Tag Entschädigung

Wer für sein Fahrzeug eine Kaskoversicherung abgeschlossen hat, sollte nach einem Unfallschaden auch dann nicht versäumen

…. dem Kaskoversicherer den Schaden (Versicherungsfall) innerhalb der in den Versicherungsbedingungen vorgesehenen Wochenfrist mitzuteilen, wenn er beabsichtigt (zunächst) den Schädiger in Anspruch zu nehmen.

Mit Beschlüssen vom 26.04.2017 sowie vom 21.06.2017 – 20 U 42/17 – hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm nämlich darauf hingewiesen, dass ein Kaskoversicherer,

  • wenn der Versicherungsnehmer – in Kenntnis der ihm obliegenden Anzeigepflicht – einen Unfallschaden erst knapp sechs Monate nach dem Verkehrsunfall mitteilt,

jedenfalls dann berechtigt ist,

  • wegen vorsätzlicher Verletzung der Anzeigeobliegenheit, eine Entschädigung zu verweigern,

wenn der Versicherungsnehmer nicht nachweisen kann,

  • dass seine verzögerte Anzeige nicht ursächlich dafür war,
  • dass der Kaskoversicherer keine Feststellungen zum Versicherungsfall und zu seiner Leistungspflicht mehr treffen konnte.

Denn, so der Senat, die Verpflichtung dem Kaskoversicherer den Schaden (Versicherungsfall) anzuzeigen, bestehe,

  • da sie sicherstellen solle, dass dem Versicherer bei einer Inanspruchnahme eigene Ermittlungen möglich sind,

unabhängig davon, ob später tatsächlich eine Leistung des Versicherers in Anspruch genommen wird.

BGH ändert seine Rechtsprechung zum Entschädigungsanspruch aus sog. Aufopferung dahingehend

…. dass bei der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit infolge rechtmäßiger Behördenmaßnahmen auch Schmerzensgeld beansprucht werden kann.

Mit Urteil vom 07.09.2017 – III ZR 71/17 – hat der für das Recht der öffentlich-rechtlichen Ersatzleistungen zuständige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) – unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung – entschieden, dass, wenn Jemand wegen eines rechtmäßigen hoheitlichen Eingriffs in Leben, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit einen Anspruch auf Entschädigung aus sog. Aufopferung hat,

  • beispielsweise weil er bei einer Fahndung nach einem Tatverdächtigen aufgrund der Täterbeschreibung von Polizeibeamten für den gesuchten mutmaßlichen Täter gehalten und
  • bei der von den Polizeibeamten deswegen gegen ihn rechtmäßigen unmittelbaren Zwangsanwendung zur Durchsetzung der Identitätsfeststellung gemäß § 163b Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) verletzt worden ist,

dieser Anspruch auch einen Schmerzensgeldanspruch umfasst,

  • d.h., in dem obigen Beispielsfall der bei der rechtmäßigen Polizeimaßnahme Verletzte vom Staat
    • nicht nur einen Ausgleich für den aufgrund der Verletzung erlittenen Vermögensschadens verlangen kann,
    • sondern auch ein Schmerzensgeld (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 11.09.2017 – Nr. 139/2017 –).

Fahrzeugeigentümer, die gegen ihre Kaskoversicherung Ansprüche auf Entschädigung wegen Diebstahls geltend machen wollen

…. sollten vor Gericht nicht lügen, weil dies dazu führen kann, dass die für den Versicherungsnehmer streitende „Redlichkeitsvermutung“ widerlegt und ihre Klage deswegen erfolglos sein kann.

Kann ein Versicherungsnehmer, der erfolgreich einen Kaskoanspruch wegen eines Diebstahls geltend machen will, im Streitfall,

  • weil der Kaskoversicherer beispielsweise behauptet, dass der Diebstahl vorgetäuscht sei,

den geltend gemachten Versicherungsfall „Diebstahl“, was der Regelfall sein dürfte, nicht beweisen,

  • muss zumindest das so genannte äußere Bild eines Diebstahls,
  • also beispielsweise bei einem Fahrzeugteilediebstahl, das unversehrte Abstellen und Zurücklassen des Fahrzeugs durch den Versicherungsnehmer vor einem späteren Auffinden in beschädigtem Zustand,

erwiesen sein.

Kann dies durch Zeugen nicht bewiesen werden, kann das äußere Bild eines Diebstahls

  • zwar auch durch die Angaben des Versicherungsnehmers bewiesen werden,

allerdings nur, wenn die für ihn streitende Redlichkeitsvermutung nicht erschüttert ist und erschüttert kann diese Redlichkeitsvermutung sein,

  • wenn der Versicherungsnehmer nach Auffassung des Gerichts bewusst die Unwahrheit sagt, um zu versuchen, seiner Klage zum Erfolg zu verhelfen,
  • weil dies dann zu schwerwiegenden Zweifeln an der Redlichkeit und Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers führen kann.

Das folgt aus dem Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm vom 09.08.2017 – 20 U 184/15 –.

Anspruch auf Schadensersatz nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz haben nur „echte Stellenbewerber“

…. und keine sogenannten „AGG-Hopper“.

Mit Urteil vom 24.11.2016 – 173 C 8860/16 – hat das Amtsgericht (AG) München darauf hingewiesen, dass,

  • wer sich nicht ernsthaft um eine Stelle bewirbt,
  • sondern von vornherein nur die Zahlung einer Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) anstrebt,

auch dann keinen Anspruch auf Schadensersatz nach § 15 AGG hat,

  • wenn der Arbeitgeber gegen die Vorgaben des AGG verstoßen hat.

Der Entscheidung zugrunde lag ein Fall, in dem sich der Kläger

  • erfolglos auf eine Stellenanzeige, nach der eine „nette weibliche Telefonstimme“ gesucht worden war, beworben hatte,

nach Überzeugung des AG

Gibt ein Mieter die Wohnung bei Mietende nicht zurück kann der Vermieter die übliche Neuvermietungsmiete verlangen

Wird eine gemietete Wohnung oder ein gemietetes Wohnhaus nach Beendigung des Mietverhältnisses vom Mieter nicht zurückgegeben, kann der Vermieter nach § 546a Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB),

  • auch wenn er keine Neuvermietung beabsichtigt, sondern die Mietsache – wie im Fall einer erklärten Eigenbedarfskündigung – selbst nutzen will,

für die Dauer der Vorenthaltung als Entschädigung

  • entweder die vereinbarte Miete verlangen
  • oder, sofern diese höher ist, die Miete, die für vergleichbare Sachen ortsüblich ist.

Verlangt der Vermieter gemäß § 546a Abs. 1 Alt. 2 BGB als Entschädigung die „für vergleichbare Sachen ortübliche Miete“, ist diese Miete

  • nicht nach Maßgabe der auf laufende Mietverhältnisse zugeschnittenen Regelung über Mieterhöhungen bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete (§ 558 Abs. 2 BGB) zu bestimmen,
  • sondern anhand der bei Neuabschluss eines Mietvertrages über die Wohnung ortsüblichen Miete (Marktmiete).

Das hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 18.01.2017 – VIII ZR 17/16 – entschieden.

Dass es im Rahmen von § 546a Abs. 1 Alt. 2 BGB auch im Wohnraummietrecht darauf ankommt, was bei einer Neuvermietung der Wohnung ortsüblich erzielbar gewesen wäre, hat der Senat damit begründet, dass

  • im Wohnraummietrecht zwischen Wirksamwerden der Kündigung und endgültiger Räumung der Wohnung durch den Mieter unter Umständen ein längerer Zeitraum liegen könne, über den hinweg die Wohnung dem Vermieter vorenthalten wird und der deshalb gehindert ist, durch eine Neuvermietung eine (höhere) ortsübliche Vergleichsmiete zu erzielen und
  • es unter dem Gesichtspunkt einer gerechten Risikoverteilung nicht einzusehen sei, dass ein Vermieter sich mit der vereinbarten (geringeren) Miete begnügen müsse, wenn sich später im Rahmen eines Rechtsstreits herausstelle, dass die Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt gewesen sei, da dieses Risiko in der Sphäre des Mieters liege, der trotz Kündigung in der Wohnung verbleibe.

Was Versicherungsnehmer einer Sachversicherung zum Neuwert wissen sollten

Versicherungsbedingungen einer Sachversicherung zum Neuwert, beispielsweise einer Kraftfahrzeugkaskoversicherung, die vorsehen, dass

  • „der Versicherer nach einem unfallbedingten Totalschaden die über den Wiederbeschaffungswert hinausgehende Entschädigung nur in der Höhe zahlt, in der gesichert ist, dass die Entschädigung innerhalb von einem Jahr nach ihrer Feststellung für die Reparatur des Fahrzeugs oder den Erwerb eines anderen Fahrzeugs verwendet wird“,

dienen unter anderem dem Zweck, das so genannte subjektive Risiko des Versicherers zu begrenzen.
Der Versicherer soll durch solche Wiederbeschaffungsklauseln davor geschützt werden, dass der Versicherungsnehmer – wie dies bei freier Verwendbarkeit der Neuwertentschädigung der Fall wäre – in Versuchung geraten könnte, sich durch Vortäuschung des Versicherungsfalls Vermögensvorteile zu verschaffen, die auch darin bestehen können, dass die Neuwertentschädigung für den Verlust einer versicherten Sache zur Finanzierung beliebiger anderweitiger Anschaffungen zur Verfügung stünde.

  • Um dem entgegenzuwirken, sind Wiederherstellungsklauseln darauf gerichtet, sicherzustellen, dass die Neuwertentschädigung allein dazu verwendet wird, die ursprünglich versicherte Sache zu ersetzen.

Nach ihrem Wortlaut setzt eine Wiederbeschaffungsklausel wie die obige allerdings nicht voraus, dass der Versicherungsnehmer oder die im Rahmen einer Versicherung für fremde Rechnung geschützte Person die Wiederbeschaffung zunächst aus eigenen Mitteln zu gewährleisten haben, weil

  • die Wendung „ihrer Feststellung“ sich auf die Entschädigung bezieht und

die Frist somit erst nach der Feststellung der Entschädigung zu laufen beginnt.

  • Zu laufen beginnt die Jahresfrist mithin erst, wenn der Versicherer erklärt hat, die Neupreisentschädigung bis zu einem bestimmten Betrag dem Grunde nach zu schulden.
  • Verweigert der Versicherer diese Erklärung, etwa weil er der Auffassung ist, die Neupreisentschädigung aus anderen Gründen nicht leisten zu müssen, wird die Jahresfrist für die Sicherstellung der Verwendung der Neuwertspitze für die Ersatzbeschaffung nicht, auch nicht anderweitig, etwa durch die Leistungsablehnung, den Versicherungsfall oder eine Teilregulierung des Schadens ausgelöst.
  • Dem Versicherungsnehmer bleibt damit, sofern sich der Versicherer weigert, seine Verpflichtung zur Erstattung der Neuwertspitze – auch hinsichtlich des grundsätzlich erstattungsfähigen Betrages – festzustellen, nur die Möglichkeit, diese Feststellung durch eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen.
    Erst diese Feststellung setzt dann die Jahresfrist zur Sicherstellung ihrer Verwendung in Lauf.

Darauf hat der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 26.10.2016 – IV ZR 193/15 – hingewiesen.

Was Vermieter und Mieter über die Kündigungsmöglichkeiten wegen Mietrückstands wissen sollten

Der Vermieter kann ein Mietverhältnis nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 a bzw. Nr. 3 b Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

  • außerordentlich fristlos kündigen,

wenn der Mieter

  • für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete (vgl. hierzu § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB) in Verzug ist oder
  • in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.

Ausgeschlossen nach § 543 Abs. 2 Satz 2 BGB wird dieses durch den Auflauf eines Rückstands in dieser Höhe entstandene Recht des Vermieters zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses nur durch

  • eine vollständige Zahlung des Rückstandes
  • vor Zugang der Kündigung.

Unwirksam wird eine erfolgte fristlose Kündigung des Vermieters nur,

  • entweder nach § 543 Abs. 2 Satz 3 BGB, wenn durch
    • unverzügliche Aufrechnungserklärung nach der Kündigung
    • die gesamten Rückstände getilgt werden

oder

  • nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB, wenn
    • spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs
    • die fällige Miete und die fällige Entschädigung nach § 546a vollständig getilgt sind oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet hat (sogenannte Schonfristzahlung).

Darauf hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 24.08.2016 – VIII ZR 261/15 – hingewiesen.

Unterhalb der für die fristlose Kündigung geltenden Grenze des § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB ist nach § 573 Abs. 3 Nr. 1 BGB eine

  • ordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzugs

möglich, sofern

  • der Mietrückstand eine Monatsmiete übersteigt und
  • die Verzugsdauer nicht weniger als einen Monat beträgt.

In einem solchen Fall besteht für den Vermieter ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses (§ 573 Abs. 1 BGB), weil der Mieter seine Pflichten aus dem Mietvertrag dann schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat (§ 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB) und

Was Miterben wissen sollten, wenn ein zum Nachlass gehörendes Haus von einem von ihnen allein genutzt wird

Erben mehrere Personen ein Hausgrundstück,

  • das einer der Miterben zusammen mit dem Erblasser bewohnt hat und
  • nach dem Tod des Erblassers weiterhin bewohnt,

kann von diesem die Zahlung eines Entgelts für die Nutzung des Hausgrundstücks an die Erbengemeinschaft erst verlangt werden, wenn

  • ein Verlangen geäußert worden ist, die Verwaltung und Benutzung des zum Nachlass gehörenden Hausgrundstücks neu zu regeln.

Eine bloße Zahlungsaufforderung reicht hierfür nicht aus.

Darauf hat die 11. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Mönchengladbach mit Beschluss vom 22.04.2016 – 11 O 1/16 – hingewiesen.

Begründet hat die Kammer dies damit, dass

  • nach § 743 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) jeder Miteigentümer zum Gebrauch des gemeinschaftlichen Gegenstands insoweit befugt ist, als nicht der Mitgebrauch der übrigen Teilhaber beeinträchtigt wird,
  • grundsätzlich also eine Berechtigung zur Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums besteht, ohne dafür eine Entschädigung an die anderen Miteigentümer entrichten zu müssen,
  • demzufolge der Anspruch auf Nutzungsentgelt nicht schon dadurch ausgelöst wird, dass ein Miteigentümer das im Miteigentum stehende Grundstück allein nutzt,
  • nach § 745 Abs. 2 BGB jedoch jeder Teilhaber eines Miteigentumsanteils, sofern nicht die Verwaltung und Benutzung durch Vereinbarung oder durch Mehrheitsbeschluss geregelt ist, eine dem Interesse aller Teilhaber nach billigem Ermessen entsprechende Verwaltung und Benutzung verlangen kann und
  • ein Anspruch auf Nutzungsentgelt damit erst vom Zeitpunkt des Neuregelungsverlangens für die Zukunft entstehen kann.

Wer muss was darlegen bzw. beweisen, wenn ein Stellenbewerber wegen Benachteiligung bei einer Bewerbung Zahlung einer Entschädigung verlangt?

Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis (§ 6 Abs. 1 Satz 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG)), die sich zur Geltendmachung eines Anspruchs auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG darauf berufen, der beklagte Arbeitgeber (vgl. § 6 Abs. 2 AGG) habe gegen ein Benachteiligungsverbot des AGG verstoßen, haben gemäß § 22 AGG Indizien vorzutragen, die eine Benachteiligung nach § 3 AGG wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, also

  • aus rassistischen Gründen oder wegen seiner ethnischen Herkunft,
  • wegen seines Geschlechts,
  • wegen seiner Religion oder seiner Weltanschauung,
  • wegen seiner Behinderung,
  • wegen seines Alters oder
  • wegen seiner sexuellen Identität.

An die Vermutungsvoraussetzungen des § 22 AGG ist dabei kein zu strenger Maßstab anzulegen.
Es genügt, wenn aus den vorgetragenen Tatsachen nach allgemeiner Lebenserfahrung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Benachteiligung besteht (Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 27.01.2011 – 8 AZR 580/09 –).

Indizien beispielsweise für eine Benachteiligung wegen einer (Schwer-)Behinderung in einer Bewerbungssituation gegenüber einem öffentlichen Arbeitgeber können insbesondere die Verletzung von Verfahrens- und Förderpflichten nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) zu Gunsten schwerbehinderter Menschen sein, namentlich

  • das Unterlassen der Einschaltung der Agentur für Arbeit gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1, 82 Satz 1 SGB IX (Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 03.03.2011 – 5 C 16/10 –) oder
  • das Unterbleiben einer Einladung zu einem Vorstellungsgespräch entgegen § 82 Satz 2 SGB IX,

sofern der Bewerber alle (zulässigen) Einstellungsvoraussetzungen erfüllt (BAG, Urteil vom 16.02.2012 – 8 AZR 697/10 –; Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein, Urteil 18.03.2015 – 3 Sa 371/14 –; Arbeitsgericht (ArbG) Ulm, Urteil vom 02.08.2016 – 5 Ca 86/16 –).

Besteht die Vermutung einer Benachteiligung, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist. Hierfür gilt jedoch das Beweismaß des sog. Vollbeweises.

  • Der Arbeitgeber muss demnach dann Tatsachen vortragen und ggf. beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben (BAG, Urteil vom 17.03.2016 – 8 AZR 677/14 –).

Was Schwerbehinderte die sich auf eine von einem öffentlichen Arbeitgeber ausgeschriebene Stelle bewerben wissen sollten

Eine Stadt muss einem, mit einem Grad der Behinderung von 50, Schwerbehinderten, der sich auf eine von ihr ausgeschriebene Stelle mit Bewerbungsschreiben und ausführlichem Lebenslauf beworben hatte,

  • nach § 15 Abs. 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) eine Entschädigung i.H.v. einem Bruttomonatsverdienst zahlen,

weil er von der Stadt, obwohl diese aufgrund der Angaben des Schwerbehinderten in seiner Bewerbung nicht davon ausgehen durfte, dass ihm die erforderliche fachliche Eignung offensichtlich fehlt,

  • nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden und die Stelle mit einem anderen Bewerber besetzt worden war.

Das hat der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) mit Urteil vom 11.08.2016 – 8 AZR 375/15 – entschieden.

Danach begründet die Nichteinladung eines schwerbehinderten Bewerbers auf eine von einem öffentlichen Arbeitgeber ausgeschriebene Stelle zu einem Vorstellungsgespräch

  • dann die Vermutung, dass der Bewerber wegen seiner Schwerbehinderung aus dem Auswahlverfahren vorzeitig ausgeschieden und dadurch benachteiligt (diskriminiert) worden ist,
  • wenn der öffentliche Arbeitgeber von der Verpflichtung zu einer Einladung nicht nach § 82 Satz 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) befreit war, also nicht davon ausgehen konnte, dass dem Stellenbewerber die erforderliche fachliche Eignung offensichtlich fehlt (Quelle: Pressemitteilung Nr. 42/16 des BAG vom 11.08.2016).