Tag Beschwerden

OLG Frankfurt entscheidet: Wegen zu spät erkannter Krebserkrankung muss Arzt 50.000 € Schmerzensgeld zahlen

Mit Urteil vom 22.12.2020 – 8 U 142/18 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem Fall, in dem eine 70-jährige Frau an Krebs verstorben war, den Arzt,  

  • in dessen orthopädische Fachpraxis sie wegen undefinierbarer Schmerzen in einem bereits geschwollenen rechten Oberschenkel überweisen worden war,

verurteilt, an den Ehemann der verstorbenen Frau, ein 

  • von ihm für sie geltend gemachtes     

Schmerzensgeld

  • in Höhe von 50.000 € 

zu zahlen.

Begründet hat das OLG dies mit einem 

  • Befunderhebungsfehler des Arztes, 

den es darin gesehen hat, dass er bei der Frau, nach Überweisung in seine Fachpraxis im Oktober, zunächst  

  • lediglich ein Hämatom diagnostiziert und Schmerzmittel verordnet, 

die Erhebung der damals medizinisch gebotenen Befunde aber unterlassen und eine MRT-Untersuchung, 

  • bei der dann der Tumor diagnostiziert worden war,

erst 

  • gut einen Monat später, Ende November,

veranlasst hatte, der Tumor 

  • wegen Metastasenbildung da nicht mehr eingedämmt werden konnte,

bei sofortiger Erhebung der medizinisch gebotenen Befunde aber schon Ende Oktober, 

  • also bereits einen Monat früher, 

hätte erkannt werden können und dann die statistische Prognose der Frau um 10 – 20 % besser gewesen wäre.

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigte das OLG den Leidensweg der Frau 

  • seit dem Zeitraum ab Bekanntwerden der Metastasen, 

ihre körperlichen als auch psychischen Lebensbeeinträchtigungen in der Folgezeit, in der 

  • das dem Arzt nicht zurechenbare Grundleiden mit den damit verbundenen Beschwerden und Einschränkungen immer weiter in den Hintergrund trat und 

dass die Frau ihre Chancen auf eine Genesung zunehmend schwinden sah und sie sich auf den immer konkreter bevorstehenden Tod einstellen musste (Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt am Main).  

Was, wer an einer Lipödem leidet und eine Liposuktion (Fettabsaugung) durchführen lassen möchte, wissen sollte

Mit Urteil vom 10.09.2020 – 3 K 1498/18 – hat das Sächsische Finanzgericht (FG) in einem Fall, in dem eine Frau, 

  • die seit vielen Jahren unter einem Lipödem des Stadiums I litt,

eine,

  • von ihrer Krankenkasse nicht bezahlte, 

Liposuktion (Fettabsaugung) hatte durchführen lassen, entschieden, dass bei einer 

  • Lipödemerkrankung

die Kosten der Liposuktion bei der Einkommensteuer dann als 

  • außergewöhnliche Belastung anerkannt,
  • d.h. in Abzug gebracht 

werden können, wenn 

  • eine ärztliche Verordnung 

vorgelegen hat.

Danach handelt es sich bei einer ärztlich verordneten Liposuktion bei Lipödem 

  • nicht um eine Schönheitsoperation, sondern 

um eine 

  • zwischenzeitlich von nahezu allen mit dieser Krankheit befassten Wissenschaftlern angesehene 

risikoarme Behandlungsmethode, die 

  • der Linderung der durch die Erkrankung verursachten Beschwerden und 
  • der Vermeidung von Folgeerkrankungen dient. 

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage hat das FG die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen (Quelle: Pressemitteilung des FG Leipzig).

Was gesetzlich Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung über den Anspruch auf Versorgung mit

…. medizinischem Cannabis zur Linderung ihrer Beschwerden wissen sollten.

Mit Urteil vom 15.04.2019 – 46 KR 455/18 – hat das Sozialgericht (SG) Osnabrück darauf hingewiesen, dass

  • nach § 31 Abs. 6 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ein Anspruch auf die Versorgung mit medizinischem Cannabis

nur dann besteht, wenn

  • es keine (ebenso geeignete) Alternativtherapie gibt.

Da in dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall,

  • in dem von einem an chronischer, schubweiser verlaufender Multiplen Sklerose Erkrankten zur Behandlung seiner Erkrankung
  • die Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten zulasten seiner gesetzlichen Krankenversicherung beantragt worden war,

ein gerichtlich bestellter Sachverständiger aber

  • für die unterschiedlichen Beschwerden

verschiedene anerkannte,

  • von dem Erkrankten bisher noch nicht ausprobierte,

medikamentöse Therapien hatte benennen können, ist,

  • wegen der noch nicht erprobten Wirksamkeit dieser bei dem Erkrankten auch zur Anwendung kommenden Alternativtherapien,

der Antrag des Erkrankten vom SG (als derzeit noch nicht in Betracht kommend) abgelehnt worden (Quelle: Pressemitteilung des SG Osnabrück vom 22.05.2019).

Wer (Wein)Reben von Hand mit einer mechanischen Schere schneidet, sollte wissen, dass dies bei entsprechender Intensität

…. einen als Berufskrankheit anzuerkennenden Golfer-Ellenbogen verursachen kann.

Mit Urteil vom 29.01.2019 – L 3 U 90/15 – hat das Hessische Landessozialgericht (LSG) in einem Fall, in dem eine Frau,

  • die für einen landwirtschaftlichen Betrieb in einem Zeitraum von zwei Jahren jeweils einige Wochen Reben von Hand mit einer mechanischen Schere geschnitten und

beantragt hatte, erlittene Beschwerden im rechten Arm

  • die ihrer Meinung nach auf das Rebenschneiden zurückzuführen waren,

als Berufskrankheit anzuerkennen, darauf hingewiesen, dass

  • das Schneiden von Reben bei entsprechender Intensität eine Epicondylitis humeri ulnaris („Golfer-Ellenbogen“) verursachen kann, die als Berufskrankheit von der Berufsgenossenschaft anzuerkennen ist,
  • Voraussetzung hierfür allerdings ein Nachweis dieser Erkrankung im Vollbeweis sei.

Danach fallen bei einem solchen Einsatz im Rebschnitt biomechanisch relevante Bewegungsabläufe an, die eine

  • zu den nach dem Merkblatt zur BK Nr. 2101 als Berufskrankheit geschützten Krankheitsbildern gehörende

Erkrankung am Sehnenansatz des Ellenbogengelenkes (Epicondylitis bzw. Epicondylopathia; sog. Golfer-Ellenbogen) bewirken können.

Jedoch muss dieses Krankheitsbild,

  • um das Vorliegen einer Berufskrankheit anerkennen zu können,

im Vollbeweis gesichert sein, d.h.

Operation eines Patienten mit Grundleiden unter Überschreitung der erteilten Einwilligung

Wer trägt im Schmerzensgeldprozess die Beweislast dafür, dass postoperative, auf die mangels Einwilligung rechtwidrige Operation zurückzuführende Beschwerden auch ohne den rechtswidrigen Eingriff aufgetreten wären?

Wird bei einem Patienten mit einem Grundleiden eine Operation ausgeführt,

  • die – mangels wirksamer Einwilligung – rechtswidrig ist und
  • die zu Beschwerden (Gesundheitsbeeinträchtigungen) führt,

ist es, wenn der Patient wegen dieser Beschwerden Schmerzensgeld (§ 823 Abs. 1, § 253 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) verlangt, Sache der Behandlungsseite zu beweisen,

  • dass der Patient ohne den rechtswidrig ausgeführten Eingriff dieselben Beschwerden haben würde,
  • weil sich das Grundleiden in mindestens ähnlicher Weise ausgewirkt haben würde (Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 13.01.1987 – VI ZR 82/86 –; vom 05.04.2005 – VI ZR 216/03 –).

Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz,

  • wonach der Schädiger zu beweisen hat,
  • dass sich ein hypothetischer Kausalverlauf bzw. eine Reserveursache ebenso ausgewirkt haben würde, wie der tatsächliche Geschehensablauf.

Darauf hat der VI. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 22.03.2016 – VI ZR 467/14 – hingewiesen und in einem Fall, in dem

  • von einer Patientin, nachdem die zystischen Tumoranteile bei einem bei ihr vorhandenen gutartigen Hirntumor stark zugenommen hatten, die Einwilligung zu einer Fensterung (Drainage) erteilt,
  • von dem Arzt aber unter Hinwegsetzung über die erteilte Einwilligung der Tumor entfernt worden und

es bei der Patientin zu einer postoperativen, kausal auf der Tumorentfernung beruhenden apallischen Schädigung gekommen war, festgestellt,

  • dass die Darlegungs- und Beweislast, dass eine Fensterung der Zyste zu den denselben Beeinträchtigungen geführt hätte, wie die tatsächlich durchgeführte rechtswidrige Operation, die Behandlungsseite trägt.