Tag Immissionen

BGH entscheidet: Wer bei Anpflanzungen auf seinem Grundstück den Grenzabstand einhält ist für natürliche Immissionen

…. auf dem Nachbargrundstück, wie auf dieses herüberwehende Pollen, Blätter usw., jedenfalls dann nicht verantwortlich, wenn kein Überhang vorliegt.

Mit Urteil vom 20.09.2019 – V ZR 218/18 – hat der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden, dass ein Grundstückseigentümer von seinem Nachbarn in aller Regel weder die Beseitigung von Bäumen

  • wegen der von ihnen ausgehenden natürlichen Immissionen auf sein Grundstück,
    • wie etwa auf sein Grundstück herübergewehte Samen, Früchte, leere Zapfen, Blätter usw.,

noch hierfür eine Entschädigung verlangen kann, wenn

  • auf dem Grundstück des Nachbarn die für die Anpflanzung bestehenden landesrechtlichen Abstandsregelungen eingehalten worden sind und
  • kein Überhang nach § 910 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vorliegt.

Begründet hat der Senat dies damit, dass, wenn sich die Nutzung des Grundstücks,

  • von dem die Beeinträchtigungen ausgehen,

im Rahmen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung hält,

  • wovon auszugehen ist, wenn die für die Anpflanzung bestehenden landesrechtlichen Abstandsregelungen eingehalten sind,

der Eigentümer des Grundstücks für natürliche Immissionen auf dem Nachbargrundstück und Beeinträchtigungen dadurch,

  • zu denen es trotz Einhaltung der Abstandsgrenzen kommt,

regelmäßig nicht verantwortlich ist und damit auch

  • weder auf Beseitigung nach § 1004 Abs. 1 BGB,
  • noch auf Zahlung eines angemessenen Ausgleichs gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB in unmittelbarer oder in entsprechender Anwendung

in Anspruch genommen werden kann (Quelle: Pressemitteilung des BGH).

Können Anwohner die Beseitigung eines Altglassammelbehälters verlangen?

Ist in einem „Wohngebiet“ ein Altglassammelbehälter

  • in einem Abstand von weniger als 6 m zu einem Wohnhaus aufgestellt und
  • sind dessen Bewohner dadurch einer unzumutbaren Lärmbelastung ausgesetzt,

können sie die Beseitigung des Altglassammelbehälters verlangen.

Anspruchsgrundlage für ein solches Begehren ist der öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch.
Danach kann jemand, der durch schlichtes öffentlich-rechtliches Handeln der Verwaltung in seinen Rechten verletzt wird, fordern, dass diese die andauernden Folgen ihres rechtswidrigen Vorgehens rückgängig macht. Dieser Anspruch auf Folgenbeseitigung ergänzt den allgemeinen Anspruch auf Unterlassung rechtswidrigen hoheitlichen Handelns. Die Ansprüche finden ihre Grundlage in den Grundrechten und dem rechtsstaatlichen Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 29.07.2015 – 6 C 35.14 –).

Maßstab für die Beurteilung der Lärmwirkung ist § 22 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (BImSchG).
Nach dieser Vorschrift sind nicht genehmigungsbedürftige Anlagen – wie Altglassammelbehälter (vgl. nur Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), Beschluss vom 27.10.1993 – 26 CE 92.2699 –; HessVGH, Urteil vom 24.08.1999 – 2 UE 2287/96 –; Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.06.2010 – 8 A 10357/10 –) – so zu errichten und zu betreiben, dass

  • schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind,
  • nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden und
  • die beim Betrieb der Anlagen entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden.

Schädliche Umwelteinwirkungen sind gemäß § 3 Abs. 1 BImSchG Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind,

  • Gefahren,
  • erhebliche Nachteile oder
  • erhebliche Belästigungen

für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen.

Ob eine Belästigung als erheblich anzusehen ist,

  • kann dabei nicht allein anhand der Vorgaben technischer Regelwerke beurteilt werden.
  • Abzustellen ist vielmehr auch auf die soziale Adäquanz einer Lärmeinwirkung.

Bestimmte Verhaltensweisen oder Zustände, die sich im sozialen Zusammenleben ergeben und die sich möglicherweise für den Einzelnen sogar nachteilig auswirken, werden nämlich von der Bevölkerung insgesamt hingenommen, weil sich die Verhaltensweisen oder Zustände noch in den Grenzen des als sozial Üblichen oder Tolerierbaren halten.

  • Altglassammelcontainer sind grundsätzlich innerhalb von Wohngebieten als sozial adäquat und damit als nicht erheblich störend anzusehen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.06.2010 – 8 A 10357/10 –).

Ein Standort eines Altglassammelbehälters erweist sich demzufolge nur dann als unzulässig, wenn besondere Umstände hinzutreten, die die Belastung über das Maß hinaus ansteigen lassen, das typischerweise zugemutet wird.

Solche Umstände können vorliegen, wenn bei der Bestimmung geeigneter Stellplätze für Altglassammelbehälter der Geräuschklasse I/ZU 21 in Wohngebieten der vom Umweltbundesamt empfohlene Mindestabstand von 12 m zum Immissionsort (vgl. nur OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.06.2010 – 8 A 10357/10 –) deutlich unterschritten wird.

Darauf hat der VGH Baden-Württemberg mit Beschluss vom 07.07.2016 – 10 S 579/16 – hingewiesen.