Tag Regelfahrverbot

Autofahrer sollten wissen, wann das Gericht von einem bußgeldrechtlich verwirkten Regelfahrverbot absehen kann

Sieht die Bußgeldkatalogverordnung (BKatV) wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers in der Regel ein Fahrverbot vor,

  • beispielsweise im Fall der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit mit einem PKW (ohne Anhänger)
    • innerorts um mehr als 30 km/h oder
    • außerorts um mehr als 40 km/h,

und hat die Bußgeldstelle im Bußgeldbescheid in einem solchen Fall, neben einer Geldbuße, gemäß §§ 24, 25 Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG), § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BKatV i.V.m. lfd. Nr. 11.3. ff Tab. 1 BKatV ein Fahrverbot festgesetzt, kann

  • nach Einspruchseinlegung gegen den Bußgeldbescheid

das Amtsgericht von der Anordnung des an sich verwirkten Regelfahrverbots,

  • gegebenenfalls gegen angemessene Erhöhung des als Regelsatz vorgesehehen Bußgeldes (vgl. § 4 Abs. 4 BKatV),

ausnahmsweise u.a. dann absehen, wenn

  • die Ordnungswidrigkeit, also beispielsweise die Geschwindigkeitsüberschreitung, auf ein Augenblicksversagen zurückzuführen ist

oder

  • ein vermeidbarer (Verbots)Irrtum i.S.v. § 11 Abs. 2 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) über den Bedeutungsgehalt verkehrsrechtlicher Anordnungen seine Ursache in einem Augenblicksversagen hat

oder

  • bei einer Vollstreckung des Fahrverbots der Verlust des Arbeitsplatzes droht oder die wirtschaftliche Existenz des Betroffenen bedroht wäre und diese Folge von dem Betroffenen auch durch entsprechende und ihm zumutbare Maßnahmen nicht abgewendet werden kann, wie etwa
    • zumindest teilweise Überbrückung durch Urlaub, Inanspruchnahme von öffentlichen Verkehrsmitteln, Taxis, Fahrdienste von Angehörigen oder notfalls vorübergehender Einstellung eines Fahrer für die Dauer des Fahrverbots.

Ein Augenblicksversagen kann angenommen werden im Falle einer momentanen Unaufmerksamkeit bzw. eines kurzzeitiges Fehlverhaltens, wie es auch dem sorgfältigen und pflichtbewussten Kraftfahrer unterlaufen kann.

  • Es ist dadurch gekennzeichnet, dass der Handelnde für eine kurze Zeit die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt,
  • kommt also von vornherein nur bei einfacher Fahrlässigkeit in Betracht und
  • scheidet deshalb aus, wenn ein Betroffener vorsätzlich gehandelt hat.

Ein solches Augenblicksversagen kann vorgelegen haben, wenn ein Betroffener

Wenn wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung ein Regelfahrverbot droht

….. wird von einem bußgeldrechtlich verwirkten Fahrverbot abgesehen, wenn der Betroffene irrtümlich der Meinung war, die angeordnete Geschwindigkeitsbegrenzung beziehe sich nicht auf ihn?

Wird von einem Kfz-Führer eine Geschwindigkeitsüberschreitung begangen, weil er

  • das Verkehrszeichen über die zulässige Höchstgeschwindigkeit (Zeichen 274) zwar optisch wahrgenommen hatte,
  • aber beispielsweise wegen eines darunter befindlichen Überholverbotszeichens (Zeichen 277) sowie hierzu angebrachter Zusatzschilder

irrtümlicher Weise der Meinung war, die angeordnete Geschwindigkeitsbegrenzung beziehe sich nicht auf ihn, ist er

  • einem vermeidbaren Verbotsirrtum i.S.v. § 11 Abs. 2 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) unterlegen,

da er sich über den Bedeutungsgehalt verkehrsrechtlicher Anordnungen geirrt und ihm deshalb die Einsicht gefehlt hat, Unerlaubtes zu tun.

Ein solcher vermeidbarer Verbotsirrtum kann Anlass geben, von einem an sich verwirkten Regelfahrverbot Abstand zu nehmen.

Dies gilt allerdings nicht bei jedem vermeidbaren Verbotsirrtum gleichsam zwangsläufig, sondern ist beschränkt auf solche (Verbots)Irrtümer,

  • die ihre Ursache in einem Augenblicksversagen haben,
  • die also als lediglich spontane Fehleinschätzung angesehen werden können, wie sie auch dem sorgfältigen und pflichtbewussten Kraftfahrer unterlaufen kann.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg mit Beschluss vom 27.01.2017 – 3 Ss OWi 50/17 – hingewiesen.

Betroffene sollten wissen, wann ein im Bußgeldbescheid festgesetztes Regelfahrverbot wegfallen kann

Ist in einem Fall,

  • in dem gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) oder gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV bei begangenen Ordnungswidrigkeiten nach § 24 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) die Anordnung eines Fahrverbots (§ 25 Abs. 1 S. 1 StVG) in der Regel in Betracht kommt,
  • von der Bußgeldbehörde im Bußgeldbescheid ein Fahrverbot festgesetzt und
  • gegen den Bußgeldbescheid vom Betroffenen Einspruch eingelegt worden,

darf der Bußgeldrichter, falls er den Betroffenen wegen der entsprechenden Ordnungswidrigkeit verurteilt, das Fahrverbot nur dann wegfallen lassen,

  • wenn entweder die Würdigung der Tat und der Persönlichkeit des Betroffenen ergibt, dass bestimmte besondere Umstände vorliegen nach denen es ausnahmsweise der Warn- und Denkzettelfunktion eines Fahrverbots bei dem Betroffenen nicht bedarf, wie beispielsweise bei einem sog. „Augenblicksversagen“, wie es auch dem sorgfältigen und pflichtbewussten Kraftfahrer unterlaufen kann oder
  • wenn die Anordnung eines Fahrverbots eine für den Betroffenen – durch andere Maßnahmen nicht kompensierbare – Härte ganz außergewöhnlicher Art bedeuten würde und demzufolge unverhältnismäßig wäre.

Eine Härte ganz außergewöhnlicher Art kann beispielsweise vorliegen,

  • oder wenn ein Betroffener krankheitsbedingt auf die Kfz-Nutzung angewiesen ist.

Beruft sich ein Betroffener auf das Vorliegen einer solchen Härte ganz außergewöhnlicher Art, muss er entsprechende Tatsachen dafür vortragen und Beweismittel hierfür anbieten (OLG Bamberg, Beschluss vom 29.10.2012 – 3 Ss OWi 1374/12 – und Beschluss vom 17.01.2017 – 3 Ss OWi 1620/16 – zum Absehen vom Fahrverbot wegen krankheitsbedingter Angewiesenheit auf Kfz-Nutzung).