Tag Linksabbieger

Nicht immer ist allein die unzulässige Nutzung einer Busspur im Falle einer Kollision Grund für eine (Mit)Haftung

Mit Urteil vom 14.12.2017 – 22 U 31/16 – hat der 22. Zivilsenat des Kammergerichts (KG) Berlin entschieden, dass wer

  • mit seinem zuvor geparkten Fahrzeug von der rechten, zum Parken benutzten Spur auf die mittlere Spur unter Verstoß gegen § 10 Straßenverkehrs-Ordnung anfährt,

auch dann den gesamten Schaden zu tragen hat, wenn er dabei mit einem PKW kollidiert,

  • dessen Fahrer unter Missachtung des Zeichens 245 der Anl. 2 zu § 41 Abs. 1 StVO unberechtigt die als Bussonderfahrstreifen ausgewiesene mittlere Fahrspur befährt.

Danach kann in einem solchen Fall derjenige, der sich unter Verstoß gegen § 10 Satz 1 StVO in den fließenden Verkehr einreihen will, nicht darauf berufen, dass der andere Unfallbeteiligte die Fahrspur unberechtigt befahren hat.

  • Denn das Verbot für den allgemeinen Verkehr, den durch Zeichen 245 ausgewiesenen Bussonderfahrstreifen zu befahren, dient, so das KG, nicht der Unfallverhütung.

Vielmehr solle mit der Einführung von Bussonderfahrstreifen Störungen des Linienverkehrs vermieden und der geordnete und zügige Betriebsablauf mit Taktfahrplänen gewährleistet werden.

Im Übrigen treffe einem aus einer Parkreihe Anfahrenden, so das KG weiter, die – besonderen – Anforderungen des § 10 Satz 1 StVO unabhängig davon, ob die Spur, auf die er einfahren will, zunächst nur für besonderen Verkehr zugelassen ist oder nicht und ein diese Spur benutzender Fahrer müsse, nachdem die Spur nicht für den Verkehr allgemein gesperrt, sondern für Sonderverkehr freigegeben ist, auch nicht damit rechnen, dass ein Fahrzeug aus der Parkreihe ohne ausreichende Versicherung über herannahenden Verkehr in die mittlere Spur einfährt.

Im Gegensatz zu diesem,

  • aber auch zu dem Fall, in dem ein Linksabbieger die mit einer Lichtzeichenanlage versehene Vorfahrtsstraße überqueren will, ohne auf den für ihn geltenden Räumpfeil zu warten und mit einem die Busspur nutzenden Fahrzeug zusammenstößt,

können sich die unzulässige Nutzung der Busspur und die damit zusammenhängenden Besonderheiten unfall-(mit-)verursachend jedoch dann auswirken, wenn beispielsweise

  • im gleichgerichteten Verkehr ein Rechtsabbieger den auf der Busspur Fahrenden übersieht, weil diesem das Durchfahrtsrecht nach § 9 Abs. 3 Satz 2 StVO nicht zusteht oder
  • ein Linksabbieger an einer Kreuzung oder Einmündung, in diese einfahren will und wegen des Staus auf der Vorfahrtsstraße sich eine Lücke bildet, weil hier der die Busspur Befahrende damit rechnen muss, dass jemand unzureichend aufmerksam in die Busspur einfährt oder
  • auf den Bussondersonderstreifen ausgewichen wird, um den gestauten Verkehr durch Rechtsüberholen zu entgehen und später wieder einzuscheren.

Wer haftet wenn Linksabbieger im Kreuzungsbereich mit entgegenkommendem Fahrzeug kollidiert

…. und Ampelschaltung mit Grünabbiegerpfeil für Linksabbieger ungeklärt ist?

Kollidiert der Führer eines Pkw,

  • beim Abbiegen nach links im Bereich einer Kreuzung mit Ampelschaltung und Grünabbiegerpfeil für Linksabbieger,
  • mit einem entgegenkommenden Fahrzeug,

sind bei der Haftungsverteilung,

  • wenn die Unfallbeteiligten jeweils behaupten einen Grünpfeil bzw. Grünlicht gehabt zu haben und
  • keiner der Unfallbeteiligten beweisen kann, dass der andere einen Rotlichtverstoß begangen hat,
    • die Ampelschaltung also ungeklärt ist,

gem. § 17 Abs.1, Abs. 2 Straßenverkehrsgesetz (StVG) lediglich die Betriebsgefahren der beteiligten Fahrzeuge gegeneinander abzuwägen,

  • so dass bei Gleichwertigkeit der Fahrzeuge eine hälftige Haftungsverteilung angezeigt ist.

Dem Linksabbieger kann in einem solchen Fall nämlich kein Verstoß gegen § 9 Abs. 3 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) zur Last gelegt werden.

Denn ist die Vorfahrt an einer Kreuzung mit einer Lichtzeichenanlage geregelt

  • und hat der Linksabbieger einen Grünpfeil,

ist § 9 Abs. 3 StVO durch § 37 Abs. 2 Nr. 1 StVO außer Kraft gesetzt.

Den dem grünen Pfeil folgenden Verkehrsteilnehmer treffen nicht die besonderen Sorgfaltspflichten gegenüber dem Gegenverkehr, die § 9 Abs. 3 StVO dem Linksabbieger im Allgemeinen aufbürdet.
Leuchtet der grüne Pfeil auf,

  • dann wird die den Vorrang des Gegenverkehrs betreffende Regelung des § 9 Abs. 3 StVO
  • durch die Regelung des § 37 Abs. 2 Nr. 1 StVO verdrängt, nach der der Linksabbieger die Kreuzung in Richtung des grünen Pfeils ungehindert befahren und räumen darf.

Der Linksabbieger kann auf Grund des grünen Pfeils darauf vertrauen, dass der Gegenverkehr durch Rotlicht gesperrt ist und dieser das Rotlicht auch beachtet.
Das gilt

  • nicht nur bei einem sog. „Diagonalpfeil“, also einem Grünpfeil hinter der Kreuzung,
  • sondern auch dann, wenn die Lichtzeichenanlage bereits vor Einfahren in die Kreuzung einen Grünabbiegepfeil anzeigt.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken mit Urteil vom 29.06.2016 – 1 U 14/15 – hingewiesen.

LG Köln entscheidet wann bei einem Unfall der Beweis des ersten Anscheins gegen den Linksabbieger spricht

Mit Urteil vom 08.02.2017 – 9 S 157/16 – hat die 9. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Köln entschieden, dass, wenn es zu einer Kollision zwischen einem nach links abbiegenden Kraftfahrzeug und

  • dem durchgehenden oder
  • dem nachfolgenden Verkehr kommt,

jeweils der Beweis des ersten Anscheins zunächst gegen den Linksabbieger spricht,

  • der diesen gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis entkräften muss.

Bei einer Kollision mit einem ihn links überholenden Fahrzeug, ist, so die Kammer, nach der allgemeinen Lebenserfahrung nämlich davon auszugehen, dass der Linksabbieger die ihn nach § 9 Abs. 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) treffenden Pflichten nicht erfüllt hat (so auch Kammergericht (KG) Berlin, Beschluss vom 10.09.2009 – 12 U 216/08 – sowie LG Saarbrücken, Urteil vom 24.01.2014 – 13 S 168/13 –; anderer Ansicht Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf, Urteil vom 23.06.2015 –1 U 107/14 –).

  • Zum einen ist davon auszugehen, dass der nachfolgende Verkehr nicht zu einem Überholmanöver angesetzt hätte, wenn der Linksabbieger seine Abbiegeabsicht ordnungsgemäß und rechtzeitig angezeigt hätte.
  • Zum anderen ist davon auszugehen, dass es nicht zum Unfall gekommen wäre, wenn der Linksabbieger seiner doppelten Rückschaupflicht nachgekommen wäre.
    Denn in diesem Fall hätte ihm die Überholabsicht des nachfolgenden Verkehrs regelmäßig rechtzeitig auffallen müssen.

Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn der Überholende dem Linksabbieger nicht unmittelbar gefolgt war, sondern eine kleine Kolonne – zwei Fahrzeuge sind hierfür ausreichend – in einem Zuge überholt und dann mit einem aus der Kolonne ausscherenden Fahrzeug kollidiert ist.

OLG Frankfurt am Main entscheidet wann Linksüberholer bei Kollision mit Linksabbieger in ein Grundstück allein haftet

…. und der Linksabbieger in ein Grundstück von der Verpflichtung zur sog. zweiten Rückschau enthoben ist.

Dass einen Linksabbiegenden in ein Grundstück nach § 9 Abs. 5 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO)

  • eine erhöhte Sorgfaltspflicht trifft und
  • gerade die zweite Rückschau vor Einleiten der Richtungsänderung beim Abbiegen einen gewichtigen Sorgfaltsmangel darstellen kann,

da hierdurch gerade vermieden werden soll, dass der nachfolgende oder ein etwa überholender Verkehr im letzten Moment übersehen wird,

  • gilt nicht uneingeschränkt.

Vielmehr kann ein Linksabbieger von der Verpflichtung zur sogenannten zweiten Rückschau dann enthoben sein,

  • wenn ein Überholen aus technischen Gründen nicht möglich ist oder
  • wenn ein Linksüberholen im besonderen Maß verkehrswidrig wäre und

aus diesem Grund so fernliegt, dass sich der nach links Abbiegende auch unter Berücksichtigung der ihn treffenden gesteigerten Sorgfaltspflicht auf eine solche Möglichkeit nicht einzustellen braucht.

Beispielsweise muss ein Autofahrer, der nach links in einen Firmenparkplatz abbiegen will, dessen Einfahrt deutlich mit Fahnen markiert ist,

  • wenn er seine Linksabbiegeabsicht rechtzeitig durch Blinken und Verlangsamung der Fahrt auf etwa 20 bis 25 km/h angezeigt hat,
  • hinter ihm noch ein anderer Pkws fährt und
  • im Einmündungsbereich der Parkplatzeinfahrt ein durch Verkehrszeichen 276 der StVO angeordnetes Überholverbot besteht,

nicht damit rechnen, dass ein anderer Fahrzeugführer ihn sowie das hinter ihm fahrende Fahrzeug links überholen will,

  • so dass er auch zu einer zweiten Rückschau vor dem Einleiten der Richtungsänderung nicht (mehr) verpflichtet ist.

Dies und dass, wenn es in einem solchen Fall zu einer Kollision des Fahrzeugs des Linksüberholers mit dem Fahrzeug des Linksabbiegers kommt,

  • die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Linksabbiegers hinter das grobe Verschulden des Linksüberholers vollständig zurücktritt und
  • den Linksüberholer die Alleinhaftung trifft,

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt am Main mit Urteil vom 11.01.2017 – 16 U 116/16 – entschieden.