Wird ein auf der Straße liegender Stein von den Rädern eines Kraftfahrzeugs aufgewirbelt und auf das nachfolgende Fahrzeug geschleudert, kann,
- weil der Schaden „beim Betrieb“ eines Kraftfahrzeugs entstanden ist,
- einem dadurch Geschädigten
ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 7 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) gegen den Halter des schadensverursachenden Kraftfahrzeugs und dessen Haftpflichtversicherer zustehen.
Deren Haftung ist in einem solchen Fall nicht nach § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen, weil unter „höhere Gewalt“ i. S. dieser Vorschrift
- nur ein betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis fällt, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar ist, mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch die äußerste nach der Sachlage vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit in Kauf zu nehmen ist.
Allerdings kann die Haftung des Halters des schadensverursachenden Kraftfahrzeugs und damit auch die Haftung von dessen Haftpflichtversicherung
- nach § 17 Abs. 3 StVG ausgeschlossen sein,
- wenn der Schadensfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wurde.
Als unabwendbar gilt ein Ereignis dann, wenn
- sowohl der Halter
- als auch der Führer des Fahrzeugs
jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat, wobei ein unabwendbares Ereignis
- nicht nur vorliegt bei absoluter Unvermeidbarkeit des Unfalls,
- sondern auch dann, wenn dieser bei Anwendung der äußersten möglichen Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte, wozu
- ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt im Sinne von § 276 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hinaus gehört,
- so dass der Fahrer, der mit Erfolg die Unabwendbarkeit des Unfalls geltend machen will, sich wie ein „Idealfahrer“ verhalten haben muss.
Damit verlangt § 17 Abs. 3 S. 1, 2 StVG, dass der „Idealfahrer“ in seiner Fahrweise auch die Erkenntnisse berücksichtigt, die nach allgemeiner Erfahrung geeignet sind, Gefahrensituationen nach Möglichkeit zu vermeiden.
- Darlegungs- und Beweisbelastet für die Unabwendbarkeit im Rahmen des § 17 Abs. 3 StVG ist immer derjenige, der sich auf sie beruft.
War eine Gefährdung Dritter durch einen hochgeschleuderten Stein nicht voraussehbar, weil beispielsweise
- sich der Vorfall auf einer gut ausgebauten, mit Asphalt versehenen Straße gehandelt hat und
- kein Anhaltspunkt für das Herumliegen loser Steine bestanden hat,
kann ein unabwendbares Ereignis vorliegen.
Um kein unabwendbares Ereignis kann es sich dagegen dann handeln, wenn
- mit dem Vorhandensein lose herumliegender Steine zu rechnen war, wie beispielsweise in einem Baustellenbereich,
weil ein Kraftfahrer einer durch seine Fahrweise bedingten möglichen Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer durch wesentliche Herabsetzung der Geschwindigkeit Rechnung tragen muss.
Allerdings muss auch im Bereich einer Baustelle nicht immer zwingend mit Verschmutzungen der Fahrbahn gerechnet werden bzw. kann es gleichwohl sein, dass es dort keine Anhaltspunkte für Steine auf der Fahrbahn gegeben hat.
Darauf hat das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth mit Urteil vom 30.03.2017 – 2 S 2191/16 – hingewiesen.