Tag Nichtanlegen

OLG Rostock entscheidet, dass Beifahrer, die den Sicherheitsgurt nicht angelegt haben, an unfallbedingten Verletzungen

…. ein Mitverschulden tragen und wie eine solche Mitverursachung zu bemessen ist.

Mit Urteil vom 25.10.2019 – 5 U 55/17 – hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Rostock in einem Fall, in dem ein PKW, aufgrund Verschuldens des Fahrzeugführers, in einer Kurve von der Straße abgekommen sowie gegen einen Baum geprallt war und bei dem Unfall eine,

  • zum Unfallzeitpunkt nicht angeschnallte,

Mitfahrerin schwere Verletzungen erlitten hatte,

  • von denen sie einen wesentlichen Teil, wäre sie angeschnallt gewesen, nicht erlitten hätte,

entschieden, dass die Mitfahrerin

  • ein Mitverschulden an ihren unfallbedingten Verletzungen trägt.

Die Mitverursachung ist dabei, wie der Senat ausgeführt hat, nicht danach zu bemessen,

  • welche unfallbedingten Verletzungen der Mitfahrer aus dem nicht angelegten Sicherheitsgurt resultierten,

vielmehr sind Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche, um eine,

  • nach erfolgter Gesamtbetrachtung der Schadensentstehung und Abwägung aller Umstände,

zu bildende Mithaftungsquote zu kürzen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall hat der Senat die Mitverursachung der verletzten Beifahrerin durch das Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes,

  • wegen des deutlich überwiegenden Unfallverursachungsanteils des Fahrzeugführers,
  • der die zulässige Geschwindigkeit von 80 km/h um mehr als 25% überschritten und die Kurve geschnitten hatte,

mit 1/3 bemessen (Quelle: Pressemitteilung des OLG Rostock).

Autofahrer sollten wissen, welche Folgen das Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes im Falle eines Verkehrsunfalles für sie

…. auch dann haben kann, wenn der Unfall von ihnen nicht verursacht worden ist.

Auch dann, wenn nach einem Verkehrsunfall

  • aufgrund des Unfallhergangs

einer der Unfallbeteiligten zu 100% für die unfallbedingt, einem anderen unfallbeteiligten Autofahrer, entstandene Schäden haften würde, kann diesem,

  • im Fall von bei dem Unfall erlittener Verletzungen,

ein zu einer anspruchsmindernden Mithaftung führendes Mitverschulden

  • wegen der Nichtanlegung des Sicherheitsgurts (Verstoß gegen § 21a Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO))

vorzuwerfen sein, wenn aufgrund medizinischer Beurteilung die erlittenen Verletzungen,

  • wäre der verletzte Autofahrer zum Zeitpunkt des Unfalls angeschnallt gewesen,

nach der Art des Unfalls – wegen Fehlens einer wesentlichen Komponente des Rückhaltekonzepts im Fahrzeug –

  • tatsächlich verhindert worden oder
  • zumindest weniger schwerwiegend gewesen wären.

Das Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes kann sich auf einzelne Verletzungen nämlich verschieden ausgewirkt haben.

So kann beispielsweise bei bestimmten Verletzungen

  • – wegen eines anderen Verletzungsmechanismus – eine Ursächlichkeit des Nichtanlegens des Sicherheitsgurtes von vornherein auszuschließen sein

oder

  • – weil es keinen Unterschied macht, ob der Körper des Insassen durch den Airbag oder den Sicherheitsgurt zurückgehalten wird – nicht davon ausgegangen werden, dass diese Verletzungen im angegurteten Zustand nicht oder wesentlich geringfügiger ausgefallen wären,

während bei anderen Verletzungen es wiederum mit hoher Wahrscheinlichkeit sein kann, dass diese

  • – bei angelegtem Dreipunkt-Sicherheitsgurt –

nicht eingetreten oder deutlich geringer ausgefallen wären, wobei diesbezüglich dann,

  • wenn der Unfall einer der hierfür typischen Gruppen von Unfallabläufen zuzuordnen ist,

dem Geschädigten die Regeln des Anscheinsbeweises zugutekommen,

  • wie etwa im Fall einer frontalen Kollision zwischen zwei Fahrzeugen, bei der das Risiko, schwere Knieverletzungen zu erleiden bei einem angegurteten Fahrer deutlich geringer ist als bei einem nicht angegurteten Fahrer.

Hat der Geschädigte verschiedene Verletzungen erlitten, von denen nur ein Teil auf das Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes zurückzuführen ist, führt dies nicht dazu, dass der Geschädigte Schadensersatz nur für die Verletzungen verlangen kann, die er auch erlitten hätte, wäre er angegurtet gewesen.

Vielmehr wird dann, unter Abwägung aller Umstände,

  • insbesondere der von den Verletzungen ausgehenden Folgeschäden, deren vermögensrechtliches Gewicht je nach der Verletzung verschieden sein kann,

eine einheitliche Mitschuldquote gebildet.

Übrigens:
Eine solche Mitverschuldensquote wirkt sich auch aus auf einen erlittenen Haushaltsführungs- und Verdienstausfallschaden (vgl. dazu Oberlandesgericht (OLG) München, Urteil vom 25.10.2019 – 10 U 3171/18 –).