Welche Anforderungen sind an die Art und Weise der dem Käufer nach § 377 Handelsgesetzbuch (HGB) obliegenden Untersuchung der Ware zu stellen?
Gemäß § 377 Abs. 1 HGB,
- der Anwendung findet, wenn es sich bei dem Vertragsverhältnis zwischen den Parteien um ein beiderseitiges Handelsgeschäft handelt (§§ 343, 344 HGB) und
- der auch für einen Werklieferungsvertrag gilt (§ 381 Abs. 2 HGB),
hat der Käufer die Ware
- unverzüglich nach der Ablieferung durch den Verkäufer, soweit dies nach ordnungsmäßigem Geschäftsgang tunlich ist, zu untersuchen und,
- wenn sich ein Mangel zeigt, dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen.
Welche Anforderungen an die Art und Weise der dem Käufer danach obliegenden Untersuchung zu stellen sind, lässt sich nicht allgemein festlegen.
- Es ist vielmehr darauf abzustellen, welche in den Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs fallenden Maßnahmen einem ordentlichen Kaufmann im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung auch der schutzwürdigen Interessen des Verkäufers zur Erhaltung seiner Gewährleistungsrechte zugemutet werden können.
Dabei kommt es auf die objektive Sachlage und auf die allgemeine Verkehrsanschauung an, wie sie sich hinsichtlich eines Betriebs vergleichbarer Art herausgebildet hat. Die Anforderungen an eine Untersuchung sind letztlich durch eine Interessenabwägung zu ermitteln (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 17.09.2002 – X ZR 248/00 –).
- Dabei ist einerseits zu berücksichtigen, dass die Vorschriften über die Mängelrüge in erster Linie den Interessen des Verkäufers oder Werklieferanten dienen.
Er soll, was auch dem allgemeinen Interesse an einer raschen Abwicklung der Geschäfte im Handelsverkehr entspricht, nach Möglichkeit davor geschützt werden, sich längere Zeit nach der Lieferung oder nach der Abnahme der Sache etwaigen, dann nur schwer feststellbaren Gewährleistungsansprüchen ausgesetzt zu sehen.
Ein schutzwürdiges Interesse des Verkäufers an einer alsbaldigen Untersuchung durch den Käufer kann dann besonders groß sein, wenn er bei bestimmungsgemäßer Weiterverarbeitung der Kaufsache zu wertvollen Objekten mit hohen Mangelfolgeschäden rechnen muss und nur der Käufer das Ausmaß der drohenden Schäden übersehen kann.
- Andererseits dürfen im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung zwischen Verkäufer/Werklieferanten und Käufer die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Untersuchung nicht überspannt werden.
Denn ansonsten könnte der Verkäufer, aus dessen Einflussbereich der Mangel kommt, in die Lage versetzt werden, das aus seinen eigenen fehlerhaften Leistungen herrührende Risiko auf dem Wege über die Mängelrüge auf den Käufer abzuwälzen.
Anhaltspunkte für die Grenzen der Zumutbarkeit bilden vor allem,
- der für eine Überprüfung erforderliche Kosten- und Zeitaufwand,
- die dem Käufer zur Verfügung stehenden technischen Prüfungsmöglichkeiten,
- das Erfordernis eigener technischer Kenntnisse für die Durchführung der Untersuchung beziehungsweise
- die Notwendigkeit, die Prüfung von Dritten vornehmen zu lassen.
Ob im Einzelfall verschärfte Untersuchungsanforderungen zum Tragen kommen, hängt ab,
- von der Natur der Ware,
- von den Branchengepflogenheiten sowie
- von dem Gewicht der zu erwartenden Mangelfolgen und
- von etwaigen Auffälligkeiten der gelieferten Ware oder
- früheren, nach wie vor als Verdacht fortwirkenden Mangelfällen (vgl. BGH, Urteil vom 17.09.2002 – X ZR 248/00 –).
Dem Käufer aus früheren Lieferungen bekannte Schwachstellen der Ware müssen eher geprüft werden als das Vorliegen von Eigenschaften, die bislang nie gefehlt haben (BGH, Urteil vom 17.09.2002 – X ZR 248/00 –).
Darauf hat der VIII. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 24.02.2016 – VIII ZR 38/15 – hingewiesen.