Tag Interessen

OLG Oldenburg entscheidet, wann ein Pflegeheim einen Heimvertrag wegen Verhaltens des Bewohners kündigen kann

…. und wann nicht.

Mit Urteil vom 28.05.2020 – 1 U 156/19 – hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg in einem Fall, in dem der Träger eines Pflegeheims den mit einer Seniorin, 

  • die 2015 in die Demenzabteilung des Heimes gezogen war,

geschlossenen Pflegeheimvertrag, 

  • nachdem die Seniorin sich seit einem Krankenhausaufenthalt und der medikamentösen Neueinstellung dort viel unruhiger als zuvor zeigte,

mit der Begründung gekündigt hatte, dass

  • die Seniorin ständig umherlaufe, in die Zimmer anderer Bewohner gehe, dort Türen und Fenster öffne und bei der Intimpflege zuschaue, dadurch den Heimfrieden erheblich störe und 
  • sie eine Gefahr für sich und andere darstelle, weil sie aggressiv sei, die Pflegekräfte boxe, ihnen und anderen Bewohnern das Bein stelle sowie sie mit dem Rollator anfahre und sie außerdem nicht mehr richtig esse und trinke,

die Räumungsklage des Heimträgers gegen die Seniorin,

  • wegen Unwirksamkeit der Kündigung,

abgewiesen.

Danach war, wie der Senat ausgeführt hat,

  • da ein Heimvertrag von Seiten des Heimes nur aus wichtigem Grund gekündigt werden kann (vgl. § 12 Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG)), wenn dem Heim ein Festhalten am Vertrag nicht zumutbar ist,

abzuwägen,

  • die Interessen des alten Menschen, einen Umzug und die damit verbundenen Schwierigkeiten zu vermeiden und 
  • die Interessen des Heimes, sich von dem Vertrag zu lösen 

und habe diese Abwägung, unter Berücksichtigung, dass 

  • dem Heim die Demenzerkrankung der alten Dame bereits bei deren Einzug bekannt gewesen sei,
  • gewisse Verhaltensauffälligkeiten daher hinzunehmen seien, 
  • es vorliegend zu Sach- oder gar Körperschäden nicht gekommen und
  • auch Maßnahmen, die Seniorin von dem geschilderten Verhalten abzuhalten, von dem Heim noch nicht ergriffen worden waren,

ergeben, dass sich das behauptete Verhalten der alten Dame 

  • in einem Rahmen bewege, 

der von dem Betreiber eines Pflegeheims 

  • von Bewohnern einer Demenzabteilung 

noch hingenommen werden müsse (Quelle: Pressemitteilung des OLG Oldenburg). 

Übrigens:
Hingewiesen wird auch auf unsere Blogs, 

IT-Mitarbeiter sollten wissen, dass ihnen, wenn sie ihren Datenzugriff missbrauchen, eine fristlose Kündigung drohen kann

Mit Urteil vom 15.01.2020 – 3 Ca 1793/19 – hat das Arbeitsgericht (ArbG) Siegburg darauf hingewiesen, dass ein IT-Mitarbeiter verpflichtet ist,

  • sensible Kundendaten zu schützen,
  • er diese nicht zu anderen Zwecken, wie dem Aufdecken vermeintlicher Sicherheitslücken, missbrauchen darf

und dass ein Verstoß gegen diese Pflichten

  • in der Regel eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber rechtfertigt.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall, in dem eine Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mit dem bei ihr als SAP-Berater tätigen Kläger fristlos gekündigt hatte, weil der Kläger

  • vom Rechner eines Spielcasinos aus Kopfschmerztabletten für zwei Vorstandsmitglieder einer Kundin seiner Arbeitgeberin bestellt,
  • dabei zwecks Zahlung per Lastschrift auf zuvor von einem verschlüsselten Rechner der Kundin auf einen privaten Memory-Stick heruntergeladene Namen, Anschriften und Bankverbindungsdaten von Kunden der Kundin zurückgegriffen und
  • anschließend den Vorstandsmitgliedern dieser Kundin die Anmerkung hatte zukommen lassen, dass sie aufgrund der Bestellung sehen können, wie einfach Datenmissbrauch sei, was bei ihnen zu Kopfschmerzen führen müsste, gegen die die bestellten Kopfschmerztabletten durchaus helfen könnten,

hat das ArbG

  • die vom Kläger gegen die Kündigung erhobene Kündigungsschutzklage abgewiesen
  • und entschieden, dass die fristlose Kündigung gerechtfertigt ist.

Begründet hat das ArbG dies damit, dass der Kläger,

  • da Kunden seiner Arbeitgeberin von dieser und ihren Mitarbeitern erwarten dürfen, dass ihre Daten geschützt und
  • darauf nicht unter Ausnutzung einer Sicherheitslücke missbräuchlich zugegriffen werden,

durch sein Vorgehen das Vertrauen einer Kundin in seine Arbeitgeberin und deren Mitarbeiter

  • nicht nur massiv gestört,
  • sondern die Kundenbeziehung auch massiv gefährdet

und damit gegen seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen seiner Arbeitgeberin eklatant verstoßen hat (Quelle: Pressemitteilung der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen).

Wer eine Versicherung abschließt, sollte nicht nur die Versicherungsbedingungen genau lesen, sondern auch

…. wissen, wie Versicherungsbedingungen auszulegen, d.h. zu verstehen sind.

Auszulegen sind Allgemeine Versicherungsbedingungen so, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei

  • verständiger Würdigung,
  • aufmerksamer Durchsicht und
  • unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs

versteht.

Dabei kommt es

  • auf die Verständnismöglichkeiten und
  • auch auf die Interessen

eines Versicherungsnehmers

  • ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse

an, wobei Klauseln, die den Versicherungsschutz ausschließen (Ausschlussklauseln), da

  • das Versicherteninteresse in der Regel dahin geht, dass der Versicherungsschutz nicht weiter verkürzt wird, als der erkennbare Zweck einer Klausel dies gebietet und
  • der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht mit Lücken im Versicherungsschutz zu rechnen braucht, ohne dass die Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht,

eng und nicht weiter auszulegen sind, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert.

Auszugehen bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen ist

  • in erster Linie stets vom Bedingungswortlaut.

Zusätzlich sind,

  • soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind,

zu berücksichtigen,

  • der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck sowie
  • der Sinnzusammenhang der Klauseln.

Eine Ausnahme erfährt dieser Grundsatz nur dann, wenn

  • die Rechtssprache

mit dem verwendeten Ausdruck eindeutig

  • einen fest umrissenen Begriff begrifflich festgelegten Inhalt

verbindet.

In diesen Fällen ist im Zweifel anzunehmen, dass auch die Allgemeinen Versicherungsbedingungen darunter nichts anderes verstehen wollen, außer

Nachdem es über die Auslegung der Versicherungsbedingungen zwischen Versicherungsnehmern und Versicherern häufig zum Streit kommt, ist es empfehlenswert sich frühzeitig von einem Rechtsanwalt, insbesondere einem Anwalt der gleichzeitig die Qualifikation „Fachanwalt für Versicherungsrecht“ hat, beraten zu lassen.

ArbG Aachen entscheidet: Arbeitgeber können aus Hygienegründen das Tragen von künstlichen lackierten Finger- oder

…. Gelnägeln während der Arbeit untersagen.

Mit Urteil vom 21.02.2019 – 1 Ca 1909/18 – hat das Arbeitsgericht (ArbG) Aachen in einem Fall, in dem ein Betreiber eines Altenheims einer bei ihm angestellten Helferin im sozialen Dienst,

  • aus Gründen der Hygiene zum Schutz der Bewohner,

das Tragen von langen, künstlichen, lackierten Finger- oder Gelnägelnim Dienst untersagt hatte

  • und die Helferin, weil sie darin eine Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts sah, damit nicht einverstanden war,

entschieden, dass das Verbot rechtmäßig ist (§ 106 S. 2 Gewerbeordnung (GewO), § 315 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)).

Bei Abwägung der widerstreitenden Interessen sowie unter Berücksichtigung, dass

  • Nagellack die Sichtbeurteilung der Nägel behindert,
  • auf künstlichen Nägeln die Bakteriendichte höher ist,
  • durch sie der Erfolg der Händehygiene beeinträchtigt sowie
  • die Perforationsgefahr für Einmalhandschuhe erhöht wird

und deswegen vom Robert Koch Institut aus Hygienegesichtspunkten empfohlen wird, dass

  • in Kliniken, Praxen, Pflegeeinrichtungen und anderen medizinischen Arbeitsbereichen ausschließlich natürliche und kurz geschnittene Fingernägel getragen werden sollten,

durfte der Arbeitgeber danach

  • dem Interesse des Arbeitgebers, die Gesundheit und das körperliche Wohlbefinden der ihm anvertrauten Bewohner bestmöglich zu schützen,

Vorrang einräumen

  • vor dem Interesse der beschäftigten Helferin an der freien Gestaltung ihres äußeren Erscheinungsbildes (Quelle: Pressemitteilung des ArbG Aachen vom 18.06.2019).

Wichtig zu wissen für Arbeitnehmer in deren Arbeitsvertrag bestimmt ist, dass sie Nebentätigkeiten nur mit

…. Genehmigung des Arbeitgebers ausüben dürfen.

Mit Urteil vom 24.08.2018 – 4 Ca 3038/18 – hat das Arbeitsgericht (ArbG) Düsseldorf darauf hingewiesen, dass Arbeitsvertragsklauseln,

  • die vorsehen, dass Arbeitnehmer nur mit Genehmigung des Arbeitgebers eine Nebentätigkeit ausüben dürfen,

wirksam sind,

  • da durch die Aufnahme der Nebentätigkeit Interessen des Arbeitgebers betroffen sein können.

Arbeitnehmer, deren Arbeitsvertrag einen solchen Erlaubnisvorbehalt vorsieht, müssen deshalb, wenn sie eine Nebentätigkeit aufnehmen möchten,

  • sich vor der Aufnahme der Nebentätigkeit um die Einwilligung ihres Arbeitgebers bemühen und
  • falls dieser die Einwilligung verweigert, den Klageweg beschreiten, mit dem Ziel den Arbeitgeber zur Erteilung der Einwilligung zu verpflichten.

Sehen Arbeitnehmer hiervon ab und wird ihnen, wegen Aufnahme einer Nebentätigkeit,

  • ohne zuvor die Einwilligung ihres Arbeitgebers eingeholt zu haben,
  • obwohl der Arbeitsvertrag einen solchen Erlaubnisvorbehalt vorsieht,

eine Abmahnung erteilt, hat eine Klage

  • auf Entfernung der erteilten Abmahnung

keinen Erfolg

BGH entscheidet: Ob Dashcam-Aufnahmen im Unfallhaftpflichtprozess als Beweismittel verwertbar sind, hängt

…. sofern nicht nur eine kurze, anlassbezogene Aufzeichnung unmittelbar des Unfallgeschehens erfolgt ist,

  • wie beispielsweise durch ein dauerndes Überschreiben der Aufzeichnungen in kurzen Abständen und Auslösen der dauerhaften Speicherung erst bei Kollision oder starker Verzögerung des Fahrzeuges,

sondern permanent und anlasslos das gesamte Geschehen auf und entlang der Fahrstrecke aufgezeichnet wird, davon ab, ob die vorzunehmende Abwägung im jeweiligen Einzelfall zwischen

  • dem Interesse des Beweisführers an der Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche, seinem im Grundgesetz verankerten Anspruch auf rechtliches Gehör in Verbindung mit dem Interesse an einer funktionierenden Zivilrechtspflege einerseits und
  • dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Beweisgegners in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung und ggf. als Recht am eigenen Bild andererseits,

ergibt, dass die Interessen des Beweisführers überwiegen.

Das hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 15.05.2018 – VI ZR 233/17 – entschieden.

Begründet hat der Senat dies damit,

  • dass eine permanente und anlasslose Aufzeichnung des gesamten Geschehens auf und entlang einer Fahrstrecke mittels einer Dashcam nach den geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen unzulässig ist, weil sie,
    • wegen fehlender Einwilligung der Betroffenen gegen § 4 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) verstößt und
    • nicht auf § 6b Abs. 1 BDSG oder § 28 Abs. 1 BDSG gestützt werden kann,
  • dass aber eine unzulässige und rechtswidrige Beweiserhebung im Zivilprozess nicht automatisch zu einem Beweisverwertungsverbot führt, sondern über die Frage der Verwertbarkeit aufgrund einer Interessen- und Güterabwägung nach den jeweils im Einzelfall gegebenen Umständen zu entscheiden ist.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall, in dem

  • die Beteiligten darüber stritten, wer von beiden seine Spur verlassen und die Kollision herbeigeführt hat,
  • der vom Gericht zugezogene Sachverständige aus technischer Sicht die Schilderungen beider Parteien zum Unfallhergang prinzipiell für möglich erachtet hatte und
  • die Fahrt vor der Kollision und die Kollision von einer im Fahrzeug des Klägers angebrachten Dashcam aufgezeichnet worden waren,

erachtete der Senat, nach Abwägung der beidseitigen Interessen,

  • bei der u.a. auch die Beweisnot berücksichtigt wurde, in der sich der Kläger befand, dass lediglich Vorgänge auf öffentlichen Straßen aufgezeichnet wurden, die grundsätzlich für jedermann wahrnehmbar waren sowie, dass das Gesetz den Beweisinteressen eines Unfallgeschädigten durch die Regelung des § 142 Strafgesetzbuch (StGB – Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort) ein besonderes Gewicht zugewiesen hat,

die Videoaufzeichnung als Beweismittel für verwertbar (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 15.05.2018).

Ist in einem (einheitlichen) Mietvertrag zusammen mit einer Wohnung (auch) eine Garage vermietet, ist eine Teilkündigung

…. des Mietverhältnisses durch den Vermieter, beispielsweise nur hinsichtlich der Garage, grundsätzlich nicht, sondern nur ausnahmsweise dann zulässig, wenn

  • die Teilkündigung dem Interesse des Vermieters entspricht

und

  • die Interessen des Mieters nicht unzumutbar beeinträchtigt werden oder
  • sich die Weigerung des Mieters ein gleichwertiges Ersatzobjekt zu akzeptieren, als Schikane zum Nachteil des Vermieters und damit als treuwidrig im Sinne des § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erweist.

Darauf hat das Landgericht (LG) Bamberg mit Urteil vom 06.10.2017 – 3 S 56/16 – hingewiesen.

Begründet hat das LG dies damit, dass,

  • wenn ein Vermieter davon absieht, mit dem Mieter zwei separate, unabhängige Mietverträge abzuschließen,
  • sondern er dem Mieter in einem einheitlichem Mietvertrag eine Wohnung zusammen mit einer Garage vermietet,

die Interessen des Mieters am Fortbestand des einheitlichen Mietvertrages, betreffend die beiden Mietobjekte mit allen vertraglichen Regelungen, in aller Regel deswegen überwiegen, weil in einem solchen Fall

  • der Mieter grundsätzlich den Gesamtentschluss getroffen hat, die Wohnung zusammen mit der Garage anzumieten und
  • es durchaus sein kann, dass er die Wohnung ohne die Garage nicht angemietet hätte.

Übrigens:
Liegt ein Fall vor, in dem ausnahmsweise eine Teilkündigung zulässig ist, müssen vom Vermieter nach § 573 Abs. 3 BGB die Gründe für sein berechtigtes Interesse an der Kündigung im Kündigungsschreiben angegeben werden.