Tag Aussteigen

Beifahrer, die beim Öffnen der Autotür mit deren Unterkante gegen einen hohen Bordstein stoßen, haften, je nachdem,

…. ob dies beim Ein- oder Aussteigen geschieht, unterschiedlich für den entstandenen Schaden. 

Mit Urteil vom 19.11.2020 – 28 C 111/20 – hat das Amtsgericht (AG) Remscheid in einem Fall, in dem ein Fahrzeugeigentümer sein Auto am rechten Fahrbahnrand angehalten hatte, um einen Beifahrer 

  • einsteigen 

zu lassen und dieser,  

  • beim Öffnen der Beifahrertür, 

mit der unteren Kante der Fahrzeugtür so an den dortigen relativ hohen Bordstein gestoßen war, dass der Lack beschädigt wurde, entschieden, dass für den entstandenen Schaden haften 

  • der Beifahrer zu 2/3 

und

  • der Fahrzeugeigentümer zu 1/3.

Begründet worden ist dies vom AG damit worden, dass der Beifahrer beim Türöffnen 

  • darauf achten hätte müssen, mit der Tür nicht gegen den hohen Bordstein zu stoßen, was ihm, da er sich selbst auf dem Bordstein befunden habe, leicht möglich gewesen wäre 

und der Fahrzeugeigentümer sich die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs anrechnen lassen müsse, 

  • da er die Anhaltestelle ausgewählt hat und den Beifahrer wegen des hohen Bordsteins dort, darauf hinweisen hätte können, vorsichtig zu sein (Quelle: Pressemitteilung des AG Remscheid).

Dagegen hat das Landgericht (LG) Wuppertal (Urteil vom 18.12.2014 – 9 S 134/14 –) in einem Fall, in dem der Beifahrer 

  • beim Aussteigen 

aus dem Fahrzeug mit der Unterkante der Beifahrertür in Kontakt gekommen war, für den dabei entstandenen Lackschaden eine Haftung 

  • des Beifahrers von 30 % sowie
  • des Fahrzeugeigentümers von 70 %. 

für angezeigt erachtet.

Dass bei dem Fahrzeugeigentümer 

  • eine höhere Haftungsquote angezeigt ist, 

als bei dem Beifahrer, 

  • der die Fahrzeugtür fahrlässig beschädigt hat, 

hat das LG damit begründet, dass 

  • es dem Fahrzeugführer obliegt, an einer Stelle anzuhalten, die ein für Mensch und Fahrzeug gefahrloses Aussteigen des Beifahrers ermöglicht und 
  • üblicherweise beim Aussteigen allenfalls die Gefahr besteht, dass die Tür gegen ein seitlich des Fahrzeugs befindliches Hindernis (z.B. andere Fahrzeuge oder Poller) stößt, der Luftraum zum Bordstein aber in aller Regel ausreichend ist. 

OLG Köln verurteilt Fahrgast eines Taxis, der beim Öffnen der Fahrzeugtür zum Aussteigen einen Unfall verursacht hat, zum

…. Schadensersatz in vollem Umfang.

Mit Urteil vom 07.11.2019 – 15 U 113/19 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln in einem Fall, in dem von einem Fahrgast eines Taxis, 

  • nach dem Halt des Taxifahrers am linken Fahrbahnrand in einer Einbahnstraße, 

die rechte hintere Fahrzeugtür zum Aussteigen geöffnet und es dadurch zur Kollision mit einem anderen Fahrzeug 

  • sowie einem Schaden in Höhe von 10.128,96 Euro 

gekommen war, entschieden, dass der Taxifahrgast für den Schaden 

  • in vollem Umfang 

haftet.  

Begründet hat das OLG dies damit, dass, wer ein- oder aussteigt,

  • sich nach § 14 Abs. 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) so verhalten muss, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist,
  • diese Sorgfaltsanforderung für die gesamte Dauer eines Ein- oder Aussteigevorgangs gilt, also für alle Vorgänge, die in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang damit stehen, wobei 
    • der Vorgang des Einsteigens erst mit dem Schließen der Fahrzeugtüre, 
    • der Vorgang des Aussteigens erst mit dem Schließen der Fahrzeugtüre und dem Verlassen der Fahrbahn beendet ist.

und gegenüber der von dem Fahrgast 

  • im Hinblick auf das Verkehrsgeschehen 

an den Tag gelegten schwerwiegenden Unaufmerksamkeit beim Aussteigen, 

  • ohne zunächst die Fahrzeugtür vorsichtig nur einen Spalt zu öffnen und einen Blick nach hinten auf den rückwärtigen Verkehr zu werfen, 

ein zu berücksichtigendes schuldhaftes Verhalten des Taxifahrers nicht ersichtlich ist,

  • zumal § 12 Abs. 4 S. 4 StVO in Einbahnstraßen das Halten am linken Straßenrand erlaubt. 

Ausdrücklich hingewiesen hat das OLG darauf, dass Taxifahrer,

  • sofern im Einzelfall keine besonderen Umstände vorliegen, 

grundsätzlich

  • nicht verpflichtet sind 

erwachsene Fahrgäste vor dem Aussteigen zur Vorsicht zu ermahnen, sondern 

  • Erwachsene in erster Linie allein für ihr Verhalten im Straßenverkehr verantwortlich sind.

Übrigens:
Hingewiesen wird auch auf unseren Blog

AG München entscheidet: Wer in einem Parkhaus rückwärts einparken will muss besondere Vorsicht walten lassen

…. und darf nur strikt auf Sicht fahren.

Mit Urteil vom 19.09.2016 – 122 C 5010/16 – hat das Amtsgericht (AG) München in einem Fall, in dem

  • ein Autofahrer in einem Parkhaus beim rückwärts Einfahren in eine Parkbucht einen um ein Regenfallrohr an der Wand angebrachten sowie über den Bodensockel hinausstehenden, mit roter Farbe lackierten Schutzbügel übersehen hatte und
  • deswegen dagegen gestoßen war,

die Klage des Fahrzeugeigentümers abgewiesen, der von dem Parkhausbetreiber,

  • mit der Begründung, dieser habe durch die Nichtkennzeichnung der Gefahrenstelle mit gelb-schwarzen Streifen seine Verkehrssicherungspflicht verletzt,

Ersatz des an seinem PKW entstandenen Schadens verlangt hatte.

Das AG war der Ansicht, dass

  • nicht der Parkhausbetreiber seine Verkehrssicherungspflicht verletzt,
  • sondern der Autofahrer den Schaden an seinem Fahrzeug ausschließlich selbst verschuldet hatte.

Denn, so das AG, wer in einem Parkhaus oder einer Tiefgarage

  • nicht vorwärts,
  • sondern rückwärts

in eine Parkbucht einfahren wolle,

  • müsse besondere Vorsicht walten lassen und
  • wenn er den hinter ihm liegenden Bereich (beispielsweise wegen schlechter Lichtverhältnisse) nicht bzw. nur unzureichend einsehen könne,

sich durch

  • Aussteigen und
  • Inaugenscheinnahme der Beschaffenheit

vergewissern, dass dort keine Hindernisse vorhanden sind bzw. sein Fahrverhalten den erkannten Hindernisse entsprechend anpassen,

Was Unfallbeteiligte bei einer Kollision zwischen einem fahrenden PKW und der geöffneten Tür eines geparkten Fahrzeugs wissen sollten

Nach § 14 Abs. 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) muss, wer aus- oder einsteigt, sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.
Damit verlangt § 14 Abs. 1 StVO das höchste Maß an Vorsicht für das Ein- oder Aussteigen.

Diese Sorgfaltsanforderung gilt für die gesamte Dauer eines Ein- oder Aussteigevorgangs,

  • also für alle Vorgänge, die in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang damit stehen,
  • folglich auch für Situationen, in denen der Insasse eines Kraftfahrzeugs sich im unmittelbaren Zusammenhang mit einem Ein- oder Aussteigevorgang bei geöffneter Tür in das Kraftfahrzeug beugt, um beispielsweise Gegenstände ein- oder auszuladen oder einem Kind beim Ein- oder Aussteigen zu helfen, wobei

Wird bei einem Einsteige – oder Aussteigevorgang ein anderer Verkehrsteilnehmer geschädigt, spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung des Ein- oder Aussteigenden.

Steht fest, dass ein anderer Verkehrsteilnehmer bei einem Einsteige – oder Aussteigevorgang geschädigt worden ist, muss somit der, gegen den der Anscheinsbeweis spricht,

  • den Beweises des ersten Anscheins durch den Nachweis einer ernsthaften Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs entweder erschüttern oder
  • den Vollbeweis eines anderen Geschehensablaufs erbringen.

Gelingt ihm dies nicht, fällt ihm im Rahmen der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge, von der der Haftungsumfang der Unfallbeteiligten abhängt, ein Verstoß gegen § 14 Abs. 1 StVO zur Last.

Andererseits kann aber auch dem Fahrer eines Fahrzeugs, der beim Vorbeifahren an einem rechts auf dem Parkstreifen geparkten PKW mit der geöffneten Fahrertür dieses PKWs kollidiert ist,

  • wenn er nachweislich keinen ausreichenden Sicherheitsabstand eingehalten hat,

im Rahmen der beim Haftungsumfang vorzunehmenden Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO zu Last fallen.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main mit Urteil vom 25.10.2016 – 16 U 167/15 – hingewiesen.