Tag Interessen

EuGH entscheidet wann Rufbereitschaft zu Hause Arbeitszeit ist

Mit Urteil vom 21.02.2018 hat die Fünfte Kammer des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in der Rechtssache C-518/15 entschieden, dass die Bereitschaftszeit,

  • die ein Arbeitnehmer zu Hause verbringen muss und
  • während deren er der Verpflichtung unterliegt, einem Ruf des Arbeitgebers zum Einsatz innerhalb so kurzer Zeit Folge zu leisten, dass dadurch die Möglichkeit, anderen Tätigkeiten nachzugehen bzw. sich seinen persönlichen und sozialen Interessen zu widmen, erheblich eingeschränkt ist,

als Arbeitszeit im Sinne des Art. 2 Nr. 1 der EU-Richtlinie 2003/88/EG anzusehen ist.

Für die Einordnung als „Arbeitszeit“ im Sinne der Richtlinie ist danach entscheidend, dass

  • sich ein Arbeitnehmer an einem von seinem Arbeitgeber bestimmten Ort – wobei es sich auch um den Wohnsitz des Arbeitgebers handeln kann – persönlich aufhalten

und

  • für den Arbeitgeber nicht nur erreichbar sein,
  • sondern dem Arbeitgeber auch so zur Verfügung stehen muss, dass er
    • sofort bzw. in so kurzer Zeit – in dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall war es innerhalb von acht Minuten – dem Ruf des Arbeitsgebers Folge leisten sowie
    • die geeigneten Leistungen erbringen kann und
    • aufgrund dessen die Möglichkeiten des Arbeitnehmer, sich während der Rufbereitschaft seinen persönlichen und sozialen Interessen zu widmen, objektiv eingeschränkt sind (Quelle: Pressemitteilung des EuGH Nr. 14/2018 vom 21.02.2018).

Betreiber von Online-Portalen können schnell in Konflikt mit dem Bundesdatenschutzgesetz kommen

… und sollten sich deshalb bei der Ausgestaltung des Portals von einem Rechtsanwalt beraten lassen, am Besten einem Anwalt der gleichzeitig die Qualifikation „Fachanwalt für IT-Recht“ hat.

Beispielsweise verstößt, wer im Internet ein Online-Portal betreibt,

  • mit dem das Fahrverhalten von Verkehrsteilnehmern und -teilnehmerinnen unter Angabe des Kfz-Kennzeichens im Wesentlichen anhand eines Ampelschemas (grün = positiv, gelb = neutral, rot = negativ) bewertet werden kann,

dann gegen das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), wenn

  • die abgegebenen Bewertungen von jedermann ohne Registrierung eingesehen werden können.

Darauf hat der 16. Senat des Oberverwaltungsgerichts (OVG) für das Land Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 19.10.2017 – 16 A 770/17 – hingewiesen und

  • wegen der nach § 29 BDSG datenschutzrechtlich unzulässigen Ausgestaltung des Fahrerbewertungsportals,

dem Betreiber aufgegeben, die Plattform so umzugestalten,

  • dass nur noch der jeweilige Halter oder die jeweilige Halterin eines Fahrzeugs die dafür abgegebenen Bewertungen einsehen kann und
  • sich zu diesem Zweck zuvor registrieren muss.

Denn, so der Senat,

  • da die zu einzelnen Kfz-Kennzeichen abgegebenen und gespeicherten Bewertungen personenbezogene Daten im Sinne von § 3 Abs. 1 BDSG seien und
  • an einer unbegrenzten öffentlichen Einsehbarkeit der vollständig anonymen Bewertungen von in der Regel privat motiviertem Verhalten hier keine gewichtigen Interessen bestehen,

überwiege im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung

Wichtig zu wissen für Wohnungsvermieter und Mieter wenn Streit über die Zulässigkeit des Haltens von Tieren besteht

Eine in einem vom Vermieter gestellten Wohnungsmietvertrag enthaltene und nicht individuell ausgehandelte (also nie zur Disposition gestandene) Klausel, wonach

  • „Tierhaltung nicht gestattet ist“

ist wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unwirksam.

Darauf haben das Amtsgericht (AG) Nürnberg mit Urteil vom 18.11.2016 – 30 C 5357/16 – und das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth mit Beschluss vom 16.03.2017 – 7 S 8871/16 – hingewiesen.

Begründet worden ist das von den beiden Gerichten damit, dass es sich bei einer solchen Klausel,

  • wenn sie nicht individuell zwischen den Mietvertragsparteien ausgehandelt worden ist, was mehr als Verhandeln voraussetzt,

um eine der Inhaltskontrolle unterliegende Allgemeine Geschäftsbedingung handelt, die mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung deshalb nicht vereinbar ist, weil die Frage,

  • ob das Halten von Tieren im Rahmen der dem Vermieter gemäß § 535 BGB obliegenden Gebrauchsgewährungspflicht zulässig ist oder nicht,

im jeweiligen Einzelfall zu klären sei,

Was Vermieter und Mieter wissen sollten, wenn dem Mieter ordentlich gekündigt worden ist

Wird ein Wohnraummietverhältnis von dem Vermieter berechtigt ordentlich gekündigt, kann der Mieter nach § 574 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

  • der Kündigung widersprechen und
  • die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen,

wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für ihn

  • eine Härte bedeuten würde,
  • die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist,

wobei sich allerdings, um als tauglicher Härtegrund in Betracht zu kommen,

  • die Konsequenzen, die für den Mieter mit einem Umzug verbunden wären, deutlich von den mit einem Wohnungswechsel typischerweise verbundenen Unannehmlichkeiten abheben müssen.

Ist vom Mieter ein tauglicher Härtegrund vorgebracht worden,

  • darf das Gericht sich im Räumungsprozess nicht darauf beschränken, das Vorbringen des Mieters zu den Härtegründen formal als wahr zu unterstellen und anschließend zu dem Ergebnis zu gelangen, dass diese Härten keinesfalls Vorrang gegenüber den Interessen der Vermieterseite verdienen,

sondern muss sich das Gericht inhaltlich mit der in dem Mietervortrag zum Ausdruck kommenden existenziellen Bedeutung der Beibehaltung der bisherigen Wohnung in der gebotenen Weise auseinanderzusetzen,

  • weil erst dann das Gericht in der Lage ist, die Konsequenzen, die für den Mieter mit dem Umzug verbunden sind, im Rahmen der nach § 574 Abs. 1 BGB notwendigen Abwägung sachgerecht zu gew

Das bedeutet, macht ein Mieter für den Fall eines erzwungenen Wohnungswechsels schwerwiegende gesundheitliche Auswirkungen geltend, muss sich das Gericht

  • bei Fehlen eigener Sachkunde mittels sachverständiger Hilfe

ein genaues und nicht nur an der Oberfläche haftendes Bild davon verschaffen,

  • welche gesundheitlichen Folgen im Einzelnen für den Mieter mit einem Umzug verbunden sind,
  • insbesondere welchen Schweregrad zu erwartende Gesundheitsbeeinträchtigungen erreichen können und
  • mit welcher Wahrscheinlichkeit dies eintreten kann.

Darauf hat der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 15.03.2017 – VIII ZR 270/15 – hingewiesen (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 15.03.2017 – Nr. 36/2017 –).