Tag Berufstätigkeit

FG Münster entscheidet: Kindergeldanspruch besteht (weiter) auch im Praxisjahr zur Erlangung des weiteren Berufsziels

…. „Staatlich geprüfter Agrarbetriebswirt“ nach vorherigem Abschluss der Berufsausbildung „Landwirt“. 

Mit Urteil vom 08.08.2019 – 4 K 3925/17 – hat der 4. Senat des Finanzgerichts (FG) Münster in einem Fall, in dem der Sohn der Klägerin, 

  • nach seiner Schulausbildung mit Abitur im Juni 2015, 

eine Berufsausbildung im Ausbildungsberuf „Landwirt“ im Juli 2017 abgeschlossen, sich 

  • noch im selben Monat 

danach für den weiteren Abschluss „Staatlich geprüfter Agrarbetriebswirt“ an einer Fachschule angemeldet, hiermit aber erst im Juli 2018 begonnen hatte, da 

  • eine Zulassung zur Abschlussprüfung „Staatlich geprüfter Agrarbetriebswirt“ zwingend ein Praxisjahr nach seiner Ausbildung voraussetzte und 

von ihm, 

  • nachdem von der Fachschule empfohlen wurde, dieses Praxisjahr vor dem Beginn der Fachschule zu absolvieren,

das Praxisjahr in der Zeit von August 2017 bis Juli 2018 in drei verschiedenen landwirtschaftlichen Betrieben absolviert worden war, entschieden, dass

  • das Praxisjahr zur Vorbereitung auf den Abschluss als „Staatlich geprüfter Agrarbetriebswirt“ Teil einer einheitlichen erstmaligen Berufsausbildung ist, 

mit der Folge, dass 

  • auch nach Abschluss des Ausbildungsberufs „Landwirt“ im Juli 2017 weiterhin ein Anspruch auf Kindergeld besteht.

Begründet hat der Senat dies damit, dass der Sohn der Klägerin während seines Praxisjahres im Rahmen einer einheitlichen mehraktigen Berufsausbildung ausgebildet worden ist.

Danach befindet sich in Berufsausbildung i. S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Einkommensteuergesetz (EStG), wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet, wobei dieser Vorbereitung  

  • alle Maßnahmen dienen, bei denen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind, unabhängig davon, ob die Ausbildungsmaßnahmen in einer Ausbildungsordnung oder Studienordnung vorgeschrieben sind 

und bei mehreren Ausbildungsabschnitten – wie hier –  diese dann eine einheitliche Erstausbildung i. S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG darstellen, wenn 

  • das vom Kind angestrebte Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden kann, 
  • die einzelnen Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang (z. B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) zueinander stehen sowie in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden und
  • es sich bei einer nach Erlangung des ersten Abschlusses (als „Landwirt“ im Juli 2017) aufgenommenen Berufstätigkeit (in Form der Praktika) 
    • nicht um die Hauptsache und bei den weiteren Ausbildungsmaßnahmen nicht um eine auf Weiterbildung und/oder Aufstieg in dem bereits aufgenommenen Berufszweig gerichteten Nebensache handelt,
    • sondern die Arbeitstätigkeit (in Form der Praktika) im Hinblick auf den Zeitpunkt ihrer Durchführung den im nächsten Ausbildungsabschnitt durchgeführten Ausbildungsmaßnahmen untergeordnet ist, die Beschäftigung also nach ihrem äußeren Erscheinungsbild „neben der Ausbildung“ durchgeführt wird.

Arbeitnehmer, die schwerhörig, aber berufsbedingt auf ein sehr gutes Hörverstehen angewiesen sind, sollten wissen, dass

…. sie bei der Rentenversicherung beantragen können, ihnen ein hochwertiges Hörgerät zu bewilligen, sofern

  • sich die eigenanteilsfreien Hörgeräte nicht als geeignet bzw. unzureichend erweisen.

Mit Urteil vom 13.09.2018 – L 1 KR 229/17 – hat der 1. Senat des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) im Fall eines

  • als Projektleiter in einem Ingenieurbüro für die Bauüberwachung von Großbaustellen zuständigen

schwerhörigen Versicherten,

  • der berufsbedingt auf ein sehr gutes Hörverstehen angewiesen war,

entschieden, dass dieser Anspruch auf

  • ein höherwertiges Hörgerät hat,
  • das sich automatisch wechselnden Geräuschkulissen anpasst

und ihm die Versicherung die Kosten hierfür erstatten muss.

Begründet hat der Senat dies damit, dass behinderte Menschen einen Anspruch auf medizinische Rehabilitation haben, um Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit zu vermeiden, zu überwinden oder zu mindern,

  • dies auch Hilfsmittel wie Hörgeräte umfasse,
  • soweit der Versicherte aufgrund der typischen Anforderungen seiner Berufstätigkeit hierauf angewiesen sei

und zur Berufsausübung bei einem als Projektleiter tätigen schwerhörigen Versicherten,

  • der für die Bauleitung und die Bauüberwachung in den Bereichen Messe-, Steuer- und Regelungstechnik zuständig sowie
  • insbesondere bei Baubesprechungen auf Großbaustellen mit bis zu 20 Personen wechselnden Geräuschkulissen ausgesetzt sei, auf die er keinen Einfluss habe und die hohe Anforderungen an sein Hörvermögen stellen,

ein anteilsfreies zum Festpreis erhältliches Hörgerät,

  • das bei einer Änderung der Geräuschkulisse jeweils manuell angepasst werden müsse,

nicht geeignet, sondern

Wird nach der Scheidung der Eltern eine Fremdbetreuung des Kindes allein infolge der Berufstätigkeit des betreuenden Elternteils erforderlich

…. stellen die Betreuungskosten keinen Mehrbedarf des Kindes dar, für den die Eltern nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) anteilig nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen aufzukommen haben.

Da nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB der Elternteil,

  • der ein minderjähriges Kind betreut,

durch die Pflege und die Erziehung des Kindes seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen erfüllt und im sogenannten Residenzmodell

  • ein Elternteil den Barunterhalt der Kinder schuldet,
  • während der andere deren Betreuung übernimmt,

liegt ein über die dem einen Elternteil obliegende Betreuung hinausgehender Mehrbedarf des Kindes,

  • für den die Eltern nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB anteilig nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen aufzukommen haben,

nur ausnahmsweise vor.

Um einen solchen, über die dem einen Elternteil obliegende Betreuung hinausgehenden Mehrbedarf des Kindes handelt es sich zwar bei der üblichen pädagogisch veranlassten Betreuung

  • in staatlichen Einrichtungen, wie etwa Kindergärten, Schulen und Horten

und auch

  • eine Förderung des Kindes in vergleichbaren privaten Einrichtungen

kann über den allgemeinen Betreuungsbedarf hinausgehen und damit einen Mehrbedarf des Kindes auslösen.

Dagegen stellen Betreuungskosten dann, wenn die Betreuung des Kindes durch Dritte

  • allein infolge der Berufstätigkeit des betreuenden Elternteils erforderlich wird,

keinen Mehrbedarf des Kindes dar.

  • Dafür entstehende Betreuungskosten können in diesen Fällen lediglich als berufsbedingte Aufwendungen des betreuenden Elternteils Berücksichtigung finden.

Darauf hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 04.10.2017 – XII ZB 55/17 – hingewiesen.

Was, wer eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen hat, wissen sollte

Mit Urteil vom 15.02.2017 – IV ZR 91/16 – hat der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden, dass die in Verträgen über eine Berufsunfähigkeitsversicherung verwendete Klausel

  • „Als versicherter Beruf im Sinne der Bedingungen gilt die vor Eintritt des Versicherungsfalls zuletzt konkret ausgeübte Tätigkeit mit der Maßgabe, dass sie zu mindestens 90 Prozent als Schreibtischtätigkeit in Büro, Praxis oder Kanzlei ausgeübt wird und im Falle einer BU-Leistungsprüfung die Bemessung der Berufsunfähigkeit ausschließlich auf dieser Basis erfolgt.“

wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unwirksam ist.

Begründet hat der Senat dies u.a. damit, dass die Berufsunfähigkeitsversicherung für einen Versicherungsnehmer erkennbar das Risiko abdecken soll, das für ihn infolge eines Einnahmeverlusts entsteht, wenn er seinem tatsächlich zuletzt in gesunden Tagen ausgeübten Beruf nicht mehr nachgehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 07.12.2016 – IV ZR 434/15 –),

  • im zweiten Halbsatz der obigen Klausel jedoch nicht mehr auf den tatsächlich zuletzt ausgeübten Beruf abgestellt wird, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet ist,
  • sondern dies dahin eingeschränkt wird, dass das lediglich mit der Maßgabe gilt, dass die Tätigkeit zu mindestens 90 % als Schreibtischtätigkeit in Büro, Praxis oder Kanzlei ausgeübt wird,

damit auf einen fingierten Beruf abgestellt wird, der mit der tatsächlichen Berufstätigkeit des Versicherungsnehmers nichts zu tun haben muss und

  • diese Abweichung vom allgemeinen Verständnis des versicherten Berufs sich einem durchschnittlichen Versicherungsinteressenten nicht hinreichend erschließt,
  • ihm insbesondere nicht mit der erforderlichen Klarheit die Gefahr einer Versicherungslücke verdeutlicht wird, die entsteht, wenn
    • er eine nicht sitzende oder zu weniger als 90 % sitzende Tätigkeit nicht mehr,
    • eine zu mindestens 90 % sitzende Tätigkeit indessen weiter ausüben könnte.