Tag Kindertagespflege

Was Eltern, die für ihr Kind einen Betreuungsplatz in einer Kita mit erweiterten Öffnungszeiten benötigen, wissen sollten

Mit Beschluss vom 05.02.2020 – 12 B 1324/19 – hat der 12. Senat des Oberverwaltungsgerichts (OVG) für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster entschieden, dass Kinder im Alter von einem Jahr bis drei Jahren, die

  • wegen der Arbeitszeit ihrer Eltern

auf einen Betreuungsplatz

  • mit Betreuungszeiten bis mindestens 18:00 Uhr angewiesen sind,

aber,

  • weil in der einzigen wohnortnahen Kindertageseinrichtung mit entsprechenden Öffnungszeiten kein Platz mehr Verfügung steht,

auf eine andere Tageseinrichtung mit Betreuungszeiten lediglich bis 16:30 Uhr verwiesen werden, weder Anspruch haben darauf,

  • dass die Kapazität der Tageseinrichtung mit den Öffnungszeiten bis 18:00 Uhr erhöht wird,

noch darauf,

  • dass das Betreuungsangebot der zugewiesenen Kindertageseinrichtung von 16.30 Uhr auf 18.00 Uhr ausgeweitet wird.

Dies hat der Senat damit begründet, dass der Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung,

  • auch wenn diesem im Grundsatz nicht entgegengehalten werden könne, dass die Kapazitäten erschöpft seien,

nicht beinhalte,

  • dass die Öffnungszeiten an die jeweiligen individuellen Bedürfnisse angepasst werden müssen,

sondern lediglich,

  • dass von dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe ein auf den Gesamtbedarf beschränktes Angebot von Betreuungsplätzen vorzuhalten sei.

Wichtig zu wissen für Eltern in diesem Zusammenhang ist aber auch Folgendes, das ihnen möglicherweise helfen könnte:
Der Senat erachtet es nämlich nicht für ausgeschlossen, dass

  • zur Abdeckung eines individuellen Bedarfs und
  • zur Betreuung des Kindes in Randzeiten,

Eltern

  • neben einer Kita

auch (zusätzlich) die Kindertagespflege in Anspruch nehmen können,

  • die als Form der frühkindlichen Förderung nach der gesetzlichen Konzeption gleichrangig neben der Kindertagespflege steht (Quelle: Pressemitteilung des OLG Celle).

Eltern, die einen Kita-Platz suchen, sollten wissen, dass für einjährige Kinder Kita-Plätze nach dem jeweiligen

…. konkreten zeitlichem Betreuungsbedarf der Eltern zur Verfügung gestellt bzw. geschaffen werden müssen.

Mit Beschluss vom 31.07.2018 – 8 L 700/18 – hat die 8. Kammer des Verwaltungsgerichts (VG) Aachen entschieden, dass einjährige Kinder Anspruch auf einen Kita-Platz haben,

  • dessen Umfang sich an dem zeitlichen Betreuungsbedarf der Eltern orientiert,

was bedeutet, dass,

  • wenn Eltern beispielsweise nachweisen, aufgrund ihrer Arbeits- und Wegezeiten eine werktägliche Betreuung in der Zeit von 8:00 bis 17:00 Uhr zu bedürfen,

der zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe verpflichtet ist,

  • für das Kind nach diesem zeitlichen Betreuungsbedarf der Eltern einen Betreuungsplatz in einer Kindertageseinrichtung einzurichten und
  • diesen Anforderungen eine von der Stadt wochentags zur Verfügung gestellte Betreuung in der Kindertageseinrichtung in der Zeit von 7:30 bis 16:30 Uhr nicht genügt.

Denn, so die Kammer, der einklagbare Anspruch gegen den Träger der öffentlichen Jugendhilfe auf frühkindliche Förderung in einer Kindertageseinrichtung oder der Kindertagespflege nach § 24 Abs. 2 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII),

  • der Kindern in der Zeit zwischen Vollendung des ersten bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres zustehe,

stehe nicht unter einem Kapazitätsvorbehalt, d.h. der Träger der öffentlichen Jugendhilfe hat dafür Sorge zu tragen, dass

  • eine am konkreten Bedarf ausgerichtete ausreichende Anzahl an Betreuungsplätzen geschaffen oder durch geeignete Dritte (etwa freie Träger der Jugendhilfe oder Tagespflegepersonen) bereitgestellt werden und
  • dabei sichergestellt ist, dass in zeitlicher Hinsicht – beispielsweise durch Veränderung oder Streckung der Öffnungszeiten – dem individuellen Betreuungsbedarf des Kindes und seiner Erziehungsberechtigten entsprochen wird.

Übrigens:
Haben Erziehungsberechtigte für ihr einjähriges Kind primär als Betreuungsform die Kindertagesstätte gewählt, darf der Träger der öffentlichen Jugendhilfe auf eine Betreuung in der Kindertagespflege (etwa durch eine Tagesmutter) erst dann verweisen, wenn er nachgewiesen hat, dass die Kapazität in der primär gewählten Betreuungsform erschöpft ist (Quelle: Pressemitteilung des VG Aachen vom 01.08.2018).

Kindern darf ein Kita-Platz in angemessener Nähe zur Wohnung nicht verweigert werden, auch nicht

…. wegen erschöpfter Kapazitäten infolge von Fachkräftemangel.

Darauf hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hingewiesen und am 22.03.2018 – OVG 6 S 2.18 sowie OVG 6 S 6.18 – in zwei Eilverfahren das Land Berlin verpflichtet, zwei Kindern,

  • die das erste, aber noch nicht das dritte Lebensjahr vollendet hatten und
  • deren Anträge auf Zuweisung eines Platzes zur frühkindlichen Förderung in einer Tageseinrichtungen oder Kindertagespflege mit der Begründung abgelehnt worden waren, dass in den betreffenden Bezirken Pankow und Friedrichshain-Kreuzberg die Kapazitäten erschöpft seien,

jeweils einen Betreuungsplatz in angemessener Entfernung zu ihrer Wohnung, binnen fünf Wochen, nachzuweisen.

Der gesetzliche Anspruch eines Kindes nach § 24 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege

  • besteht danach nicht nur im Rahmen vorhandener Kapazitäten, sondern

verpflichtet nach Auffassung des OLG auch dazu,

  • die erforderlichen Kapazitäten zu schaffen und
  • Kindern, die eine frühkindliche Betreuung in Anspruch nehmen möchten, einen dem individuellen Bedarf gerecht werdenden Betreuungsplatz in angemessener Nähe zur Wohnung anzubieten,
    • wobei ein Betreuungsplatz sich dann nicht in angemessener Nähe zur Wohnung befindet, wenn er

Was Eltern wissen sollten, wenn der Anspruch ihrer Kinder auf Förderung in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege (Kitaplatz)

…. nicht erfüllt wird.

Mit Beschluss vom 21.02.2018 – 18 L 43.18 – hat die 18. Kammer des Verwaltungsgerichts (VG) Berlin darauf hingewiesen,

  • dass die zuständigen Träger der Jugendhilfe grundsätzlich sicherstellen müssen, dass für jedes Kind, das einen Rechtsanspruch nach § 24 des Achten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VIII) Anspruch auf Förderung in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege besitzt und für das ein entsprechender Bedarf geltend gemacht wird, auch tatsächlich ein Platz zur Verfügung steht

und

Wichtig zu wissen für Eltern die einen Betreuungsplatz für ihr unter dreijähriges Kind suchen

Mit Beschluss vom 20.07.2017 – 6 L 1177/17 – hat das Verwaltungsgericht (VG) Münster im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes angeordnet, dass die Stadt Münster einem im Februar 2016 geborenen und im Innenstadtbereich Münster wohnenden Kind

  • einen Betreuungsplatz zur frühkindlichen Förderung mit dem Betreuungsumfang von 45 Stunden wöchentlich in einer Kindertageseinrichtung,
  • die in nicht mehr als 15 Minuten von der elterlichen Wohnung erreichbar ist.

zur Verfügung stellen muss.

Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes war von den beiden in Vollzeit erwerbstätigen Eltern des Kindes für ihr Kind gestellt worden, nachdem

  • sie ab April oder spätestens August 2017 einen Platz für ihr Kind in der Kindertagesbetreuung für 45 Stunden wöchentlich gesucht sowie
  • ihr Kind im sogenannten Kita-Navigator angemeldet,
  • dort das Kind bei insgesamt 14 Kindertageseinrichtungen und Tagespflegestellen vorgemerkt hatten und

ihnen Ende Mai 2017 vom Jugendamt mitgeteilt worden war,

  • dass das aktuelle Platzangebot bedauerlicherweise nicht ausreiche, um für alle vorgemerkten Kinder Plätze zuzusagen und
  • in der Folgezeit von den Eltern insgesamt drei Stellen der Kindertagespflege („Tagesmutter“), die das Jugendamt angeboten hatte, abgelehnt worden waren.

Erfolg hatte der Antrag deshalb, weil

  • unter dreijährige Kinder einen Anspruch auf frühkindliche Förderung
    • in einer öffentlich geförderten Tageseinrichtung oder
    • in Tagespflege haben,
  • der Träger der Jugendhilfe seine Verpflichtung zur Förderung der Kinder zwar gleichermaßen
    • mit dem Nachweis eines zumutbaren Platzes in einer Kindertagesstätte und
    • mit dem Nachweis eines zumutbaren Platzes in der Kindertagespflege erfüllen kann,
  • er grundsätzlich aber verpflichtet ist, den Leistungsberechtigten auch die ihren Wünschen entsprechende Betreuungsform zu vermitteln,
  • dieses Wunsch- und Wahlrecht des Leistungsberechtigten nur dann seine Grenze findet, wenn keine Plätze in der gewünschten Betreuungsform vorhanden sind und

der Träger der Jugendhilfe, den ihm obliegenden Nachweis der Erschöpfung der Kapazitäten,

  • der voraussetzt, dass ein sachgerecht ausgestaltetes und durchgeführtes Verfahren zur Vergabe der städtischen Kindergartenplätze stattgefunden hat,

nicht hatte führen können.

Abgesehen davon war es auch so, dass die angebotenen Kindertagespflegestellen

  • entweder nicht die Arbeitszeiten der Eltern abdeckten oder
  • für sie nicht in zumutbarer Zeit erreichbar waren und

deshalb das Jugendamt die Eltern nicht auf diese hätte verweisen dürfen (Quelle: Pressemitteilung des VG Münster vom 21.07.2017).

Was Eltern, deren Kind Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in der Kindertagespflege hat, wissen sollten

Hat ein Kind nach § 24 Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in der Kindertagespflege und wird ein entsprechender Bedarf rechtzeitig von den Eltern des Kindes geltend gemacht, ist der Träger der Jugendhife verpflichtet, dem anspruchsberechtigten Kind

  • einen vom Wohnsitz des Kindes aus in vertretbarer Zeit erreichbaren Betreuungsplatz
  • entweder in einer eigenen Kindertageseinrichtung zuzuweisen oder in einer Einrichtung eines anderen Trägers bzw. nach Wahl der Eltern in Kindertagespflege nachzuweisen.

Ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe nicht imstande, einen (zumutbaren) Betreuungsplatz zur Verfügung zu stellen, muss er den Eltern, die einen Betreuungsplatz selbst beschaffen,

  • in der Regel diejenigen Aufwendungen erstatten, welche diese für erforderlich halten durften (was vermeidbare Luxusaufwendungen ausschließt),
  • wobei hiervon etwaige ersparte (fiktive) Kostenbeiträge für einen durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe verschafften Betreuungsplatz abzusetzen sind.

Darauf

  • und dass ein (hier: von der Landeshauptstadt München) angebotener Betreuungsplatz jedenfalls dann nicht in vertretbarer Zeit erreichbar ist, wenn allein der Zeitaufwand der erwerbstätigen Mutter für die Bewältigung des Hin- und Rückwegs bei Nutzung von Bus und U-Bahn im Berufsverkehr zwei Stunden pro Tag beträgt,

hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) mit Urteil vom 22.07.2016 – 12 BV 15.719 – hingewiesen (Quelle Pressemitteilung des BayVGH vom 18.08.2016).