Dazu, ob bzw. wann es sich um ein als Arbeitsunfall anzuerkennendes Ereignis handeln kann, wenn beispielsweise der Schwiegervater in seiner Freizeit seinem Schwiegersohn beim Neubau einer Garage gemeinsam mit anderen Helferdienste leistet und bei der Ausführung der Arbeiten verunfallt, hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 14.6.2016 – L 9 U 842/16 – ausgeführt, dass
- nach § 2 Abs. 1 Ziffer 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) „Beschäftigte“ sowie
- nach § 2 Abs. 2 SGB VII solche Personen, die „wie Beschäftigte“ tätig werden,
kraft Gesetzes unfallversichert sind wenn sie einen Arbeitsunfall erleiden.
Ein Arbeitsunfall liegt nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII vor,
- bei einem Unfall eines Versicherten
- infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).
Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).
Für einen Arbeitsunfall ist danach im Regelfall erforderlich, dass
- die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang),
- diese Verrichtung wesentlich ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) verursacht hat (Unfallkausalität) und
- das Unfallereignis wesentlich einen Gesundheitserstschaden des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteile vom 29.11.2011 – B 2 U 10/11 R -; vom 18.01.2011 – B 2 U 9/10 R – und vom 18.11.2008 – B 2 U 27/07 R -).
Ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII liegt vor, wenn
- der Versicherte zu dem Arbeitgeber in einem persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnis gestanden hat (BSG, Urteil vom 24.03.1998 – B 2 U 21/97 R -).
Kennzeichnend hierfür sind
- die Eingliederung in das Unternehmen des Arbeitgebers,
- das damit verbundene Weisungs- und Direktionsrecht des Unternehmers,
- dessen Anordnungsrechte bezüglich Arbeit, Zeit und Ort der Arbeitsausübung,
- Vereinbarungen bezüglich Vergütung, Kündigungsfristen und Urlaub.
Fehlte es an diesen Kriterien liegt ein Beschäftigungsverhältnis nicht vor.
Wie ein Beschäftigter im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 SGB VII wird tätig (sog. Wie-Beschäftigung), wer eine Verrichtung ausübt, die einer Ausübung einer Beschäftigung vergleichbar ist (BSG, Urteil vom 15.06.2010 – B 2 U 12/09 R -).
§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII erfasst tatbestandlich Tätigkeiten,
- die ihrer Art nach zwar nicht sämtliche Merkmale der Ausübung einer Beschäftigung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII aufweisen,
- in ihrer Grundstruktur aber einer solchen ähneln.
Es muss eine
- ernstliche, einem fremden Unternehmen dienende,
- dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers (vgl. § 136 Abs. 3 SGB VII) entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert verrichtet werden,
- die ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte und regelmäßig verrichtet wird,
- die in einem fremden Unternehmen dafür eingestellt sind (vgl. BSG, Urteile vom 27.03.2010 – B 2 U 5/11 R -; vom 15.06.2010 – B 2 U 12/09 R – und vom 13.09.2005 – B 2 U 6/05 R -).
Dabei reicht es nicht aus,
- dass eine Tätigkeit einem fremden Unternehmen objektiv nützlich und ihrer Art nach sonst üblicherweise dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugänglich ist.
Vielmehr kommt es auf die objektiv arbeitnehmerähnliche Handlungstendenz an, die vom bloßen Motiv für das Tätigwerden zu unterscheiden ist (vgl. BSG, Urteile vom 05.07.2005 – B 2 U 22/04 R – und vom 26.06.2007 – B 2 U 35/06 R -).
- Verfolgt eine Person mit einem Verhalten, das ansonsten einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnelt, in Wirklichkeit wesentlich allein eigene Angelegenheiten, ist sie nicht mit fremdwirtschaftlicher Zweckbestimmung und somit nicht wie im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, sondern wie ein Unternehmer eigenwirtschaftlich tätig und steht daher auch nicht nach § 2 Abs. 2 SGB VII wie ein Beschäftigter unter Versicherungsschutz (vgl. BSG, Urteile vom 05.07.2005 – B 2 U 22/04 R – und vom 26.06.2007 – B 2 U 35/06 R -).
Auch kann eine der Ausübung einer Beschäftigung ähnliche Tätigkeit unter Umständen zu verneinen sein, wenn die Verrichtung wegen und im Rahmen einer Sonderbeziehung zum Unternehmer erfolgt.
- Eine „Sonderbeziehung“ liegt vor bei Verwandtschaft oder bei einer Gefälligkeit für Bekannte bzw. Freunde.
Jedoch sind auch dann, wenn eine solche „Sonderbeziehung“ besteht, alle Umstände des Einzelfalls zu würdigen.
Dabei kann sich ergeben, dass die konkrete Verrichtung
- außerhalb dessen liegt, was für enge Verwandte, Freunde oder Bekannte getan wird oder
- nicht wegen der Sonderbeziehung vorgenommen wird.
Dann kann sie den Tatbestand der „Wie-Beschäftigung“ erfüllen (BSG, Urteil vom 27.03.2012 – B 2 U 5/11 R -).
Je enger jedoch der Verwandtschaftsgrad ist, desto eher wird die Tätigkeit allein aufgrund des Verwandtschaftsverhältnisses durchgeführt (BSG, Urteile vom 26.10.1978 – 8 RU 14/78 – und vom 18.11.1997 – 2 BU 52/97 -).
- Insbesondere kann die Beziehung der Eltern zu ihren Kindern bzw. umgekehrt als engstes verwandtschaftliches Gemeinschaftsverhältnis selbst bei einem erheblichen Umfang der Tätigkeit der Leistung das Gepräge geben, sodass kein Versicherungsschutz besteht (BSG, Urteil vom 25.10.1989 – 2 RU 4/89 -).
Dies gilt namentlich bei der unentgeltlichen Mitarbeit von nahen Familienangehörigen, die in häuslicher Gemeinschaft leben (BSG, Urteil vom 20.04.1993 – 2 RU 38/92 -).