Tag Einsicht

VerfGH für das Land Baden-Württemberg entscheidet: Es verstößt gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens, wenn einem Fahrzeugführer

…. dem eine Geschwindigkeitsüberschreitung vorgeworfen wird, der Zugang zu Wartungs- und Reparaturunterlagen des Messgeräts verwehrt wird.

Mit Urteil vom 16.01.2023 – 1 VB 38/18 – hat der Verfassungsgerichtshof (VerfGH) für das Land Baden-Württemberg in einem Fall, in dem vom Amtsgericht (AG) gegen einen Kraftfahrzeugführer wegen 

  • Überschreitung der zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 44 km/h 

eine Geldbuße sowie ein einmonatiges Fahrverbot verhängt worden war, ihm während des Verfahrens das AG

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BGH entscheidet: Wohnungsmieter haben Recht auf Einsicht auch in die einer Betriebskostenabrechnung

…. zugrundeliegenden Zahlungsbelege und bis dahin ein Leistungsverweigerungsrecht.

Mit Urteil vom 09.12.2020 – VIII ZR 118/19 – hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in einem Fall, in dem ein Wohnungsvermieter von seinem Mieter eine Nachzahlung aus der Betriebskostenabrechnung begehrt und diesem auf sein Verlangen hin zwar Einsicht 

  • in die der Abrechnung zugrundeliegenden Rechnungsbelege gewährt, 

aber die darüber hinaus verlangte Einsichtnahme 

  • in die entsprechenden Zahlungsbelege abgelehnt 

hatte, entschieden, dass das Recht des Mieters auf Einsicht in die Belege einer Betriebskostenabrechnung sich 

  • neben den Rechnungen
  • auch auf die dazugehörigen Zahlungsbelege 

über die in der Abrechnung auf die Mieter umgelegten Betriebskosten erstreckt und einem Mieter gegenüber dem auf eine Betriebskostenabrechnung gestützten Zahlungsverlangen des Vermieters ein 

  • aus § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) folgendes (temporäres) Leistungsverweigerungsrecht 

zusteht, solange ihm eine nach § 259 Abs. 1 BGB berechtigterweise begehrte Belegeinsicht nicht gewährt worden ist.

Begründet hat der Senat dies damit, dass sich das allgemeine Kontrollinteresse des Mieters darauf erstreckt, 

  • ob der Vermieter die in die Abrechnung eingestellten Leistungen Dritter seinerseits auch so (vollständig) bezahlt hat, 

weil, wenn

  • das nicht der Fall ist bzw.
  • der Vermieter keine Zahlungsbelege vorlegen kann, 

dies für den Mieter zumindest Anlass sein kann, 

  • für Nachfragen oder 
  • zur Erhebung von Einwendungen gegen einzelne Kostenpositionen. 

Was, wer Einsicht in das Grundbuch nehmen möchte, wissen muss

Die Einsicht in das Grundbuch ist nicht schlechthin jedem gestattet.

  • Vielmehr muss gemäß § 12 Abs. 1 Grundbuchordnung (GBO) die Person, die das Grundbuch und die zu ihm gehörenden Grundakten (§ 12 Abs. 3 GBO) einsehen will, ein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme darlegen.

Nur im Umfang des Einsichtsrechts besteht nach § 12 Abs. 2 GBO auch ein Anspruch auf Erteilung von Abschriften.

Ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 12 Abs. 1 GBO setzt zwar nicht voraus, dass die Person Inhaberin eines Rechts oder Beteiligte eines konkreten Rechtsverhältnisses ist, aus dem das Interesse an der Einsichtnahme herzuleiten wäre.

  • Vielmehr genügt es, dass die Person ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse verfolgt.
  • Auch ein rein tatsächliches, insbesondere wirtschaftliches Interesse dieser Person kann genügen.

Notwendig ist, dass die Person sachliche Gründe darlegt, nach denen die Kenntnis vom Grundbuchstand für ihr künftiges Handeln erheblich erscheint.
Dabei kann die Verfolgung unbefugter Zwecke ein Einsichtsrecht ebenso wenig begründen wie Neugier.
Deshalb kommt eine Einsicht auch dann nicht in Betracht, wenn sie von vornherein ungeeignet ist, das vorgetragene Informationsbedürfnis zu befriedigen, weil das Grundbuch schon nach seiner Art und Aufgabe die erwarteten Informationen nicht bereitstellt.

  • Dass die das Einsichtsverlangen stützenden Sachgründe darzulegen sind, bedeutet, dass diese Gründe zu erläutern sind.

Demzufolge genügt weder eine schlagwortartige Bezeichnung angeblicher Gründe noch reichen bloße Behauptungen.

  • Vielmehr ist es erforderlich, durch nachvollziehbares Tatsachenvorbringen einen Sachverhalt glaubhaft zu beschreiben, aus dem sich für das Grundbuchamt die Verfolgung eines berechtigten Interesses erschließt.
  • Aus den Ausführungen des Antragstellers muss sich in nachvollziehbarer Weise ergeben, dass die Beteiligte die Kenntnis vom Grundbuchinhalt zur Verfolgung eigener Interessen benötigt (Oberlandesgericht (OLG) München, Beschluss vom 16.03.2018 – 34 Wx 30/18 –).

BGH entscheidet, wer was darlegen und beweisen muss, wenn von Wohnungsmietern die Heizkostenabrechnung bestritten wird und

…. wann bei von Wohnungsvermietern verweigerter Belegeinsicht im Zusammenhang mit der jährlichen Betriebskostenabrechnung Mieter eine geforderte Nachzahlung vorläufig verweigern dürfen.

Mit Urteil vom 07.02.2018 – VIII ZR 189/17 – hat der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) darauf hingewiesen, dass, wenn in einem Wohnraummietvertrag

  • gemäß § 556 Abs. 1 Satz 1 BGB vereinbart ist, dass der Mieter die Betriebskosten zu tragen sowie
  • hierauf bestimmte monatliche Vorauszahlung zu leisten hat und

der Vermieter bei der jährlichen Abrechnung eine Nachzahlung fordert, der Vermieter

  • die Darlegungs- und Beweislast für die erhobene Forderung,
  • also für die richtige Erfassung, Zusammenstellung und Verteilung der angefallenen Betriebskosten auf die einzelnen Mieter (in einem Mehrfamilienhaus)

trägt.

Danach sind Mieter, die beispielsweise bestreiten, dass die in einer vom Vermieter verlangten Nachzahlung auf die in den Betriebskosten enthaltenen Heizkosten nicht

  • richtig erfasst und/oder
  • verteilt worden sind,

nicht verpflichtet Anhaltspunkte vorzutragen, aus denen sich die Unrichtigkeit der ihnen in Rechnung gestellten Verbrauchswerte ergibt.

Vielmehr muss im Streitfall

  • der Vermieter die von ihm vorgenommene Verbrauchserfassung, Zusammenstellung und Verteilung darlegen und
  • unter Beweis stellen,

so dass das Gericht

  • die Zuverlässigkeit und Korrektheit beurteilen und
  • die dazu vom Vermieter angebotenen Beweise erheben kann.

Bei einer verbrauchsabhängigen Abrechnung der Heizkosten in einem gemeinsam versorgten Mietobjekt können, so der Senat, Mieter

  • auch die Einsichtnahme in die vom Vermieter erhobenen Einzelverbrauchsdaten anderer Nutzer hinsichtlich der Heizkosten verlangen, um sich Klarheit zu verschaffen,
    • ob der Gesamtverbrauchswert mit der Summe der Verbrauchsdaten der anderen Wohnungen übereinstimmt,
    • ob deren Werte plausibel sind oder
    • ob sonst Bedenken gegen die Richtigkeit der Kostenverteilung bestehen

und besteht für Mieter

  • solange keine Verpflichtung zur Leistung der geforderten Nachzahlung,
  • solange Vermieter unberechtigt eine entsprechend begehrte Belegeinsicht verweigern (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 07.02.2018).

LAG Schleswig-Holstein entscheidet: Grobe Beleidigung des Chefs kann fristlose Kündigung rechtfertigen

…. und zwar auch bei einem langjährigen Arbeitsverhältnis.

Mit Urteil vom 24.01.2017 – 3 Sa 244/16 – hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein entschieden, dass einem Arbeitnehmer der seinen Chef als „soziales Arschloch“ bezeichnet

  • und der sich nachfolgend weder entschuldigt, noch einsieht, sich gegenüber dem Arbeitgeber falsch verhalten zu haben,

ohne vorherige Abmahnung fristlos gekündigt werden kann und

  • zwar auch dann, wenn es sich bei dem Arbeitnehmer um einen langjährig Beschäftigten handelt.

Danach

  • kann sich eine Arbeitnehmer bei groben Beleidigungen, die weder provoziert, noch im Affekt geäußert worden sind, nicht auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung berufen und
  • ist es bei fehlender Entschuldigung sowie fehlender Einsicht dem Arbeitgeber weder zuzumuten den Arbeitnehmer lediglich abzumahnen, noch das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen (Quelle: Pressemitteilung des LAG Schleswig-Holstein vom 04.05.2ß17).

Was Betreuer wissen müssen, wenn nicht geschlossen untergebrachte Betreute ärztlich zwangsbehandelt werden sollen

Ärztliche Behandlungen gegen den natürlichen Willen eines Betreuten, die auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung deren Notwendigkeit nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln können,

  • waren bisher ausschließlich auf der Grundlage des § 1906 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und damit nur bei nach 1906 Abs. 1 BGB freiheitsentziehend untergebrachten Betreuten möglich,

während

  • außerhalb einer freiheitsentziehenden Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 BGB ärztliche Zwangsmaßnahmen (ambulante Zwangsmaßnahmen) mangels gesetzlicher Rechtsgrundlage für unzulässig erachtet wurden (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 11.10.2000 – XII ZB 69/00 –).

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) hat nunmehr mit Beschluss vom 26.07.2016 – 1 BvL 8/15 – entschieden, dass

  • es mit der aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) folgenden Schutzpflicht des Staates unvereinbar ist, dass für Betreute, denen schwerwiegende gesundheitliche Beeinträchtigungen drohen und die die Notwendigkeit der erforderlichen ärztlichen Maßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln können, eine ärztliche Behandlung gegen ihren natürlichen Willen unter keinen Umständen möglich ist, sofern sie zwar stationär behandelt werden, aber nicht geschlossen untergebracht werden können, weil sie sich der Behandlung räumlich nicht entziehen wollen oder hierzu körperlich nicht in der Lage sind,
  • der Gesetzgeber deshalb verpflichtet ist, unverzüglich eine Regelung für diese Fallgruppe zu treffen und bis zu einer solchen Regelung

1906 Absatz 3 BGB auch auf stationär behandelte Betreute anzuwenden ist, die sich einer ärztlichen Zwangsbehandlung räumlich nicht entziehen können.