Tag Aufsicht

Wer haftet, wenn es in einem Freibad beim Springen von Badegästen von einem Sprungturm

…. mit mehreren übereinander liegenden Sprungplattformen zu einem Unfall kommt?

Verfügt ein Freibad über ein Sprungbecken sowie einen

  • Sprungturm mit drei übereinander liegenden Sprungplattformen in 5, 7,5 und 10 m Höhe,
  • bei dem die höher liegenden Sprungplattformen die jeweils darunter liegende Plattform um etwa 0,5 bis 1 m überragen,

verletzten

  • sowohl der Betreiber des Freibades als auch der vor Ort tätige und für die Aufsicht im Bereich des Sprungbeckens zuständige Bademeister

fahrlässig die sie treffende Verkehrssicherungspflicht, wenn

  • der Sprungbetrieb von allen drei Sprungebenen gleichzeitig freigegeben wird und
  • die Organisation des Sprungbetriebs den Springern selbst überlassen bleibt.

Darauf hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart mit Urteil vom 21.09.2017 – 2 U 11/17 – hingewiesen und in einem solchen Fall, in dem

  • die Reihenfolge, in der von den verschiedenen Ebenen des Sprungturms gesprungen wurde, von den Badegästen in eigener Regie durch Zuruf geregelt und

ein Badegast tödlich verletzt worden war,

  • weil sein Ruf vor dem Sprung von der 5-Meter-Plattform „5er springt“ von einem anderen Badegast nicht gehört worden,
  • dieser deshalb unmittelbar danach von der 10-Meter-Plattform gesprungen und
  • beim Eintauchen in das Becken mit der Schulter gegen den Kopf des vor ihm von der 5-Meter-Plattform gesprungenen und gerade wieder auftauchenden Badegastes geprallt war,

entschieden, dass

  • der Betreiber des Freibades und der Bademeister als Gesamtschuldner der Ehefrau und den zwei minderjährigen Kinder des tödlich Verunglückten 75% der Beerdigungskosten sowie ihrer Unterhaltsansprüche ersetzen müssen und
  • den tödlich Verunglückten, da er trotz der offenkundigen Gefährlichkeit am Sprungbetrieb teilgenommen hat, ein mit 25% zu bewertendes Mitverschulden trifft (Quelle: Pressemitteilung des OLG Stuttgart vom 21.09.2017).

OLG Oldenburg entscheidet wann das Umgangsrecht eines Elternteils mit dem Kind eingeschränkt werden muss

…. und wann ein Elternteil das Kind nicht mehr allein sehen darf.

Auch wenn Eltern getrennt leben haben sie grundsätzlich beide das Recht auf Umgang mit den gemeinsamen Kindern.
Allerdings kann dieses Recht eingeschränkt werden.
Beispielsweise kann das Familiengericht einen „begleitetem Umgang“ anordnen, d.h. anordnen, dass der Umgang nur unter Aufsicht des Jugendamts wahrgenommen werden darf.

Eine solche Einschränkung muss erfolgen, wenn dies für das Wohl der Kinder, insbesondere ihre seelische und körperliche Entwicklung, erforderlich ist (§ 1684 Abs. 4 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)).

Besteht etwa die konkrete Gefahr, dass ein Elternteil seine nach der Trennung der Eltern bei dem anderen Elternteil verbliebenen 8 und 5 Jahre alten Kinder mit seiner abwertenden Haltung gegenüber dem anderen Elternteil konfrontiert und hält er die Kinder zu wahrheitswidrigen Behauptungen gegenüber Behörden an, wird zum Schutz der Kinder vor Manipulationen durch diesen Elternteil vom Familiengericht ein begleiteter Umgang anzuordnen sein.

Darauf hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg mit Beschluss vom 17.01.2017 – 4 UF 5/17 – hingewiesen (Quelle: Pressemitteilung des OLG Oldenburg vom 15.03.2017 – Nr. 19/2017 –).

Die einem Erstklässler versetzte Ohrfeige kann durch Notwehr gerechtfertigt sein

Versetzt ein als Schulhofaufsicht eingesetzter Erwachsener einem Erstklässler eine Ohrfeige kann dies,

  • wenn es in der konkreten Situation das einzige angemessene Mittel ist, den Erstklässler und andere den Erwachsenen bedrängende Kinder abzuschrecken und ihre Angriffe auf ihn zuverlässig zu beenden,

nach § 32 Strafgesetzbuch (StGB) durch Notwehr gerechtfertigt sein.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf mit Beschluss vom 02.06.2016 – III-1 Ws 63/16 – hingewiesen und einen an einer Ganztagesschule als Schulhofaufsicht beschäftigten Ein-Euro-Jobber,

  • der wegen Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB zum Nachteil eines Erstklässers angeklagt war,

freigesprochen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall hatte der Angeklagte

  • zunächst mit etwa 5 bis 10 Jungen aus der ersten Klasse auf dem Schulhof gespielt,
  • sich aber irgendwann, als ihm das Spiel zu „wild“ wurde, in den hinteren Teil des Hofes zurückgezogen und als die Erstklässler ihn nicht in Ruhe ließen, sondern ihn auch dort, trotz verbaler Einwirkung auf sie, weiter bedrängten, teilweise auf ihn einschlugen sowie in seine Richtung spuckten,

dem, ihm am nächsten befindlichen der beteiligten Erstklässler,

  • zur Abschreckung der anderen und um die auf ihn einstürmenden Kinder loszuwerden,

eine kurzzeitig schmerhafte Ohrfeige versetzt,

  • woraufhin die Kinder, geschockt nach dem Schlag, auch sofort von dem Angeklagten abgelassen hatten.

Das OLG hat den Freispruch des Angeklagten damit begründet, dass die den Erstklässler etwa 10 Minuten lang schmerzende Ohrfeige durch Notwehr gerechtfertigt gewesen sei, weil sie

  • aus objektiver, nachträglicher Sicht,
  • in der konkreten Situation, in der sich der Angeklagte damals befunden habe,
  • die einzige angemessene sowie geeignete Verteidigungshandlung gewesen sei, um den Angriff der Kinder zuverlässig sofort zu beenden.

Anders als die Ohrfeige, so das OLG, hätte,

  • nachdem die Kinder dem Angeklagten auch schon vorher auf dem Schulhof nachgefolgt und seiner Aufforderung aufzuhören, nicht gefolgt seien,

weder die für den Angeklagten bestehenden Möglichkeiten

  • sich entweder in das Schulgebäude zurückzuziehen oder
  • einen hauptamtliche Lehrkraft zu Hilfe zu holen,

die sofortige Beendigung der Angriffe erwarten lassen.

Auch wenn die Angreifer aufgrund ihres Alters schuldunfähig gewesen seien, sei, so das OLG weiter, die einem der schuldunfähigen Kinder erteilte Ohrfeige geboten gewesen.
Zwar sei bei einem von schuldunfähigen Personen, insbesondere von Kindern Angegriffenen das Notwehrrecht unter Umständen dahingehend eingeschränkt, dass, wenn dies ohne substantiellen Rechtsverlust möglich ist,

  • dem Angegriffenen ein Ausweichen zugemutet bzw.
  • von dem Angegriffenen ein Verzicht auf maßlose Gegenwehr gefordert und
  • bei aktiver Gegenwehr die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes verlangt wird,
    • im Hinblick auf die durch die Notwehrhandlung verhinderte Rechtsgutsverletzung und
    • die auf Seiten des Angreifers durch die Notwehrhandlung verursachte

Andererseits müsse mit milden Abwehrhandlungen wie im vorliegenden Fall selbst Bagatellangriffen schuldlos Handelnder entgegengetreten werden dürfen, zumal,

  • solange diese keinen ernstzunehmenden Verletzungsrisiken ausgesetzt seien,

kein Grund bestehe,

  • schuldlos handelnden Kindern eine allgemeine „Narrenfreiheit“ zu gewähren.