Tag Kontoinhaber

AG Frankfurt entscheidet: Lassen Inhaber eines Girokontos nach dem Verlust ihrer EC-Karte diese nicht sofort sperren,

…. müssen sie den ihnen durch missbräuchliche Abhebungen entstandenen Schaden unter Umständen selbst tragen.   

Mit Urteil vom 31.08.2021 – 32 C 6169/20 (88) – hat das Amtsgericht (AG) Frankfurt am Main die Klage einer Kontoinhaberin abgewiesen, der die 

  • EC-Karte für ihr Girokonto abhanden gekommen 

war, die den Verlust der Karte am gleichen Tag

  • um 10:10 Uhr 

bemerkt, 

  • um 10:42 Uhr 

telefonisch mit ihrem Mobiltelefon der Bank den Verlust mitgeteilt sowie gleichzeitig die Karte hatte sperren lassen und die, nachdem von ihrem Konto bereits 

  • um 10:15 Uhr und 10:16 Uhr mit der Originalkarte und der PIN, 

jeweils ohne Autorisierung, 500 € an einem Geldautomaten einer dritten Bank abgehoben worden waren, diese insgesamt 

  • 1.000 €  

von ihrer Bank ersetzt haben wollte.

Dass die Kontoinhaberin hier von ihrer Bank aus §§ 675j Abs. 1 Satz 1, 675u Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht verlangen kann, dass die 1.000 € 

  • ihr erstattet bzw. 
  • ihrem Girokonto wieder gutgeschrieben 

werden, hat das AG damit begründet, dass,

  • nachdem die Abhebungen um 10:15 Uhr und 10:16 Uhr ausweislich der Transaktionsprotokolle mit der Originalkarte und PIN erfolgt waren,

ein Anscheinsbeweis dafür spricht, dass die Kontoinhaberin pflichtwidrig die PIN 

  • auf der Karte notiert oder 
  • gemeinsam mit dieser verwahrt 

hatte (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 29.11.2011 – XI ZR 370/10 –), diesen Anscheinsbeweis die Kontoinhaberin nicht 

  • durch die Darlegung tragfähiger, für einen ernsthaft in Betracht kommenden atypischen Geschehensablauf sprechenden Tatsachen,

entkräften konnte, der Kontoinhaberin darüber hinaus ein den 

  • Erstattungsanspruch ausschließender Sorgfaltsverstoß 

dadurch zur Last fällt, dass sie der Bank,

  • trotz des mitgeführten Mobiltelefons, 

den Verlust der Karte, der von ihr um 10:10 Uhr, 

  • also 5 Minuten vor der ersten Abhebung, 

bemerkt worden war, nicht gemäß § 675l Abs. 1 S. 2 BGB unverzüglich, 

  • sondern erst nach 32 Minuten um 10:42 Uhr,

angezeigt hat, tragfähige Gründe, 

  • warum sie sich zu einer sofortigen telefonischen Verlustmeldung nicht in der Lage gesehen hat, 

von der Kontoinhaberin nicht vorgetragen wurden und somit ein   

  • zweifacher grober Sorgfaltspflichtverstoß 

der Kontoinhaberin vorliegt, der einen Schadensersatzanspruch der Bank 

  • nach § 675v Abs. 3 Nr. 2 BGB 

begründet, mit der Folge, dass die Bank 

  • diesen Schadenersatzanspruch dem Anspruch des Kontoinhaberin aus § 675u S. 2 BGB entgegengehalten und 
  • somit die Erstattung der 1.000 € verweigern kann (dazu wann eine Bank einem Kontoinhaber gegenüber bei Verlust der EC Karte für nicht autorisierte Bargeldabhebungen haftet vgl. auch AG Bad Iburg, Urteil vom 31.03.2021 – 4 C 430/20 –).

AG Bad Iburg entscheidet, wann eine Bank einem Kontoinhaber gegenüber bei Verlust der EC Karte für

…. nicht autorisierte Bargeldabhebungen haftet.  

Mit Urteil vom 31.03.2021 – 4 C 430/20 – hat das Amtsgericht (AG) Bad Iburg in einem Fall, in dem ein Inhaber eines Girokontos festgestellt hatte, dass, nachdem er 

  • nachts auf der Reeperbahn in Hamburg 

an einem Geldautomaten von seinem Konto 100,00 € abgehoben hatte und anschließend 

  • auf dem Weg zum Taxi 

von einer ihm unbekannten Frau angesprochen worden war, 

  • seine Jackentasche offen sowie 

seine EC-Karte verschwunden und 

  • trotz unverzüglich veranlasster Sperrung, 

mit der EC-Karte, 

  • noch um 03:53 Uhr an einem anderen Geldautomaten in der Umgebung 

von seinem Girokonto ein Barbetrag von 900,00 € (bis zum zulässigen Tageslimit) abgehoben worden war, entschieden, dass dem Kontoinhaber die 

  • 900 € 

von seiner Bank ersetzt werden müssen.

Begründet hat das AG dies damit, dass im Falle eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs die kontoführende Bank (Zahlungsdienstleister) 

  • nach § 675u S. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) 

verpflichtet ist, dem Kontoinhaber 

  • den Zahlungsbetrag unverzüglich zu erstatten und, 
  • sofern der Betrag seinem Konto belastet worden ist, das Konto wieder auf den Stand zu bringen, auf dem es sich ohne die Belastung durch den nicht autorisierten Zahlungsvorgang befunden hätte, 

eine „nicht autorisierte“ Abhebung im Sinne der §§ 675j Abs. 1 Satz 1, 675u BGB vorgelegen hat, weil feststeht, dass 

  • dem Kontoinhaber die EC-Karte abhandengekommen und 
  • die getätigte Barabhebung über 900,00 EUR von ihm weder veranlasst noch genehmigt worden war,

es dem Konto- und Karteninhaber gelungen ist, den

  • grundsätzlich dann, wenn, wie hier, zeitnah nach dem Diebstahl einer EC-Karte unter Verwendung dieser Karte und Eingabe der PIN an einem Geldautomaten entsprechende Barbeträge abgehoben werden, 

gegen ihn sprechenden Beweis des 

  • ersten Anscheins, 

den nicht autorisierten Zahlungsvorgang durch eine 

  • grob fahrlässige Verletzung seiner Pflichten als Kartennutzer i.S.v. § 675v Abs. 3 Nr. 2a BGB beispielsweise durch 
    • die Notierung der PIN auf der EC-Karte oder 
    • die gemeinsame Verwahrung von PIN und EC-Karte,

herbeigeführt zu haben, durch die Darlegung sowie den Beweis, 

  • dass bei der Abhebung der 100 € seine persönliche Geheimzahl von der Diebin der EC-Karte ausgespäht worden ist, 

zu erschüttern und die Bank den 

  • damit ihr wieder 

obliegenden Nachweis einer 

  • nach § 675v Abs. 3 Nr. 2a BGB 

haftungsbegründenden konkreten Pflichtverletzung des Konto- und Karteninhabers nicht erbringen konnte.

Danach ist ein gegen den Bankkunden sprechender Anscheinsbeweis, 

  • dass er die zur EC-Karte gehörende PIN nicht sorgfältig geheim gehalten hat, 

erschüttert, wenn feststeht, dass 

  • die Karte gestohlen und 
  • die persönliche Geheimzahl des Karteninhabers ausgespäht wurde. 

Die Bank hat dann konkret nachzuweisen, dass 

  • der Bankkunde seine Pflicht, seine PIN vor unbefugtem Zugriff zu schützen, verletzt hat und 
  • er ihr gegenüber nach § 675v Abs. 3 Nr. 2 BGB zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet ist. 

Gelingt der Bank dieser Nachweis nicht, hat sie dem Kunden den abgebuchten Betrag zu erstatten (Quelle: juris Das Rechtsportal).

Wichtig zu wissen für Nutzer von sozialen Netzwerken und deren Erben

Mit Urteil vom 12.07.2018 – III ZR 183/17 – hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden, dass beim Tod des Kontoinhabers eines sozialen Netzwerks, der

  • zwischen dem Erblasser und dem Betreiber des sozialen Netzwerks geschlossene

schuldrechtliche Vertrag über die Einrichtung und Nutzung eines „Accounts“,

  • sofern die Vererbbarkeit dieses vertraglichen Nutzungsverhältnisses und des daraus folgenden Kontozugangsrechts nicht wirksam durch die vertraglichen Bestimmungen ausgeschlossen worden ist,

nach § 1922 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf die Erben des Kontoinhabers übergeht und dem Zugang zu dem Benutzerkonto und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten

  • weder das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers,
  • noch das Fernmeldegeheimnis,
  • das Datenschutzrecht oder
  • das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kommunikationspartner des Erblassers entgegenstehen.

Danach

  • schließen Regelungen zum Gedenkzustand die Vererbbarkeit des aus dem Nutzungsverhältnis folgenden Kontozugangsrechts nicht aus und sind, ungeachtet dessen auch nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB unwirksam,
  • scheitert ein Anspruch der Erben auf Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto des Erblassers und den darin vorgehaltenen Inhalten schon deshalb nicht an § 88 Abs. 3 Telekommunikationsgesetz (TKG), weil der Erbe eines Kommunikationspartners nicht “anderer“ im Sinne dieser Vorschrift ist und
  • steht dem Anspruch des Erben auch Datenschutzrecht nicht entgegen, da
    • die seit 25.05.2018 geltende Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) nur lebende Personen schützt und
    • die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Kommunikationspartner des Erblassers durch die Übermittlung und dauerhafte Bereitstellung der jeweiligen Inhalte für die Erben jedenfalls sowohl nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. b Var. 1 DS-GVO als auch nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO zulässig ist.

Betreiber von sozialen Netzwerken müssen demzufolge nach dem Tode eines Nutzers dessen Erben Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto des Verstobenen und den darin enthaltenen Kommunikationsinhalten gewähren.

Wichtig zu wissen für alle die ein Gemeinschaftskonto mit Einzelverfügungsbefugnis (sog. Oder-Konto) unterhalten

…. oder eröffnen möchten.

Bei einem Gemeinschaftskonto mit Einzelverfügungsbefugnis (sog. Oder-Konto) sind,

  • im Gegensatz zum Und-Konto,

die Kontoinhaber hinsichtlich des Auszahlungsanspruchs Gesamtgläubiger im Sinne des § 428 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), so dass

  • jeder aufgrund seiner eigenen Forderungsinhaberschaft
  • Auszahlung des gesamten Kontoguthabens an sich verlangen kann.

Leisten kann das Kreditinstitut mit schuldbefreiender Wirkung allerdings nicht nach Belieben an einen der Kontoinhaber, sondern jeweils nur an denjenigen, der die Leistung fordert.

  • Eine Leistung an den nicht fordernden Gesamtgläubiger hat keine schuldbefreiende Wirkung.

Durch den Umstand,

  • dass ein anderer Kontoinhaber ebenfalls Auszahlung des Kontoguthabens an sich verlangt,

wird

  • die Einzelverfügungsbefugnis eines jeden Kontoinhabers und
  • die damit einhergehende Empfangszuständigkeit, Leistungen mit Erfüllungswirkung entgegenzunehmen,

nicht berührt.

  • Erst dann, wenn das Leistungsverlangen des anderen Gesamtgläubigers tatsächlich erfüllt wurde, erlischt insoweit das Forderungsrecht eines Gesamtgläubigers.

Können mangels auseichendem Guthaben konkurrierende Verfügungen von Inhabern eines Oder-Kontos nicht ausgeführt werden, gilt das Prioritätsprinzip, wobei streitig ist, ob dabei darauf abzustellen ist,

  • wer die Leistung als Erster verlangt hat

oder darauf,

  • welches Verlangen bei ordnungsgemäßer Bearbeitung zuerst zur Erfüllung gelangen würde und
  • es auf die zeitliche Reihenfolge des Eingangs der Weisungen nur dann ankommt, wenn nicht zu erkennen ist, welche der Verfügungen bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang zuerst zur Erfüllung ansteht.

Lässt das Kreditinstitut bei kollidierenden Weisungen der Inhaber des Oder-Kontos den Grundsatz zeitlicher Priorität unbeachtet, verhält es sich also insoweit pflichtwidrig,

  • bleibt hiervon die Erfüllungswirkung der erbrachten Leistung unberührt,
  • kann das aber einen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB gegen das Kreditinstitut begründen, sofern das Zahlungsverlangen vertragsgemäß war.

Beachtet werden muss bei der Eröffnung eines Oder-Konto, dass ohne eine dahingehende vertragliche Abrede,

  • dass jeder Kontoinhaber berechtigt ist, durch einseitige Erklärung gegenüber dem Kreditinstitut das Oder-Konto für die Zukunft in ein Und-Konto umzuwandeln mit der Folge, dass beide Kontoinhaber nicht mehr einzeln verfügungsbefugt sind,

ein Kontoinhaber eines Oder-Kontos keine Möglichkeit hat,