Tag Vertragshändler

LG Krefeld entscheidet: Vertragshändler muss verkaufte Fahrzeuge mit manipulierter Abgassoftware zurücknehmen

Weil in ihren jeweils bei einem Vertragshändler erworbenen zwei PKWs

  • vom Hersteller eine manipulierten Abgassoftware verbaut war, durch die die Stickoxidwerte im Prüfstandlauf in gesetzlich unzulässiger Weise optimiert wurden und
  • die beiden Käufer deswegen, zu einem Zeitpunkt, als noch nicht klar war, ob die zur Behebung dieses Mangels vom Hersteller vorgesehene geänderte Software vom Kraftfahrt-Bundesamt genehmigt werden wird und wann eine Nachrüstung der Fahrzeuge erfolgt, den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt hatten,

hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Krefeld mit Urteilen vom 14.09.2016 – 2 O 72/16 und 2 O 83/16 – den Rücktritt der Käufer vom Kaufvertrag für berechtigt erklärt und entschieden, dass

  • der Vertragshändler die Fahrzeuge zurücknehmen und im Gegenzug den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer an die jeweiligen Käufer zurückzahlen muss.

Begründet hat die Kammer die Berechtigung der Käufer zum Rücktritt vom Kaufvertrag u.a. damit, dass zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung der beiden Käufer, auf den es insoweit entscheidend ankomme, es den Käufern im Hinblick darauf, dass unklar war, ob und ggf. wann eine Behebung des Mangels erfolgen kann, nicht zuzumuten gewesen sei, dem Vertragshändler die in solchen Fällen im Gesetz grundsätzlich vorgeschriebene Möglichkeit einer Nacherfüllung einzuräumen.

Abgesehen davon sei, so die Kammer weiter, jedenfalls zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung auch der Verdacht der Käufer berechtigt gewesen, dass, wegen des bekanntermaßen bestehenden Zielkonflikts zwischen günstigen Stickoxidwerten und günstigen Kohlendioxidwerten, eine Verbesserung der Stickoxidwerte nur unter Inkaufnahme anderer Mängel bzw. Nachteile möglich sein werde.

Letztlich sei für die Käufer eine Nachbesserung durch den Vertragshändler aber auch deshalb unzumutbar, weil sie es nicht hinnehmen müssten, dass faktisch der Hersteller, der die arglistige Täuschung begangen habe, als Erfüllungsgehilfe des Verkäufers den Mangel beseitige. Denn auch wenn der Vertragshändler die Software aufspiele, werde die wesentliche Arbeit zur Nachbesserung vom Hersteller geleistet, der die neue Software zur Motorsteuerung entwickle.

Eine Minderung des Kaufpreises als Alternative zum Rücktritt scheide aus, weil die betroffenen Fahrzeuge ohne eine Nachrüstung von den Zulassungsämtern stillgelegt würden und demzufolge sei der Mangel der Fahrzeuge trotz möglicherweise nur geringer Nachbesserungskosten auch nicht als unerheblich anzusehen (Quelle: Pressemitteilung des LG Krefeld vom 14.09.2016).

Was vom Dieselgate betroffene Autobesitzer wissen sollten

Dieselfahrzeuge in die der Hersteller eine manipulierte Abgassoftware verbaut hat, die Stickoxidwerte im Prüfstandlauf in gesetzlich unzulässiger Weise optimieren, sind im Sinne des § 434 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) mangelbehaftet.

Wer ein solches Fahrzeug gekauft hat, kann

  • vom Käufer gemäß § 439 Abs. 1 BGB Nacherfüllung verlangen und
  • wenn die Nacherfüllungsphase erfolglos verlaufen ist, d.h.,
    • dem Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 1 BGB gesetzt,
    • ihm das Fahrzeug am Erfüllungsort der Nacherfüllung zur Nacherfüllung zur Verfügung gestellt worden ist (Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 10.03.2010 – VIII ZR 310/08 – und vom 19.12.2012 – VIII ZR 96/12 –; Hanseatisches Oberlandesgericht (OLG) Bremen, Urteil vom 27.03.2015 – 2 U 12/15 –; Landgericht (LG) Heidelberg, Urteil vom 05.02.2015 – 2 O 75/14 –) und
    • sich eine Nachbesserung als objektiv unmöglich erwiesen hat, weil der Mangel als solcher einschließlich seiner Ursache (mittels eines Software-Updates) nur unter Zurückbleiben einer technischen und/oder merkantilen Wertminderung beseitigt werden konnte,
  • entweder nach §§ 437 Nr. 2, 440, 323, 346 Abs. 1 BGB gegenüber dem Verkäufer den Rücktritt vom Kaufvertrag erklären und vom Verkäufer die Rückzahlung des Kaufpreises, abzüglich des Nutzungswertersatzes für jeden gefahrenen Kilometer, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs verlangen (vgl. hierzu Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 09.12.2014 – VIII ZR 196/14 – und Urteil vom 09.04.2014 – VIII ZR 215/13 –) oder
  • wenn er das Fahrzeug behalten will, nach §§ 437 Nr. 2, 441 BGB gegenüber dem Verkäufer die Minderung des Kaufpreises erklären und vom Verkäufer einen Teil des bezahlten Kaupreises, nämlich den Minderwert zurückfordern.

Will ein Käufer ohne vorheriges Nacherfüllungsverlangen, also ohne die Nacherfüllungsphase zu durchlaufen, sofort vom Kaufvertrag zurücktreten oder den Kaufpreis mindern, muss er folglich in einem Rechtsstreit darlegen und beweisen können,

  • dass eine Behebung des Mangels ohne das Auftreten von Folgeproblemen nicht möglich ist und/oder es trotz angedachter bzw. angebotener Nachbesserungsmaßnahmen bei dem Fahrzeug zu einer dauerhaften Wertminderung kommen wird,
  • was grundsätzlich nur mittels eines Sachverständigengutachtens möglich sein wird.

Nicht in Betracht kommt gewöhnlich eine Anfechtung des Kaufvertrages wegen einer möglichen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB und zwar auch dann nicht, wenn das Fahrzeug bei einem Vertragshändler gekauft worden ist, weil auch ein Vertragshändler sich das Wissen des Pkw-Herstellers normalerweise nicht zurechnen lassen muss.

Darauf hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Celle mit Beschluss vom 30.06.2016 – 7 W 26/16 – hingewiesen.

Schadensersatz gemäß § 437 Nr. 3 BGB vom Verkäufer verlangt werden kann nur dann, wenn dem Verkäufer

  • die Manipulation bekannt war oder
  • er diese zumindest für möglich gehalten hat,

weil der Schadensersatzanspruch voraussetzt, dass den Verkäufer ein Verschulden trifft.

Übrigens:
Gewährleistungsansprüchen wegen manipulierter Abgassoftware können nur geltend gemacht werden, wenn die Sachmängelhaftung im Kaufvertrag nicht wirksam ausgeschlossen worden ist.

Abgesehen davon muss bedacht werden, dass,

  • wenn die Gewährleistungsansprüche bereits verjährt sein sollten,

der Käufer diese möglicherweise nicht mehr wird durchsetzen können, weil der Verkäufer,

  • sofern er vor Eintritt der Verjährung nicht hierauf verzichtet hat,
  • dann die Einrede der Verjährung erheben kann.

Gewährleistungsansprüche gegen den Verkäufer verjähren,

  • sofern im Kaufvertrag nicht wirksam etwas anderes vereinbart worden ist (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 29.05.2013 – VIII ZR 174/12 –),
  • gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB in zwei Jahren ab Lieferung des Kaufsache.

Nur wenn der Verkäufer dem Käufer den Mangel arglistig verschwiegen hat gilt gemäß §§ 438 Abs. 1 Abs. 3 Satz 1, 195 BGB eine dreijährige Verjährungsfrist.