem Täter seine Verantwortlichkeit für das begangene Unrecht und die Folgen weiterer Straftaten zu verdeutlichen,
  • um den Täter zunächst für eine begrenzte Zeit aus einem Lebensumfeld mit schädlichen Einflüssen herauszunehmen und durch die Behandlung im Vollzug des Jugendarrests auf die Bewährungszeit vorzubereiten 

oder

  • um im Vollzug des Jugendarrests eine nachdrücklichere erzieherische Einwirkung auf den Täter zu erreichen oder um dadurch bessere Erfolgsaussichten für eine erzieherische Einwirkung in der Bewährungszeit zu schaffen.

Wird eine Jugendstrafe verhängt, 

  • die zwei Jahre übersteigt, 

ist eine Aussetzung zur Bewährung nicht möglich.

Fußball-Fan, der sein Revier als Fan mit Aufklebern markiert hat, nach Jugendrecht verurteilt

Weil ein Fan des FC Bayern München,

  • um sein Revier als FC Bayern-Fan zu markieren, an der Telefonzelle in der Südlichen Auffahrtsallee auf Höhe der Hubertusstraße in München einen Aufkleber mit der Aufschrift „Minga, Oida“ im Format 7,2 mal 5 Zentimeter und an der Ampel in der Südlichen Auffahrtsallee auf Höhe des Anwesens Nummer 59 in München einen Aufkleber mit einer Größe von 9,5 mal 9,5 Zentimeter mit der Aufschrift „Auf die Bayern“ angebracht sowie
  • einen, von einem anderen beim Geldabheben im Ausgabeschacht des Geldautomaten der Stadtsparkasse München am Rotkreuzplatz vergessenen 100 Euro Schein eingesteckt hatte, um sich mit dem Geld Eintrittskarten für ein Basketballspiel zu kaufen,

hat das Amtsgericht (AG) München ihm mit Urteil vom 27.04.2016 – 1033 Ds 466 Js 200725/15 – wegen Sachbeschädigung und Diebstahls

  • auferlegt 100 Euro zu zahlen sowie 20 Stunden gemeinnütziger Arbeit zu leisten und
  • angewiesen, an einem Beratungsgespräch des Jugendinformationszentrums teilzunehmen.

Die Verurteilung des zur Zeit der Hauptverhandlung 21-jährigen Münchners, der zum Zeitpunkt der Sachbeschädigungen Heranwachsender und zum Zeitpunkt des Diebstahls schon Erwachsener war, erfolgte deshalb noch nach Jugendrecht, weil zur Überzeugung des Gerichts jedenfalls als er die Sachbeschädigungen beging, bei ihm noch deutliche Reifeverzögerungen vorlagen und diese Taten durchaus Züge einer Jugendverfehlung aufwiesen (Quelle: Pressemitteilung des AG München 50/16 vom 27.06.2016).

Zum Verständnis:
Jugendlicher ist,

  • wer zur Tatzeit Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn Jahre alt ist.

Heranwachsender ist,

  • wer zur Zeit der Tat achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt ist (vgl. § 1 Abs. 2 Jugendgerichtsgesetz (JGG)).

Nicht nach Erwachsenenrecht, sondern noch nach Jugendrecht verurteilt wird ein Heranwachsender dann, wenn

  • die Gesamtwürdigung seiner Persönlichkeit bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, dass er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen (also einem noch nicht Achtzehnjährigen) gleichstand oder
  • es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt (vergl. § 105 Abs. 1 JGG).

Werden, wie im obigen Fall des AG München, Straftaten gleichzeitig abgeurteilt, auf die

  • teils Jugendstrafrecht anzuwenden ist, wie auf die Sachbeschädigungen, weil bei dem zu diesem Zeitpunkt noch Heranwachsenden nach Auffassung des Gerichts die Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 JGG vorgelegen haben und
  • teils Erwachsenenstrafrecht, weil der Täter bei dem Diebstahl schon über 21 Jahre und somit Erwachsener war,

gilt nach § 32 JGG

  • einheitlich das Jugendstrafrecht, wenn das Schwergewicht bei den Straftaten liegt, die nach Jugendstrafrecht zu beurteilen wären und
  • wenn dies nicht der Fall ist, so ist einheitlich das allgemeine Strafrecht anzuwenden.

Weisungen sind Erziehungsmaßegeln (§ 9 Nr. 1 JGG), Auflagen sind Zuchtmittel (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 JGG), die erteilt werden, wenn

  • wegen der Schwere der Schuld die Verhängung von Jugendstrafe nicht geboten und
  • Erziehungsmaßregeln sowie/oder Zuchtmittel bei dem Jugendlichen bzw. bei dem noch nach Jugendrecht zu ahndenden Heranwachsenden zur Erziehung ausreichend sind (§ 17 Abs. 2 JGG).

19-jähriger Feuerwehrmann wegen Brandstiftung zu Jugendstrafe und Schadensersatz verurteilt

Ein 19-Jähriger, der Mitglied der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr war und der, weil er einen Feuerwehreinsatz provozieren wollte, bei dem er sich beweisen konnte,

  • einen vor einer Gewerbehalle einer Holzbearbeitungsfirma stehenden Müllcontainer entzündet hatte,
  • wodurch auch die Gewerbehalle in Brand geraten und trotz des eingeleiteten Feuerwehreinsatzes bis zur Bodenplatte vollständig ausgebrannt war,

ist

  • wegen Brandstiftung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe verurteilt worden und
  • muss, wie der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit rechtskräftigen Beschlüssen in den Verfahren 9 U 117/15 und 9 U 232/15, jeweils vom 16.02.2016 und vom 01.04.2016 entschieden hat, auch die durch den Brand verursachten Schäden in vollem Umfang ersetzen,

da, nach der Überzeugung des Senats, der Müllcontainer von dem 19-Jährigen absichtlich entzündet, das Abbrennen der Gewerbehalle dabei mit bedingtem Vorsatz in Kauf genommen worden und seine zivilrechtliche Verantwortlichkeit bei der Tatbegehung weder ausgeschlossen noch gemindert war.

Das bedeutet, der 19-Jährige muss

  • der Gebäudeversicherung die von ihr der Holzverarbeitungsfirma zur Regulierung des Gebäudeschadens gezahlten ca. 228.000 Euro erstatten und
  • der Holzverarbeitungsfirma ihre nicht durch Versicherungsleistungen abgedeckten Schäden (insgesamt ca. 50.000 Euro), u.a. weitere Gebäudeschäden sowie Schäden an der Betriebseinrichtung und den Vorräten, die sie nach den insoweit bestehenden Versicherungen als Selbstbehalt tragen muss, ersetzen (Quelle Pressemitteilung des OLG Hamm vom 15.06.2016).