Tag § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB

OLG Karlsruhe entscheidet: Kein Kündigungsrecht der Bausparkasse 10 Jahre nach Eintritt der Zuteilungsreife

Der für Bankrecht zuständige 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe hat mit Urteil vom 08.11.2016 – 17 U 185/15 – entschieden, dass Bausparkassen einen festverzinslichen Bausparvertrag, wenn

  • die Bausparsumme noch nicht vollständig angespart und
  • das Bauspardarlehen vom Bausparer 10 Jahre nach Zuteilungsreife noch nicht abgerufen worden ist,

nicht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kündigen können und zwar auch nicht in entsprechender Anwendung dieser gesetzlichen Vorschrift.

Begründet hat der Senat dies damit,

  • dass die Bausparkasse das Darlehen vollständig erst empfangen habe, wenn die Bausparsumme erreicht sei und nicht bereits wenn der Bausparvertrag zuteilungsreif sei, so dass die Voraussetzungen des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht vorliegen und
  • eine entsprechende Anwendung von § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB im Hinblick auf die Besonderheiten des Bauspargeschäftes abzulehnen sei, weil die Bausparkasse nicht schutzlos sei, nachdem sie ihren Anspruch auf vollständige Besparung des Vertrages bis zum Erreichen der Bausparsumme durchsetzen und wenn der Bausparer dieser Verpflichtung nicht nachkomme, den Bausparvertrag nach den vertraglichen Vereinbarungen kündigen könne (Quelle: Pressemitteilung des OLG Karlsruhe vom 08.11.2016).

Der gleichen Ansicht wie das OLG Karlsruhe sind das OLG Bamberg (Urteil vom 10.08.2016 – 8 U 24/16 –) sowie das OLG Stuttgart (Urteil vom 30.03.2016 – 9 U 171/15 –).
Anderer Ansicht sind das OLG Köln (Urteil vom 15.02.2016 – 13 U 151/15 –), das OLG Celle (Beschlüsse vom 15.02.2016 – 3 U 163/15 – und vom 17.02.2016 – 3 U 208/15 –) sowie das OLG Hamm (Beschluss vom 30.12.2015 – 31 U 191/15 –).

Wie der Bundesgerichtshof (BGH) die strittige Rechtsfrage entscheiden wird bleibt abzuwarten.

OLG Bamberg entscheidet Streit über die Wirksamkeit der Kündigung von Bausparverträgen nach Eintritt der Zuteilungsreife zugunsten der Bausparer

In einem Rechtsstreit zwischen einem Bausparer und der Bausparkasse über den Fortbestand von noch nicht vollständig, d. h. bis zur Bausparsumme angesparten Bausparverträgen und die Wirksamkeit der Kündigungen der Bausparkasse, die diese mehr als zehn Jahre nach Eintritt der Zuteilungsreife, gestützt auf § 489 Abs. 1 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), erklärt hat, hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Bamberg mit Urteil vom 10.08.2016 – 8 U 24/16 –,

  • unter Abänderung des Urteil des Landgerichts (LG) Würzburg vom 04.02.2016 – 63 O 1317/15 –, das die Klage des Bausparers abgewiesen und die Kündigung der Bausparverträge für wirksam erachtet hatte,

entschieden,

  • dass die Kündigungen der Bausparverträge unwirksam waren und
  • die Bausparverträge fortbestehen.

Dass § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB eine ordentliche Kündigung von Bausparverträgen durch die Bausparkasse nicht zu rechtfertigen vermag hat der Senat damit begründet,

  • dass bei einem Bausparvertrag der Eintritt der Zuteilungsreife keinen vollständigen Empfang des Darlehens im Sinne des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB darstellt und
  • eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf den erstmaligen Eintritt der Zuteilungsreife bei Bausparverträgen deswegen nicht in Betracht kommt, weil es die für Bausparverträge charakteristische Interessen- und Pflichtanlage der Vertragsparteien nicht rechtfertigt, den vollständigen Empfang der Darlehensvaluta im Sinne des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB mit dem erstmaligen Eintritt der Zuteilungsreife gleichzustellen.

Der gleichen Ansicht wie das OLG Bamberg ist auch das OLG Stuttgart (Urteil vom 30.03.2016 – 9 U 171/15 –).
Anderer Ansicht sind das OLG Köln (Urteil vom 15.02.2016 – 13 U 151/15 –), das OLG Celle (Beschlüsse vom 15.02.2016 – 3 U 163/15 – und vom 17.02.2016 – 3 U 208/15 –) sowie das OLG Hamm (Beschluss vom 30.12.2015 – 31 U 191/15 –).

Wie der Bundesgerichtshof (BGH) die strittige Rechtsfrage entscheiden wird bleibt abzuwarten.