Tag Hilfsmittel

Querschnittgelähmte Versicherte sollten wissen, dass sie Anspruch auf eine Versorgung mit einer elektrischen Rollstuhlzughilfe

…. mit Handkurbelunterstützung (Handbike) anstelle eines Elektrorollstuhls haben können.

Mit Urteil vom 05.08.2021 – L 1 KR 65/20 – hat der 1. Senat des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) im Fall eines infolge eines mit 20 Jahren erlittenen Unfalls Querschnittsgelähmten, der

  • bisher mit einem Faltrollstuhl versorgt war

und dem die Krankenkasse die beantragte Versorgung 

  • mit einem Handbike – einer elektrischen Rollstuhlzughilfe mit Handkurbelunterstützung -, welche an den Faltrollstuhl angekoppelt werden kann (Kosten ca. 8.600 €)

verweigert und stattdessen

  • einen Elektrorollstuhl (Kosten ca. 5.000 €)

angeboten hatte, entschieden, dass der Antragsteller von der Krankenkasse nicht 

  • im Hinblick auf das Wirtschaftlichkeitsgebot 

auf den von ihr angebotenen Elektrorollstuhl verwiesen werden kann, sondern dem Antragsteller das

  • Handbike

gewährt werden muss.

Begründet hat der Senat dies damit, dass Versicherte gegenüber der Krankenkasse einen Anspruch auf Hilfsmittel haben, die 

  • im Einzelfall erforderlich sind, 

um eine Behinderung auszugleichen, die Versorgung mit dem begehrten 

  • Handbike

dem Ausgleich der Folgen der Querschnittslähmung dient, 

  • ohne das Maß des Notwendigen zu überschreiten,

weil der Antragsteller 

  • es ohne fremde Hilfe direkt an den Faltrollstuhl anbringen sowie
  • damit auch Bordsteinkanten und andere Hindernisse selbst überwinden 

kann und ihm dadurch das Grundbedürfnis nach Mobilität 

  • durch Erschließung des Nahbereichs und 
  • damit ein insoweit möglichst selbstbestimmtes und selbständiges Leben 

ermöglicht wird, während das Ziel, den Antragsteller am Leben in der Gesellschaft voll und gleichberechtigt teilhaben zu lassen, bei einer 

  • Versorgung mit einem Elektrorollstuhl 

nur unzureichend gefördert würde, weil der Antragsteller, 

  • da er keine Greifkraft in den Händen hat, mit welcher er beim Befahren z.B. von Bordsteinkanten die erforderlichen Kippbewegungen des Rollstuhls ausführen und auf Gefällstrecken bremsen könnte,

einen Elektrorollstuhl nur nutzen könnte, wenn er von einer Pflegekraft entsprechend umgesetzt wird (Quelle: Pressemitteilung des LSG Darmstadt).

Eltern eines schulpflichtigen behinderten Kindes sollten wissen, dass die gesetzliche Krankenkasse auch verpflichtet

…. sein kann, ihrem Kind eine Spracherkennungsoftware zur Verfügung zu stellen bzw. die Kosten hierfür zu übernehmen oder für die bereits angeschaffte Software zu erstatten. 

Mit Urteil vom 01.04.2021 – L 4 KR 187/18 – hat das Landessozialgericht (LSG) entschieden, dass für behinderte Kinder die

  • Spracherkennung Dragon Naturally Speaking

ein 

  • Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zur Sicherung der Schulfähigkeit 

sein kann und in dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall, in dem die gesetzlich versicherten Eltern einer neunjährigen Förderschülerin, 

  • die seit einer frühkindlichen Hirnblutung an spastischen Lähmungen leidet und 
  • nur unter größter Anstrengung einen Stift halten und schreiben kann,

für ihr Kind 

  • eine Computerausstattung mit Dragon Professional für Schüler für 595,- €

beantragt hatten, die Krankenkasse zur 

  • Übernahme der Kosten 

hierfür verurteilt.

Begründet hat das LSG seine Entscheidung damit, dass zu den Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) auch 

  • die Herstellung und Sicherung der Schulfähigkeit bzw.
  • der Erwerb einer elementaren Schulausbildung 

gehört, somit, wenn ein Schüler aufgrund einer Behinderung ein Hilfsmittel benötigt, um 

  • am Unterricht teilnehmen oder 
  • die Hausaufgaben erledigen 

zu können, die Kasse dieses Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen hat und diesbezüglich bei Kindern,

  • um deren weiterer Entwicklung Rechnung zu tragen, 

ein großzügigerer Maßstab anzulegen ist, so dass die Spracherkennungssoftware vorliegend  als 

  • Hilfsmittel für Behinderte 

i.S.v. § 33 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) bewertet werden kann, das der 

  • Integration

dient (Pressemitteilung des LSG Celle-Bremen).

Was gesetzlich krankenversicherte Gehbehinderte, die statt eines Rollstuhles lieber einen E-Roller mit Sattel hätten,

…. wissen sollten.

Mit Beschluss vom 28.08.2020 – L 16 KR 151/20 – hat der 16. Senat des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen-Bremen im Fall eines 80-jährigen, gehbehinderten Mannes,

  • dem ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 % und das Merkzeichen „aG“ zuerkannt war und  

der bei seiner Krankenkasse die Übernahme der Kosten für die Anschaffung 

  • eines klappbaren Elektrorollers mit Sattel, 
  • statt eines Rollstuhles,

mit der Begründung beantragt hatte, dass

  • er, was mit einem Elektrorollstuhl nicht gehe, einen E-Roller zusammengeklappt im Pkw transportieren und auch in den Urlaub und auf Busreisen mitnehmen könne,
  • während ein solch großes und schweres Hilfsmittel wie ein Elektrorollstuhl auch für sein Auto und seinen Carport ungeeignet sei,

entschieden, dass 

  • ein Anspruch auf die Versorgung mit einem E-Roller als Rollstuhlersatz nicht besteht.

Wie der Senat ausgeführt hat, haben gesetzlich Krankenversicherte nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), 

  • allerdings unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots des § 12 Abs. 1 SGB V, 

Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um 

  • den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, 
  • einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder 
  • eine Behinderung auszugleichen, 

soweit die Hilfsmittel nicht 

  • als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder 
  • nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind, 

ist für die Auslegung, 

  • was unter Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens zu verstehen ist, 

abzustellen, auf Zweck und Funktion des Gegenstandes, die abhängt davon, ob 

  • ein Gegenstand bereits nach seiner Konzeption dem Zweck des § 33 SGB V dienen soll oder 
  • den Bedürfnissen erkrankter oder behinderter Menschen jedenfalls besonders entgegenkommt und von körperlich nicht beeinträchtigten Menschen praktisch nicht genutzt wird,

und sind E-Roller,

  • die in ihrer Funktion nicht medizinisch geprägt sind und 
  • nach ihrer Konzeption ersichtlich nicht nur den Bedürfnissen von Kranken und Behinderten dienen sollen, sondern auch von Nichtbehinderten regelmäßig genutzt werden,

somit als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens einzustufen,

  • für die eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht besteht.

Krankheitsbedingt unter totalem Haarausfall leidende gesetzlich versicherte Frauen sollten wissen, dass sie Anspruch auf

…. Erstattung der Kosten für eine (selbst beschaffte) Echthaarperücke haben können und sich nicht mit einer Kunsthaarperücke zufriedengeben müssen.

Mit Gerichtsbescheid vom 14.05.2020 – S 7 KR 1830/18 – hat das Sozialgericht (SG) Mannheim im Fall einer, 

  • nach der Behandlung eines diagnostizierten Mammakarzinoms mit einer Chemotherapie,  

an (vorübergehenden) vollständigen Haarausfall leidenden gesetzlich Krankenversicherten, die

  • bei der Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung und des Kostenvoranschlages eines Perückenstudios für eine Echthaarperücke in Höhe von 1.200 Euro die Übernahme der ihr entstehenden Aufwendungen beantragt hatte und

sich, 

  • nachdem ihr, abzüglich des zu tragenden Eigenanteils, lediglich 385 Euro zur Versorgung mit einer Kunsthaarperücke gewährt worden war,

die Echthaarperücke selbst beschafft hatte, entschieden, dass ihr die gesetzliche Krankenkasse die Kosten 

  • für die selbst beschaffte Echthaarperücke 

erstatten muss.

Dass die gesetzliche Krankenversicherung für die Versorgung der Frau mit einer Echthaarperücke leistungspflichtig ist, hat das SG damit begründet, dass bei Frauen 

  • ein krankheitsbedingter (vorübergehender) totaler Haarausfall 

eine Behinderung im Sinne von § 33 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) darstellt, da eine krankheitsbedingte Kahlköpfigkeit,

  • zwar nicht zum Verlust oder zur Störung einer motorischen oder geistigen Funktion führt, 

es Frauen aber erschwere oder gar unmöglich mache, sich frei und unbefangen unter den Mitmenschen zu bewegen, weil 

  • eine kahlköpfige Frau naturgemäß ständig alle Blicke auf sich ziehe und sie zum Objekt der Neugier werde, 
  • was in der Regel zur Folge habe, dass sie sich aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückziehen und zu vereinsamen drohen, 

damit ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt sei, nur eine Echthaarperücke eine Qualität aufweise, die den Verlust des natürlichen Haupthaares 

  • für unbefangene Beobachtende 

nicht sogleich erkennen lasse und aufgrund dessen dieses Hilfsmittel

  • erforderlich und 
  • wirtschaftlich sei sowie 
  • das Maß des Notwendigen nicht überschreite (Quelle: Pressemitteilung des SG Mannheim). 

An einer Querschnittslähmung leidende gesetzlich Versicherte sollten wissen, dass sie Anspruch haben auf

…. die Versorgung mit einem Exoskelett.

Mit Urteil vom 27.02.2020 – L 5 KR 675/19 – hat das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen im Fall eines,

  • nach einem Verkehrsunfall an einer Querschnittslähmung leidenden,

gesetzlich Versicherten entschieden, dass dieser

  • sich von der Krankenkasse nicht auf die alleinige Versorgung mit einem Aktivrollstuhl und einem Stehrollstuhl verweisen lassen muss, sondern

Anspruch hat auf unmittelbaren Behindertenausgleich nach § 33 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) durch

  • die Versorgung mit einem Exoskelett (Kosten rund 100.000 Euro).

Begründet hat das LSG dies damit, dass es bei einem Querschnittsgelähmten um den Ausgleich der durch den körperlichen Schaden verlorengegangenen Funktion der Beine,

  • die für den Menschen im Wesentlichen aus dem Stehen und Gehen besteht,

gehe und das Exoskelett,

  • auch wenn es im Gegensatz zu einer mechatronischen Prothese wie z.B. dem C-leg kein Körperersatzstück ist, jedoch ebenfalls auf ähnliche Weise

als orthopädisches Hilfsmittel die Funktion der Beine ersetzt, indem es das Stehen sowie das Gehen dadurch ermöglicht, dass der Querschnittsgelähmte

  • es wie eine zweite Hose anlegt,
  • auf der Fernbedienung das Programm „Stehen“ wählt sowie den Aufstehvorgang durch eine Vorwärtsneigung und ein Bewegen der Unterarmgehstützen auslöst und
  • mit der Auswahl „Gehen“ dieses gleichermaßen auslösen kann, das, sobald die Unterarmgehstützen nicht mehr bewegt werden, wieder endet (Quelle: Pressemitteilung des LSG Essen).

Angehörige und Betreuer von geistig Behinderten mit Weglauftendenz sollten wissen, dass die gesetzliche Krankenversicherung

…. verpflichtet sein kann eine GPS-Notfalluhr für den Behinderten zu bezahlen.

Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat mit Urteil vom 17.09.2019 – L 16 KR 182/18 – im Fall eines

  • an einem Down-Syndrom mit geistiger Behinderung und Weglaufneigung leidenden

19-jährigen Mannes,

  • der durch Orientierungslosigkeit selbstgefährdet ist,

entschieden, dass dieser von der gesetzlichen Krankenversicherung die Versorgung mit

  • einer am Handgelenk zu fixierenden GPS-Notfalluhr,
  • die Alarm auslöst sobald ein definierter Aufenthaltsbereich verlassen wird,

verlangen kann.

Begründet hat das LSG dies damit, dass eine am Handgelenk zu fixierende GPS-Notfalluhr mit Alarmfunktion

  • als Hilfsmittel zum mittelbaren Behindertenausgleich nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V)

zu werten sein kann, wenn,

  • unter den gegebenen Umständen,

mit Hilfe der Ortungsfunktion des GPS-Systems eines solchen Gerät

  • eine bestehende Isolation und Freiheitsentziehung des Behinderten durch Wegsperren reduziert

sowie

  • seine Mobilität und Bewegungsfreiheit in einem gewissen Areal eröffnet

und auf diese Weise die

  • – ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betreffenden –

Auswirkungen der Behinderung im gesamten tägliche Leben abgemildert werden können (Quelle: Pressemitteilung des LSG Niedersachsen-Bremen).

Krankenkasse muss gesetzlich Versichertem höhenverstellbaren Arbeits- und Therapiestuhl zahlen, wenn ohne dieses Hilfsmittel

…. das Grundbedürfnis des selbständigen Wohnens nicht gewährleistet ist.

Darauf hat das Sozialgericht (SG) Mannheim mit Bescheid vom 23.02.2018 – S 11 KR 3029/17 – hingewiesen und in einem Fall eines halbseitig Gelähmten,

  • der von der Krankenkasse bereits unter anderem einen Leichtrollstuhl und einem Elektrorollstuhl bekommen hatte,

entschieden,

  • dass dieser auch einen Anspruch gegen die Krankenkasse auf einen höhenverstellbaren Arbeits- und Therapiestuhl hat.

Maßgebend für diese Entscheidung des SG war, dass

  • der halbseitig gelähmte Versicherte sich mit seinem Leichtrollstuhl nicht in der ganzen Wohnung fortbewegen konnte,
  • er auch nur mit dem Therapie- und Arbeitsstuhl in der Lage war, sich aus dem Sitzen in den Stand aufzurichten und
  • er darüber hinaus auch nur mit einem solchen Stuhl selbst Mahlzeiten zubereiten konnte (Quelle: Pressemitteilung des SG Mannheim vom 07.08.2018).

An fortgeschrittener Multipler Sklerose leidende, gesetzlich Krankenversicherte sollten wissen, dass sie Anspruch auf Versorgung mit

…. dem modernen, technisch aufwändige Fußheber-System Ness L 300 als Hilfsmittel haben können.

Darauf hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg am 19.06.2018 – L 11 KR 1996/17 – hingewiesen.

Danach müssen Krankenkassen für MS-Erkrankten, deren Gehfähigkeit stark beeinträchtigt ist, das

  • drahtlos kleine elektrische Impulse an den Wadenbeinnerv sendende, dadurch die Fußheber stimulierende und
  • in Echtzeit die Gehposition, die verschiedenen Gehgeschwindigkeiten sowie Änderungen in der Untergrundbeschaffenheit erfassende,

Fußheber-System Ness L 300 als Hilfsmittel (Kostenpunkt ca. 5.500 Euro + verschiedene Zusatzkosten, wie Einweisung, Anpassung, Software-Update) bezahlen, wenn das System

  • ärztlich verordnet worden ist und
  • für die Gehfähigkeit und Mobilität des Versicherten entscheidende Verbesserungen mit sich bringt.

In einem solchen Fall ist, so das LSG, die Versorgung mit dem Fußheber-System Ness L 300,

  • das nicht der eigentlichen Krankenbehandlung diene,
  • sondern als Hilfsmittel zum unmittelbaren Behinderungsausgleich das Ziel habe, die Gehfähigkeit und Mobilität der Versicherten zu verbessern,

erforderlich sowie gerechtfertigt.

Denn im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs, so das LSG weiter, haben Versicherte

  • nach § 33 Abs. 1 Satz 1 und 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) Anspruch auf einen möglichst weitgehenden Ausgleich des Funktionsdefizits unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts und
  • dürfen nicht auf kostengünstigere, aber weniger wirksame Hilfsmittel verwiesen werden (Quelle: Pressemitteilung des LSG Stuttgart vom 26.06.2018).

Wichtig zu wissen für gesetzlich Versicherte, die eine Beinprothesenversorgung benötigen

Mit Urteil vom 09.11.2017 – L 1 KR 211/15 – hat das Hessische Landessozialgericht (LSG) darauf hingewiesen, dass gesetzlich Versicherte, die eine Beinprothesenversorgung benötigen, Anspruch auf Versorgung

  • mit einem Genium-Kniegelenk
  • anstelle mit einem C-Leg-Beinprothesensystem

haben können, wenn

  • ihnen das kostenaufwändigere Genium-Kniegelenk einen wesentlichen Gebrauchsvorteil im Vergleich zur kostengünstigeren Alternative eines C-Leg-Beinprothesensystem bieten kann,
    • wie insbesondere beim Übersteigen von Hindernissen, beim Stehen auf schrägem Untergrund sowie beim Treppensteigen und Rückwärtsgehen im Wechselschritt,
  • den sie aufgrund ihrer körperlicher und geistigen Voraussetzungen auch tatsächlich nutzen können

und im Fall eines 82-jährigen Versicherten,

  • der nach einem Unfall den Verlust seines linken Unterschenkels im Kniegelenk erlitten hatte und
  • mit dem Genium-Kniegelenk einen höheren Mobilitätsgrad erreichte als dem C-Leg-Beinprothesensystem,

entschieden, dass die Krankenkasse,

  • die der Ansicht war, das Beinprothesensystem (C-Leg) für 28.000 Euro sei ausreichend,

ihm das knapp 46.000 Euro teure Genium-Kniegelenk zahlen muss.

Begründet hat das LSG dies damit, dass der Anspruch auf Hilfsmittel zum unmittelbaren Behinderungsausgleich – wenn also das Hilfsmittel dem unmittelbaren Ersatz des fehlenden Körperteils und dessen ausgefallener Funktion dient – bei Prothesen grundsätzlich jede Innovation umfasst, die dem Versicherten in seinem Alltagsleben deutliche Gebrauchsvorteile bietet (Quelle: JURIS Das Rechtsportal, Aktuelles juris Nachrichten).

BGH entscheidet wann private Krankenversicherungen die Kosten einer Lasik-Operation an den Augen erstatten müssen

Mit Urteil vom 29.03.2017 – IV ZR 533/15 – hat der u.a. für das Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden, dass

  • eine Fehlsichtigkeit auf beiden Augen von -3 bzw. -2,75 Dioptrien
  • eine Krankheit im Sinne von § 1 Abs. 2 der Musterbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung darstellt und

der private Krankenversicherer deshalb bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen auch die Kosten einer Lasik-Operation zur Beseitigung dieser Fehlsichtigkeit tragen muss.

Da es in § 1 Abs. 2 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen heißt

  • „Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen (…)“

und nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers

  • zum Normalzustand der Sehfähigkeit ein beschwerdefreies Lesen und eine gefahrenfreie Teilnahme am Straßenverkehr gehören,

ist, so der Senat, eine Krankheit im Sinne der Versicherungsbedingungen dann anzunehmen, wenn

  • bei einem Versicherungsnehmer eine nicht nur ganz geringfügige Beeinträchtigung dieser körperlichen Normalfunktion vorliegt,
  • die ohne medizinisch indizierte Korrektur ein beschwerdefreies Sehen nicht ermöglicht.

Auch könne, so der Senat weiter, die medizinische Notwendigkeit einer Lasik-Operation nicht allein wegen der Üblichkeit des Tragens einer Brille oder von Kontaktlinsen verneint werden,

  • wenn der Versicherungsnehmer in den vereinbarten Versicherungsbedingungen nicht deutlich darauf hingewiesen wird,
  • dass die Erstattungsfähigkeit der Kosten einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung grundsätzlich davon abhängen soll,
    • ob er (dauerhaft) auf ein Hilfsmittel, wie Brille oder Kontaktlinsen zurückgreifen kann,
    • das den bei ihm bestehenden anormalen Körperzustand auszugleichen oder abzuschwächen geeignet ist, ohne am eigentlichen Leiden etwas zu ändern (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 30.03.2017 – Nr. 45/2017 –).