Tag Gesundheitssorge

Corona-Impfung: Die von Betreuern und Vorsorgebevollmächtigten erteilte Einwilligung hierzu bedarf normalerweise keiner

…. betreuungsgerichtlichen Genehmigung.

Darauf hat das Amtsgericht (AG) Osnabrück hingewiesen.

Danach können Betreuer bzw. Vorsorgebevollmächtigte, die in Angelegenheiten der 

  • Gesundheitssorge des Betroffenen 

entscheiden dürfen,

  • wenn der Betroffene hierzu selbst nicht (mehr) in der Lage ist,

grundsätzlich die Einwilligung in die Impfung erteilen,

  • haben aber bei dieser Entscheidung auf die Wünsche und den mutmaßlichen Willen des Betroffenen Rücksicht zu nehmen.

Allerdings dürfte ausnahmsweise, so das AG weiter, eine betreuungsgerichtliche Genehmigung dann erforderlich sein,  

  • wenn eine ärztliche Einschätzung vorliegt, wonach wegen des gegenwärtigen Gesundheitszustandes des Betroffenen Gefahren von einer Impfung ausgehen und 
  • der Betreuer bzw. Vorsorgebevollmächtigte (dennoch) die Einwilligung zur Impfung erteilen will 

oder

  • wenn der Betreuer bzw. Vorsorgebevollmächtigte die Einwilligung in eine ärztlich empfohlene Impfung nicht erteilen will und 
  • der Betroffene durch die Nichtimpfung erheblichen gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt wird (Quelle: Pressemitteilung des AG Osnabrück).

Eltern bzw. Elternteile, denen die elterliche Sorge in dem Teilbereich Gesundheitssorge entzogen ist, können Auskunft

…. über die persönlichen Verhältnisse des Kindes in entsprechender Anwendung des § 1686 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) von dem Inhaber der Gesundheitssorge verlangen, wenn

  • ein berechtigtes Interesse an der begehrten Auskunft besteht und
  • die Auskunftserteilung dem Kindeswohl nicht widerspricht.

Ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 1686 BGB besteht, wenn der die Auskunft begehrende Elternteil

  • keine andere zumutbare Möglichkeit hat,

sich über die Entwicklung und die persönlichen Verhältnisse seines Kindes zu unterrichten.

Eine solche anderweitige Möglichkeit kann gegebenenfalls

  • sowohl der Umgang mit dem Kind darstellen,
    • sofern dieses aufgrund seines Alters zu einer verlässlichen Information in der Lage ist und die Information das Kind nicht unnötig belasten würde,
  • als auch in sonstigen Informationsquellen bestehen, wenn diese eine ausreichende Kenntnis von den persönlichen Verhältnissen des Kindes vermitteln.

Dem Kindeswohl widersprechen kann die begehrte Auskunft,

  • nicht nur wenn bzw. soweit es um Umstände aus der Privat- und Intimsphäre des Kindes geht, die bereits in den Entscheidungsbereich des Minderjährigen selbst fallen,
  • sondern auch, wenn zu besorgen ist, dass der auskunftsberechtigte Elternteil die Auskunft missbrauchen wird, um im Bereich der ihm entzogenen elterlichen Sorge in einer Weise Einfluss zu nehmen, die zu einer Beeinträchtigung des Kindeswohls führt,
    • also beispielsweise wenn zu befürchten ist, dass der Auskunftsberechtigte nach Erteilung der Auskunft direkten Einfluss auf die Therapie des Kindes nehmen und ungeachtet der ihm entzogenen Gesundheitssorge bei seinem psychisch labilen Kind einen Therapieabbruch provozieren wird.

Darauf hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 26.07.2017 – XII ZB 85/17 – hingewiesen.

Wichtig zu wissen für gemeinsam sorgeberechtigte Eltern, die sich nicht einigen können, ob ihr Kind geimpft werden soll

…. oder nicht und die deshalb wechselseitig die Entscheidungsbefugnis hierüber übertragen haben möchten.

Mit Beschluss vom 03.05.2017 – XII ZB 157/16 – hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden, dass, wenn Eltern uneinig darüber sind,

  • ob bei ihrem Kind eine sog. Standard- oder Routineschutzimpfung (gegen Tetanus, Diphtherie, Pertussis, Pneumokokken, Rotaviren, Meningokokken C, Masern, Mumps und Röteln) durchgeführt werden soll,

das Familiengericht die Entscheidungsbefugnis jedenfalls dann dem Elternteil übertragen kann, der die Impfung des Kindes entsprechend den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission beim Robert-Koch-Institut (im Folgenden: STIKO) befürwortet,

  • wenn bei dem Kind keine besonderen Impfrisiken vorliegen.

Begründet hat der Senat dies damit, dass

  • nach § 1628 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), wenn sich die Eltern bei gemeinsamer elterlicher Sorge in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen können, das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen kann,
  • die Schutzimpfung eines Kindes auch dann eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind ist, wenn es sich um eine sogenannte Standard- oder Routineimpfung handelt,
  • die aufgrund § 1628 BGB zu treffende Entscheidung des Familiengerichts sich gemäß § 1697 a BGB nach dem Kindeswohl richtet,
  • demzufolge in Angelegenheiten der Gesundheitssorge die Entscheidungskompetenz dem Elternteil zu übertragen ist, der das für das Kindeswohl bessere Lösungskonzept verfolgt und

aufgrund der als medizinischer Standard anerkannten Empfehlungen der STIKO davon auszugehen ist, dass der Nutzen der Impfungen,

  • die dem Wohl des Einzelnen im Hinblick auf eine mögliche Erkrankung und in Bezug auf die Gefahr einer Weiterverbreitung dem Gemeinwohl dienen,

deren Risiken überwiegt.