Tag überraschend

Was Eigentümer von Oldtimern, die eine spezielle Oldtimer-Versicherung abgeschlossen haben, wissen sollten

Hat der Eigentümer eines Oldtimers eine spezielle Oldtimer-Versicherung, u.a. gegen Diebstahl abgeschlossen, ist eine im Versicherungsvertrag enthaltene vorformulierte Vertragsbedingung,

  • nach der der Oldtimer im Fall eines Diebstahls Eigentum des Versicherers wird, wenn er nicht binnen eines Monats wieder zur Stelle gebracht wird,

unwirksam,

  • weil eine solche Klausel den Vertragsnehmer unangemessen im Sinne des § 307 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) benachteiligt.

Abgesehen davon ist eine solche Klausel

  • aber auch überraschend und
  • deshalb nach § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil geworden.

Das hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe mit Urteil vom 01.09.2016 – 12 U 90/16 – entschieden.

Begründet hat der Senat das u.a. damit, dass die Situation bei einer speziellen Oldtimer-Versicherung sich grundlegend unterscheidet von der bei der allgemeinen Kfz-Kaskoversicherung, bei der eine Übereignungsklausel üblich ist und dort auch keinen Bedenken begegnet.

Denn bei der speziellen Oldtimer-Versicherung besteht die Besonderheit,

  • dass Oldtimer durch Zeitablauf typischerweise nicht an Wert verlieren, wie das bei normalen Fahrzeugen der Fall ist,
  • sondern im Gegenteil eher eine Wertsteigerung erfahren.

So sind viele Oldtimer in den vergangenen Jahren stark im Wert gestiegen und zwar durchschnittlich um fast 10% innerhalb eines Jahres.

  • Damit würde ein Eigentumsübergang im Fall eines verzögerten Wiederauffindens regelmäßig zu einer erheblichen wirtschaftlichen Bevorteilung der Versicherung zulasten des Versicherungsnehmers führen.

Eine derartige Verschiebung des Wertzuwachses auf den Versicherer, für den kein rechtfertigender Grund ersichtlich ist, benachteiligt den Versicherungsnehmer unangemessen.

  • Zudem steht bei Oldtimern weniger der reine Gebrauchswert als vielmehr ein besonderer Bezug des Eigentümers zu dem versicherten Gegenstand, etwa einem bestimmten Modell, im Vordergrund.

Gerade bei seltenen Modellen ist eine entsprechende Ersatzbeschaffung nicht ohne weiteres möglich.
Der Versicherungsnehmer wird daher – anders als bei gewöhnlichen Kraftfahrzeugen – regelmäßig ein besonderes Interesse haben, auch dann Eigentümer des Oldtimers zu bleiben, wenn dieser erst lange Zeit nach dem Diebstahl wieder aufgefunden wird und es wird ihm regelmäßig nicht, wie bei der „normalen“ Kfz-Kaskoversicherung darauf ankommen, möglichst schnell ein Ersatzfahrzeug zu beschaffen, um die eigene Mobilität wiederherzustellen.
Da der durchschnittliche Versicherungsnehmer aufgrund dessen mit einem kurzfristigen und endgültigen Eigentumsübergang auf den Versicherer nicht rechnen wird und muss, ist die entsprechende Klausel somit in der Oldtimer-Versicherung überraschend.

Wann sind formularmäßige Vertragsklauseln überraschend und werden folglich nicht Vertragsbestandteil?

Eine Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) hat einen überraschenden Inhalt i.S.v. § 305c Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wenn

  • sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und
  • dieser mit ihr den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 28.05.2014 – VIII ZR 241/13 –; vom 01.10.2014 – VII ZR 344/13 –; vom 09.12.2009 – XII ZR 109/08 –; vom 11.12.2003 – III ZR 118/03 – und vom 26.07.2012 – VII ZR 262/11 –).

Das Wesensmerkmal überraschender Klauseln liegt in dem ihnen innewohnenden Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt (BGH, Urteile vom 30.09.2009 – IV ZR 47/09 – und vom 18.02.2009 – IV ZR 11/07 –).

  • Generell kommt es dabei nicht auf den Kenntnisstand des einzelnen Vertragspartners, sondern auf die Erkenntnismöglichkeiten des für derartige Verträge in Betracht kommenden Personenkreises an.
  • Beurteilungsmaßstab sind also die Kenntnisse und Erfahrungen des typischerweise an Rechtsgeschäften dieser Art beteiligten Personenkreises.

Darauf hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 21.06.2016 – VI ZR 475/15 – hingewiesen und aufgrund dessen eine formularmäßig in einem Vertrag über die Erstellung eines Schadensgutachtens nach einem Verkehrsunfall vereinbarte Abtretungsklausel,

  • wonach der Geschädigte zur Sicherung des Sachverständigenhonorars von seinen Schadensersatzansprüchen aus einem Verkehrsunfall gegen den Fahrer, den Halter und den Haftpflichtversicherer die Ansprüche auf Ersatz der Position Sachverständigenkosten sowie weiter die auf Ersatz von Wertminderung, Nutzungsausfall, Nebenkosten und Reparaturkosten in dieser Reihenfolge und in Höhe des Honoraranspruchs zuzüglich im Vertrag definierter Fremdkosten und Mehrwertsteuer erfüllungshalber an den Sachverständigen abgetreten hatte,
  • wobei der Anspruch auf Ersatz einer nachfolgenden Position nur abgetreten sein sollte, wenn der Anspruch auf Ersatz der zuvor genannten Position nicht ausreicht, um den gesamten Honoraranspruch des Sachverständigen zu decken,

im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB als überraschend und demzufolge auch als nicht Vertragsbestandteil geworden erachtet.

Begründet hat der Senat dies damit, dass

  • auf eine formularmäßige Klausel zur Abtretung von Schadensersatzforderungen eines Geschädigen an den Sachverständigen die Regelungen zur Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen in §§ 305 ff. BGB anwendbar sind, weil sich der Geltungsanspruch des Gesetzes auch auf vorformulierte Verträge mit Verfügungscharakter erstreckt und
  • eine so weitgehende Sicherung des Sachverständigenhonorars deutlich von den Erwartungen des Vertragspartners abweicht und von dem rechtlich nicht vorgebildete durchschnittlichen Auftraggeber bei der Beauftragung des Schadensgutachtens auch nicht in Betracht gezogen zu werden braucht.