Tag Allgemeine Geschäftsbedingungen

Banken dürfen nachträglich nicht einseitig Negativzinsen für Geldanlagen ihrer Privatkunden einführen

Das hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Tübingen mit Urteil vom 16.01.2018 – 4 O 187/17 – entschieden.

Danach können Banken

  • bei Altverträgen

nicht durch in einem veröffentlichten Preisaushang enthaltene Allgemeine Geschäftsbedingungen bestimmen, dass

  • künftig für bestimmte Geldanlageformen,
  • abhängig von der Anlagehöhe und der Laufzeit,

ein Negativzins von ihren Kunden zu entrichten ist.

Solche Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Banken verstoßen bei Altverträgen, so die Kammer,

  • weil durch sie nachträglich bei bereits mit Kunden abgeschlossenen Einlagegeschäften einseitig durch die Bank Entgeltpflichten für die Kunden eingeführt werden,
  • die es weder im Darlehensrecht noch beim unregelmäßigen Verwahrungsvertrag gibt,

gegen wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regelung und sind deshalb

  • nach § 307 Absatz 3 Satz 1, Absatz 2 Nr. 1, Absatz 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

unwirksam (Quelle: Pressemitteilung des LG Tübingen vom 26.01.2018).

Was Bausparer wissen sollten, wenn ihr Bausparvertrag die Zahlung einer Darlehensgebühr vorsieht

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat mit Urteil vom 08.11.2016 – XI ZR 552/15 – entschieden, dass

  • eine in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) eines Bausparvertrages enthaltene formularmäßige Klausel,
  • die vorsieht, dass mit Beginn der Darlehensauszahlung eine Darlehensgebühr in Höhe von 2 % des Bauspardarlehens … fällig und dem Bauspardarlehen zugeschlagen wird (Darlehensschuld),

nach § 307 Abs. 3 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) der richterlichen Inhaltskontrolle unterliegt und

  • im Verkehr mit Verbrauchern gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist.

Aufgrund dieser Entscheidung können,

  • wenn von Bausparern eine Gebühr für den Darlehensvertrag erhoben worden ist,

die Bausparer diese Gebühr von der Bausparkasse gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, 1.Alt. BGB zurückverlangen,

  • sofern ihr Anspruch auf Rückzahlung, der der 3-jährigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB unterliegt, noch nicht verjährt ist.

Anders ist es bei der Abschlussgebühr, die Bausparkassen normalerweise verlangen,

  • die gewöhnlich 1% der Bausparsumme beträgt,
  • die mit Abschluss des Bausparvertrages fällig wird und
  • auf die eingehende Zahlungen zunächst angerechnet werden.

AGBs von Bausparkassen, die die Zahlung einer solchen Abschlussgebühr vorsehen sind wirksam (vgl. BGH, Urteil vom 07.12.2010 – XI ZR 3/10 –), so dass eine solche von Bausparern bezahlte Abschlussgebühr auch nicht zurückgefordert werden kann.

Wann sind formularmäßige Vertragsklauseln überraschend und werden folglich nicht Vertragsbestandteil?

Eine Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) hat einen überraschenden Inhalt i.S.v. § 305c Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wenn

  • sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und
  • dieser mit ihr den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 28.05.2014 – VIII ZR 241/13 –; vom 01.10.2014 – VII ZR 344/13 –; vom 09.12.2009 – XII ZR 109/08 –; vom 11.12.2003 – III ZR 118/03 – und vom 26.07.2012 – VII ZR 262/11 –).

Das Wesensmerkmal überraschender Klauseln liegt in dem ihnen innewohnenden Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt (BGH, Urteile vom 30.09.2009 – IV ZR 47/09 – und vom 18.02.2009 – IV ZR 11/07 –).

  • Generell kommt es dabei nicht auf den Kenntnisstand des einzelnen Vertragspartners, sondern auf die Erkenntnismöglichkeiten des für derartige Verträge in Betracht kommenden Personenkreises an.
  • Beurteilungsmaßstab sind also die Kenntnisse und Erfahrungen des typischerweise an Rechtsgeschäften dieser Art beteiligten Personenkreises.

Darauf hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 21.06.2016 – VI ZR 475/15 – hingewiesen und aufgrund dessen eine formularmäßig in einem Vertrag über die Erstellung eines Schadensgutachtens nach einem Verkehrsunfall vereinbarte Abtretungsklausel,

  • wonach der Geschädigte zur Sicherung des Sachverständigenhonorars von seinen Schadensersatzansprüchen aus einem Verkehrsunfall gegen den Fahrer, den Halter und den Haftpflichtversicherer die Ansprüche auf Ersatz der Position Sachverständigenkosten sowie weiter die auf Ersatz von Wertminderung, Nutzungsausfall, Nebenkosten und Reparaturkosten in dieser Reihenfolge und in Höhe des Honoraranspruchs zuzüglich im Vertrag definierter Fremdkosten und Mehrwertsteuer erfüllungshalber an den Sachverständigen abgetreten hatte,
  • wobei der Anspruch auf Ersatz einer nachfolgenden Position nur abgetreten sein sollte, wenn der Anspruch auf Ersatz der zuvor genannten Position nicht ausreicht, um den gesamten Honoraranspruch des Sachverständigen zu decken,

im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB als überraschend und demzufolge auch als nicht Vertragsbestandteil geworden erachtet.

Begründet hat der Senat dies damit, dass

  • auf eine formularmäßige Klausel zur Abtretung von Schadensersatzforderungen eines Geschädigen an den Sachverständigen die Regelungen zur Kontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen in §§ 305 ff. BGB anwendbar sind, weil sich der Geltungsanspruch des Gesetzes auch auf vorformulierte Verträge mit Verfügungscharakter erstreckt und
  • eine so weitgehende Sicherung des Sachverständigenhonorars deutlich von den Erwartungen des Vertragspartners abweicht und von dem rechtlich nicht vorgebildete durchschnittlichen Auftraggeber bei der Beauftragung des Schadensgutachtens auch nicht in Betracht gezogen zu werden braucht.