Tag Nießbrauch

Was nicht nur die nach dem Tod des Erblassers Pflichtteilsberechtigten, sondern auch die Erben des Erblassers und

…. die von dem Erblasser zu Lebzeiten Beschenkten über den Pflichtteilsergänzungsanspruch wissen sollten.

Nach § 2325 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann ein Pflichtteilsberechtigter, auch im Fall des § 2326 BGB, wenn

  • der Erblasser Dritten eine Schenkung gemacht,
  • es sich bei dieser nicht um eine Anstandsschenkung nach § 2330 BGB gehandelt hat und
  • noch keine zehn Jahre verstrichen sind,
    • seit der Leistung des verschenkten Gegenstandes,
    • bei Schenkungen an den Ehegatten seit der Auflösung der Ehe (Scheidung),

als Ergänzung des Pflichtteils,

  • von dem Erben des Erblassers,

den Betrag verlangen, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn dem Nachlass der vom Erblasser zu Lebzeiten verschenkte Gegenstand hinzugerechnet wird, wobei

  • für den Wert maßgebend ist,
    • bei einer verbrauchbaren Sache der Wert zur Zeit der Schenkung und
    • bei einem anderen Gegenstand (wie einem Grundstück)
      • der Wert zur Zeit des Erbfalls,
      • falls jedoch der Wert zur Zeit der Schenkung geringer war, nur dieser geringere Wert,
  • eine Schenkung berücksichtigt wird,
    • innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in vollem Umfang, also zu 100% sowie
    • innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils ein Zehntel weniger, also im zweiten Jahr vor dem Erbfall nur noch zu 90 %, im dritten Jahr vor dem Erbfall nur noch zu 80 % usw.

und

  • sich der Ergänzungsberechtigte Eigengeschenke gemäß § 2327 BGB anrechnen lassen muss.

Voraussetzung für einen Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß § 2325 BGB ist eine Schenkung des Erblassers im Sinne von § 516 BGB, d.h. eine Zuwendung,

  • die den Empfänger aus dem Vermögen des Gebers bereichert und
  • bei der beide Teile darüber einig sind, dass sie unentgeltlich erfolgt.

Dabei ist die unbenannte Zuwendung unter Ehegatten einer Schenkung in diesem Sinne auch unabhängig von einer Einigung über ihre Unentgeltlichkeit gleichgestellt.

Eine ergänzungspflichtige Schenkung kann danach angenommen werden, wenn der ohne wirtschaftlichen Gegenwert erfolgte Vermögensabfluss beim Erblasser zu einer materiell-rechtlichen, dauerhaften und nicht nur vorübergehenden oder formalen Vermögensmehrung des Empfängers geführt hat (Bundesgerichtshofs (BGH), Urteil vom 14.03.2018 – IV ZR 170/16 –).

Für den Beginn der (obigen) Zehnjahresfrist ist abzustellen, auf den Eintritt des Leistungserfolges,

  • bei Grundstücken also auf die Umschreibung im Grundbuch,

wobei dieser Leistungserfolg erst dann vorliegt,

  • wenn der Erblasser nicht nur seine Rechtsstellung als Eigentümer endgültig aufgibt,
  • sondern auch darauf verzichtet, den verschenkten Gegenstand – sei es aufgrund vorbehaltener dinglicher Rechte oder durch Vereinbarung schuldrechtlicher Ansprüche – im Wesentlichen weiterhin zu nutzen.

Gehindert ist der Fristbeginn für die Zehnjahresfrist bei einer Schenkung danach, wenn

  • der Erblasser zwar seine Rechtsstellung formal aufgibt, wirtschaftlich aber weiterhin im „Genuss“ des verschenkten Gegenstandes bleibt,
  • der Erblasser den „Genuss“ des verschenkten Gegenstandes nach der Schenkung also nicht auch tatsächlich entbehren muss.

Wird bei einer Schenkung daher der Nießbrauch uneingeschränkt vorbehalten, ist der „Genuss“ des verschenkten Gegenstandes nicht aufgegeben worden.

Ob auch dann, wenn sich der Erblasser bei der Schenkung eines Grundstücks ein Wohnungsrecht an diesem oder Teilen daran vorbehält, wie ein Nießbrauch den Fristbeginn des § 2325 Abs. 3 BGB hindert, lässt sich nicht abstrakt beantworten.
Maßgebend hierfür, ob dies der Fall ist oder nicht, sind die Umstände des Einzelfalles, anhand derer beurteilt werden muss, ob der Erblasser den verschenkten Gegenstand auch nach Vertragsschluss noch im Wesentlichen weiterhin nutzen konnte (BGH, Urteil vom 29.06.2016 – IV ZR 474/15 –).

Übrigens:
Ist der Erbe selbst zur Ergänzung des Pflichtteiles nicht verpflichtet ist,

  • etwa weil kein ausreichender oder nur ein verschuldeter Nachlass vorhanden ist,

kann der Pflichtteilsberechtigte nach § 2329 BGB von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenks zum Zwecke der Befriedigung wegen des fehlenden Betrags nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern, wobei

  • der Beschenkte kann die Herausgabe durch Zahlung des fehlenden Betrags abwenden kann.

Welche Erben können wann von einem vom Erblasser Beschenkten die Herausgabe des Geschenkten fordern?

Gemäß § 2287 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann,

  • sowohl ein durch Erbvertrag mit der Erblasser eingesetzter Vertragserbe,
  • als auch, in entsprechender Anwendung der Vorschrift, bei einem gemeinschaftlichen Testament von Ehegatten, ein durch wechselbezügliche letztwillige Verfügungen der Ehegatten, nach dem Tod des erstverstorbenen Ehegatten unwiderruflich eingesetzter Schlusserbe (Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 26.10.2011 – IV ZR 72/11 –),

nachdem ihm die Erbschaft angefallen ist,

  • von dem vom Erblasser Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern,

wenn der Erblasser

  • in der Absicht den Vertrags- bzw. Schlusserben zu beeinträchtigen
  • eine Schenkung im Sinne von § 516 BGB gemacht hat,

wobei unterschieden werden muss, zwischen

  • dem Vorliegen einer (gemischten) Schenkung einerseits und
  • der Absicht des Erblassers, den Vertrags- bzw. Schlusserben zu beeinträchtigen, andererseits.

Bei der Frage, ob eine (gemischte) Schenkung im Sinne der §§ 2287 Abs. 1, 516 BGB vorliegt, ist,

  • wenn ein Grundstück schenkweise zugewendet worden ist,

zu berücksichtigen,

  • dass dingliche Belastungen den Verkehrswert eines Grundstücks mindern

und diese daher bei der Berechnung des Verkehrswerts (zur Zeit der Zuwendung unter Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes) in Abzug zu bringen sind (BGH, Urteil vom 11.04.2000 – X ZR 246/98 –).
Auf die Wertungen des § 2325 BGB kommt es hier nicht an, da sich die dortigen Fragen (Niederstwertprinzip des § 2325 Abs. 2 BGB, Zehnjahresfrist des § 2325 Abs. 3 Satz 2 BGB) bei § 2287 BGB nicht stellen.

  • Hat sich der Erblasser an dem gesamten schenkweise zugewendeten Grundstück beispielsweise ein lebenslanges Nießbrauchsrecht vorbehalten, ist der vorbehaltene Nießbrauch bereits bei der Prüfung, ob eine (gemischte) Schenkung vorliegt, zu berücksichtigen sowie mit dem kapitalisierten Wert der hieraus zu ziehenden Nutzungen anzusetzen (BGH, Urteil vom 17.01.1996 – IV ZR 214/94 –) und bei der Berechnung des Verkehrswertes in Abzug zu bringen.
  • Hat sich beispielsweise der Beschenkte im Grundstücksüberlassungsvertrag verpflichtet den Erblasser „Zeit seines Lebens in gesunden und kranken Tagen, jedoch nur bei Bedarf, in seiner Wohnung vollständig und unentgeltlich zu pflegen und zu betreuen bzw. ihn kostenlos pflegen und betreuen zu lassen“, ist bei der Berechnung des Verkehrswertes des Grundstücks zu berücksichtigen, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung des Wertes der vertraglich versprochenen Pflegeleistungen der Vertragsabschluss ist (BGH, Urteil vom 11.04.2000 – X ZR 246/98 –; Oberlandesgericht (OLG) Celle Beschluss vom 08.07.2008 – 6 W 59/08 –),
    • also nicht maßgebend für die Bewertung die spätere tatsächliche Entwicklung der Umstände ist, insbesondere eine eingetretene Pflegebedürftigkeit des Erblassers,
    • sondern die Prognoseentscheidung der Parteien anhand einer subjektiven Bewertung im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses.
  • Hat der Erblasser sich in dem Überlassungsvertrag beispielsweise ein vertragliches, unter bestimmten Voraussetzungen ausübbares Rücktrittsrecht vorbehalten, ist zu bewerten, ob und inwieweit das dem Erblasser vorbehaltene Rücktrittsrecht vom Vertrag als wirtschaftlicher Nachteil wertmindernd bei der Verkehrswertberechnung des Grundstücks in Rechnung zu stellen ist.

Dafür,

  • dass der Erblasser in der Absicht gehandelt hat, den Vertrags- bzw. Schlusserben zu beeinträchtigen,

ist erforderlich,

  • dass der Erblasser das ihm verbliebene Recht zu lebzeitigen Verfügungen missbraucht hat.

Ein solcher Missbrauch liegt nicht vor, wenn der Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse an der von ihm vorgenommenen Schenkung hatte (BGH, Beschluss vom 26.10.2011 – IV ZR 72/11 –).

  • Ein lebzeitiges Eigeninteresse ist anzunehmen, wenn nach dem Urteil eines objektiven Beobachters die Verfügung in Anbetracht der gegebenen Umstände auch unter Berücksichtigung der erbvertraglichen Bindung als billigenswert und gerechtfertigt erscheint.

Ein derartiges Interesse kommt etwa dann in Betracht,

  • wenn es dem Erblasser im Alter um seine Versorgung und gegebenenfalls auch Pflege geht oder
  • wenn der Erblasser in der Erfüllung einer sittlichen Verpflichtung handelt, er etwa mit dem Geschenk einer Person, die ihm in besonderem Maße geholfen hat, seinen Dank abstatten will.

Beweispflichtig für die Schenkung ohne rechtfertigendes lebzeitiges Eigeninteresse ist der Vertrags- bzw. Schlusserbe (BGH, Urteil vom 23.09.1981 – Iva ZR 185/80 –), der nachweisen muss, dass

  • entweder ein lebzeitiges Eigeninteresse überhaupt nicht bestand oder
  • die vorgebrachten Gründe den Erblasser in Wahrheit nicht zu der benachteiligenden Schenkung bewogen haben (BGH, Urteil vom 23.09.1981 – IVa ZR 185/80 –).

Ein lebzeitiges Eigeninteresse muss allerdings nicht zwingend für den gesamten Schenkungsgegenstand angenommen werden,

  • sondern kann auch lediglich einen Teil der Schenkung rechtfertigen und insoweit einen Missbrauch der lebzeitigen Verfügungsmacht ausschließen (BGH, Beschluss vom 26.10.2011 – IV ZR 72/11 –),
  • wobei dann die Grundsätze der gemischten Schenkung entsprechend anzuwenden sind,
    • jedoch keine rein rechnerische Gegenüberstellung des Wertes der erbrachten Leistungen mit dem Grundstückswert vorzunehmen ist,
    • sondern auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Leistungen in Zukunft erfolgen sollen und der Erblasser sich ihm erbrachte oder zu erbringende Leistungen „etwas kosten lassen darf“, eine umfassende Gesamtabwägung zu erfolgen hat.

Darauf hat der IV. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 28.09.2016 – IV ZR 513/15 – hingewiesen.

Was Erben und Pflichtteilsberechtigte wissen sollten wenn der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht hatte

Gemäß § 2325 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann der Pflichtteilsberechtigte, wenn der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht hat,

  • als Ergänzung des Pflichtteils den Betrag verlangen,
  • um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird.

Nach § 2325 Abs. 3 Satz 1 BGB wird die Schenkung innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall in vollem Umfang, innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall um jeweils ein Zehntel weniger berücksichtigt,

  • so dass kein Pflichtteilsergänzungsanspruch wegen einer Schenkung mehr besteht,
  • wenn die Zehnjahresfrist des § 2325 Abs. 3 Satz 2 BGB im Zeitpunkt des Erbfalls abgelaufen ist.

Für den Beginn der Zehnjahresfrist ist abzustellen,

  • auf den Eintritt des Leistungserfolges,
  • bei Grundstücken also auf die Umschreibung im Grundbuch.

Allerdings liegt eine Leistung im Sinne erst dann vor,

  • wenn der Erblasser nicht nur seine Rechtsstellung als Eigentümer endgültig aufgibt,
  • sondern auch darauf verzichtet, den verschenkten Gegenstand – sei es aufgrund vorbehaltener dinglicher Rechte oder durch Vereinbarung schuldrechtlicher Ansprüche – im Wesentlichen weiterhin zu nutzen.

Nicht als geleistet gilt eine Schenkung, wenn

  • der Eigentümer zwar seine Rechtsstellung formal aufgibt, wirtschaftlich aber weiterhin im „Genuss“ des verschenkten Gegenstandes bleibt,
  • der Erblasser den „Genuss“ des verschenkten Gegenstandes nach der Schenkung also nicht auch tatsächlich entbehren muss.

Wird bei einer Schenkung daher der Nießbrauch uneingeschränkt vorbehalten, ist der „Genuss“ des verschenkten Gegenstandes nicht aufgegeben worden.

Ob auch dann, wenn sich der Erblasser bei der Schenkung eines Grundstücks ein Wohnungsrecht an diesem oder Teilen daran vorbehält, wie ein Nießbrauch den Fristbeginn des § 2325 Abs. 3 BGB hindert, lässt sich nicht abstrakt beantworten. Maßgebend hierfür, ob dies der Fall ist oder nicht, sind die Umstände des Einzelfalles, anhand derer beurteilt werden muss, ob der Erblasser den verschenkten Gegenstand auch nach Vertragsschluss noch im Wesentlichen weiterhin nutzen konnte.

Darauf hat der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 29.06.2016 – IV ZR 474/15 – hingewiesen.