Tag Körperverletzung

Eheleute sollten wissen, dass bei einer Scheidung von einem Versorgungsausgleich abgesehen werden kann

…. wenn es während der Ehezeit zu schweren Misshandlungen eines Ehegatten gekommen ist.

Nach einer Scheidung findet ein Versorgungsausgleich,

  • d.h. eine Teilung der in der Ehezeit erworbenen, im In- oder Ausland bestehenden Anwartschaften auf Versorgungen und Ansprüche auf laufende Versorgungen, insbesondere aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aus anderen Regelsicherungssystemen wie der Beamtenversorgung oder der berufsständischen Versorgung, aus der betrieblichen Altersversorgung oder aus der privaten Alters- und Invaliditätsvorsorge jeweils zur Hälfte zwischen den geschiedenen Ehegatten,

ausnahmsweise nicht statt,

  • wenn ein solcher Ausgleich grob unbillig wäre, § 27 des Gesetzes über den Versorgungsausgleich (Versorgungsausgleichsgesetz – VersAusglG).

Beispielsweise wäre eine Teilhabe des Ehemannes an den Versorgungsansprüchen der Ehefrau nach einer Scheidung grob unbillig und nicht mehr zu rechtfertigen, wenn der Ehemann wegen vorsätzlicher Körperverletzung in fünf Fällen sowie wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen,

  • jeweils begangen zum Nachteil seiner Ehefrau während der Ehezeit,

zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten auf Bewährung verurteilt worden ist,

  • er in einem dieser Fälle seiner Frau einen Blumentopf gegen den Kopf geworfen, ihr danach ein Kopfkissen so ins Gesicht gedrückt hat, dass die Ehefrau Todesängste ausstehen musste und
  • erst von ihr abgelassen hat, als der Sohn seiner Frau einschritt.

Darauf

  • und dass bei einem derartigen Fehlverhalten des Ehemannes auch dann nichts anderes gilt, wenn sich die Ehefrau zwischenzeitlich habe versöhnen wollen,

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg mit Beschluss vom 18.04.2017 – 3 UF 17/17 – hingewiesen (Quelle: Pressemitteilung des OLG Oldenburg vom 02.05.2017)..

Die einem Erstklässler versetzte Ohrfeige kann durch Notwehr gerechtfertigt sein

Versetzt ein als Schulhofaufsicht eingesetzter Erwachsener einem Erstklässler eine Ohrfeige kann dies,

  • wenn es in der konkreten Situation das einzige angemessene Mittel ist, den Erstklässler und andere den Erwachsenen bedrängende Kinder abzuschrecken und ihre Angriffe auf ihn zuverlässig zu beenden,

nach § 32 Strafgesetzbuch (StGB) durch Notwehr gerechtfertigt sein.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf mit Beschluss vom 02.06.2016 – III-1 Ws 63/16 – hingewiesen und einen an einer Ganztagesschule als Schulhofaufsicht beschäftigten Ein-Euro-Jobber,

  • der wegen Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB zum Nachteil eines Erstklässers angeklagt war,

freigesprochen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall hatte der Angeklagte

  • zunächst mit etwa 5 bis 10 Jungen aus der ersten Klasse auf dem Schulhof gespielt,
  • sich aber irgendwann, als ihm das Spiel zu „wild“ wurde, in den hinteren Teil des Hofes zurückgezogen und als die Erstklässler ihn nicht in Ruhe ließen, sondern ihn auch dort, trotz verbaler Einwirkung auf sie, weiter bedrängten, teilweise auf ihn einschlugen sowie in seine Richtung spuckten,

dem, ihm am nächsten befindlichen der beteiligten Erstklässler,

  • zur Abschreckung der anderen und um die auf ihn einstürmenden Kinder loszuwerden,

eine kurzzeitig schmerhafte Ohrfeige versetzt,

  • woraufhin die Kinder, geschockt nach dem Schlag, auch sofort von dem Angeklagten abgelassen hatten.

Das OLG hat den Freispruch des Angeklagten damit begründet, dass die den Erstklässler etwa 10 Minuten lang schmerzende Ohrfeige durch Notwehr gerechtfertigt gewesen sei, weil sie

  • aus objektiver, nachträglicher Sicht,
  • in der konkreten Situation, in der sich der Angeklagte damals befunden habe,
  • die einzige angemessene sowie geeignete Verteidigungshandlung gewesen sei, um den Angriff der Kinder zuverlässig sofort zu beenden.

Anders als die Ohrfeige, so das OLG, hätte,

  • nachdem die Kinder dem Angeklagten auch schon vorher auf dem Schulhof nachgefolgt und seiner Aufforderung aufzuhören, nicht gefolgt seien,

weder die für den Angeklagten bestehenden Möglichkeiten

  • sich entweder in das Schulgebäude zurückzuziehen oder
  • einen hauptamtliche Lehrkraft zu Hilfe zu holen,

die sofortige Beendigung der Angriffe erwarten lassen.

Auch wenn die Angreifer aufgrund ihres Alters schuldunfähig gewesen seien, sei, so das OLG weiter, die einem der schuldunfähigen Kinder erteilte Ohrfeige geboten gewesen.
Zwar sei bei einem von schuldunfähigen Personen, insbesondere von Kindern Angegriffenen das Notwehrrecht unter Umständen dahingehend eingeschränkt, dass, wenn dies ohne substantiellen Rechtsverlust möglich ist,

  • dem Angegriffenen ein Ausweichen zugemutet bzw.
  • von dem Angegriffenen ein Verzicht auf maßlose Gegenwehr gefordert und
  • bei aktiver Gegenwehr die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes verlangt wird,
    • im Hinblick auf die durch die Notwehrhandlung verhinderte Rechtsgutsverletzung und
    • die auf Seiten des Angreifers durch die Notwehrhandlung verursachte

Andererseits müsse mit milden Abwehrhandlungen wie im vorliegenden Fall selbst Bagatellangriffen schuldlos Handelnder entgegengetreten werden dürfen, zumal,

  • solange diese keinen ernstzunehmenden Verletzungsrisiken ausgesetzt seien,

kein Grund bestehe,

  • schuldlos handelnden Kindern eine allgemeine „Narrenfreiheit“ zu gewähren.

Was Patienten und Ärzte über die Arzthaftung wegen nicht ordnungsgemäßer Aufklärung wissen sollten

Auch wenn kein Behandlungsfehler vorliegt, kann ein Arzt für alle den Gesundheitszustand eines Patienten betreffenden nachteiligen Folgen haften, wenn er den Patienten vor einer Operation nicht ordnungsgemäß aufgeklärt hat. Dann ist nämlich die Einwilligung des Patienten in die erfolgte Operation nicht wirksam erfolgt und der konkrete Eingriff – also die Operation – als rechtswidrige Körperverletzung zu werten.

  • Um unter Wahrung seiner Entscheidungsfreiheit wirksam in einen Eingriff einwilligen zu können, ist der Patient vor Durchführung des Eingriffs über die mit dem Eingriff verbundenen Risiken aufzuklären.

Die Aufklärung hat dem Patienten einen zutreffenden allgemeinen Eindruck von der Schwere des Eingriffs und der Art der Belastung zu vermitteln, die sich für seine körperliche Integrität und seine Lebensführung aus dem Eingriff ergeben können.

  • Im Rahmen der Aufklärung ist auch das Risiko zu erörtern, inwieweit trotz fehlerfreier medizinischer Behandlung Schadensrisiken bestehen, seien es mögliche Komplikationen während des Eingriffs oder sonstige schädliche Nebenfolgen.
  • Nicht erforderlich ist die exakte medizinische Beschreibung der in Betracht kommenden Risiken, es genügt eine Aufklärung „im Großen und Ganzen“ über Chancen und Risiken der Behandlung (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 19.10.2010 – VI ZR 241/09 –).

Zur Behandlungsaufklärung gehört es ferner,

  • dass der Arzt dem Patienten Kenntnis von Behandlungsalternativen verschafft,
  • wenn gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethoden mit wesentlich unterschiedlichen Risiken und Erfolgschancen eine echte Wahlmöglichkeit für den Patienten begründen.

Zwar ist die Wahl der Behandlungsmethode primär Sache des Arztes.
Er muss dem Patienten daher im Allgemeinen nicht ungefragt erläutern, welche Behandlungsmethoden theoretisch in Betracht kommen, solange er eine Therapie anwendet, die dem medizinischen Standard genügt.

  • Die Wahrung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten erfordert aber eine Unterrichtung über eine alternative Behandlungsmöglichkeit, wenn für eine medizinisch sinnvolle und indizierte Therapie mehrere gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die zu jeweils unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten.
  • Dem Patienten muss in diesem Fall nach entsprechend vollständiger ärztlicher Aufklärung die Entscheidung überlassen bleiben, auf welchem Wege die Behandlung erfolgen soll und auf welches Risiko er sich einlassen will.

Darlegungs- und beweispflichtig für eine richtige und vollständige Aufklärung ist der behandelnde Arzt (vgl. hierzu BGH, Urteile vom 28.01.2014 – VI ZR 143/13 – und vom 30.09.2014 – VI ZR 443/13 –).

Macht ein Patient mit der Begründung, vor einer Operation nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden zu sein, Schadensersatzansprüche gegen den Arzt geltend und kann der Arzt eine richtige und vollständige Aufklärung nicht beweisen, kann der Arzt sich noch damit verteidigen, dass der Patient auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung seine Einwilligung in die Operation erteilt hätte (Einwand der hypothetischen Einwilligung; vgl. hierzu BGH, Urteile vom 15.03.2005 – VI ZR 313/03 –; vom 10.10.2006 – VI ZR 74/05 – und vom 18.11.2008 – VI ZR 198/07 –).

  • Beruft sich der Arzt auf den Einwand der hypothetischen Einwilligung hat der Patient glaubhaft zu machen, er hätte sich bei ordnungsgemäßer Aufklärung in einem echten Entscheidungskonflikt befunden, wobei die Darlegung des Konfliktes plausibel, also nachvollziehbar sein muss, es hingegen nicht darauf ankommt, wie sich der Patient entschieden haben würde.

An die Substantiierungspflicht des Patienten sind dabei keine allzu hohen Anforderungen zu stellen, es genügt, wenn er einsichtig macht, dass ihn die ordnungsgemäße Aufklärung über das Für und Wider des ärztlichen Eingriffs ernsthaft vor die Frage gestellt hätte, ob er diesem zustimmen sollte.

Gelingt es dem Patienten nicht einen Entscheidungskonflikt betreffend die Durchführung der Operation bei genauer Kenntnis von den möglichen Folgen der Operation und vom Risiko einer Nichtoperation plausibel zu machen, ist von der hypothetischen Einwilligung des Patienten auszugehen.

Kann der Patient seinen Entscheidungskonflikt betreffend die Durchführung der Operation dagegen plausibel machen, ist es Sache des Arztes, zu beweisen, dass gleichwohl eine Einwilligung zu der vorgenommenen Behandlung erteilt worden wäre.

Darauf hat der 12. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (OLG) mit Urteil vom 18.08.2016 – 12 U 176/14 – hingewiesen.

Wann liegt wegen gemeinschaftlicher Begehung mit einem anderen Beteiligten eine gefährliche Körperverletzung vor?

Wer vorsätzlich eine andere Person körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt, ist schuldig der Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) und wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Wird die Körperverletzung begangen,

  • durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
  • mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
  • mittels eines hinterlistigen Überfalls,
  • mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung oder
  • mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich,

liegt eine gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 StGB vor, die mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren und in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft wird.

  • Gemeinschaftliche Begehungsweise mit einem anderen Beteiligten setzt dabei weder Eigenhändigkeit noch Mittäterschaft voraus.
  • Ausreichend ist vielmehr schon das gemeinsame Wirken eines Täters und eines Gehilfen bei der Begehung der Körperverletzung (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 03.09.2002 – 5 StR 210/02 – sowie Beschluss vom 08.03.2016 – 3 StR 524/15 –).

Dies folgt aus dem Sinn und Zweck des Qualifikationstatbestandes, wonach durch ein solches Zusammenwirken – nicht anders als durch mittäterschaftliche Begehung – eine verstärkte Gefährlichkeit der Körperverletzung für das Opfer begründet wird (vgl. BGH, Urteil vom 03.09.2002 – 5 StR 210/02 –).

Allerdings ist eine gemeinschaftliche Begehung in dieser Beteiligungsform regelmäßig erst dann anzunehmen, wenn der am Tatort anwesende Gehilfe

  • die Wirkung der Körperverletzungshandlung des Täters – physisch oder psychisch (vgl. BGH, Urteil vom 22.12.2005 – 4 StR 347/05 –) – bewusst in einer Weise verstärkt,
  • welche die Lage des Verletzten zu verschlechtern geeignet ist.

Dies wird in der Regel vor allem durch eine Schwächung der Abwehrmöglichkeiten verwirklicht, wenn das Opfer durch die Präsenz mehrerer Personen auf der Verletzerseite

  • insbesondere auch wegen des erwarteten Eingreifens des oder der anderen Beteiligten in seinen Chancen beeinträchtigt wird,
  • dem Täter der Körperverletzung Gegenwehr zu leisten, ihm auszuweichen oder zu flüchten.

Darauf hat der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 21.04.2016 – 2 StR 394/15 – hingewiesen.

Wer Opfer einer Körperverletzung geworden ist, ist, wenn der Täter ein Erwachsener oder Heranwachsender war, befugt, sich durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Gericht dem Strafverfahren gegen den Täter als Nebenkläger anzuschließen.
Ferner kann der Verletzte unter Vorlage der erforderlichen Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beantragen, ihm für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts Prozesskostenhilfe zu gewähren und er kann, auch wenn er sich dem Verfahren nicht als Nebenkläger anschließt, im Strafverfahren wegen der Tat Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gegen den Täter geltend machen.