Tag Mietminderung

LG Frankfurt entscheidet, dass eine staatlich angeordnete Corona-bedingte Ladenschließung in der Regel keine Minderung der Ladenmiete rechtfertigt

…. und wann, bei einer staatlich angeordneten Corona-bedingten Ladenschließung, eine Vertragsanpassung und eine Reduzierung der Ladenmiete 

  • wegen einer sog. Störung der Geschäftsgrundlage 

in Betracht kommen kann.

Mit Urteil vom 05.10.2020 – 2-15 O 23/20 – hat das Landgericht (LG) Frankfurt am Main in einem Fall, in dem der Inhaber eines Einzelhandelsgeschäfts sein 

  • in angemieteten Geschäftsräumen betriebenes 

Geschäft 

  • im Zuge der Corona-Pandemie aufgrund Anordnung des Landes Hessen vom 18.03.2020 bis zum 20.04.2020 

hatte schließen müssen, entschieden, dass eine solche staatlich angeordnete Geschäftsschließung keinen 

  • eine Mietminderung nach § 536 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) rechtfertigenden Mietmangel

darstellt 

  • (so auch LG Heidelberg, Urteil vom 30.07.2020 – 5 O 66/20 –; anderer Ansicht ist das LG München (Urteil vom 22.09.2020 – 3 O 4495/20 –), nach dessen Auffassung durch die Corona-bedingte Geschäftsschließung ein eine Mietminderung rechtfertigender Mietmangel i.S.d. § 536 BGB entstanden ist) 

und der Mieter der Geschäftsräume,

  • jedenfalls solange er durch die angeordnete Geschäftsschließung nicht ausnahmsweise in ihrer Existenz bedroht ist, 

von seinem Vermieter auch nicht 

  • wegen einer sog. Störung der Geschäftsgrundlage 

eine Vertragsanpassung und eine Reduzierung der Miete verlangen kann.

Begründet hat das LG Franfurt das damit, dass öffentlich-rechtliche Einschränkungen oder Verbote bei der Vermietung von Gewerberäumen nur dann, 

  • wenn die Ursache der staatlichen Nutzungsuntersagung in dem Mietobjekt selbst oder seiner Beziehung zur Umwelt begründet ist, 

einen Mietmangel darstellen können, dies jedoch bei Betriebsschließungen aufgrund der Corona-Pandemie,

  • die zum Schutz der Bevölkerung vor allgemeinen gesundheitlichen Gefahren erfolgen und 
  • nicht unmittelbar an die Beschaffenheit der Mietsache anknüpfen, sondern allgemein an deren Nutzungsart sowie dem Umstand, dass in den Flächen Publikumsverkehr stattfindet und dadurch Infektionen begünstigt werden,

nicht der Fall sei und bei unvorhersehbaren Ereignissen eine Mietpartei zwar 

  • wegen einer sog. Störung der Geschäftsgrundlage

grundsätzlich eine Änderung der vereinbarten Mietzahlungen dann einfordern könne, wenn 

  • dies zur Vermeidung eines untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden Ergebnisses unabweislich erscheint, 

jedoch ein solcher extremer Ausnahmefall nur bei existenziell bedeutsamen Folgen gegeben ist und hierfür Liquiditätsengpässe (insbesondere dann) nicht ausreichen, wenn Mieter 

  • durch eine kurzfristige Gesetzesänderung vor einer Kündigung wegen Corona-bedingter Zahlungsschwierigkeiten geschützt worden sind (vgl. Art. 240 § 2 Abs. 1 EGBGB) und
  • durch die Nutzung von Kurzarbeit beträchtliche Einsparungen bei ihren Personalausgaben verbuchen können (Quelle: Pressemitteilung des LG Frankfurt am Main).

Wegen vom Nachbargrundstück ausgehenden Baulärms die Miete mindern? Geht das oder geht das nicht?

Die bisherige Rechtsprechung dazu, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen von einem Nachbargrundstück, nach Mietbeginn, ausgehender erheblicher Baulärm über einen längeren Zeitraum,

  • beispielsweise weil dort ein Haus abgerissen und neu errichtet werden soll,

einen Mietmangel darstellen und zur Mietminderung gegenüber dem Vermieter berechtigen kann, ist bisher uneinheitlich.

Das Landgericht (LG) Berlin hat im Beschluss vom 15.01.2019 – 67 C 309/18 – entschieden, dass in einem solchen Fall

  • eine Mietminderung gemäß § 536 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) berechtigt ist

und zwar auch dann, wenn

  • der Vermieter weder Verursacher der Beeinträchtigung ist,
  • noch dem Vermieter gegenüber dem Verursacher Abwehr- oder Entschädigungsansprüche (gemäß § 906 BGB) zustehen.

Ebenso entschieden hat das LG Berlin mit Urteil vom 16.06.2016 – 67 O 76/16 – in einem Fall,

  • in dem nach Mietbeginn auf dem benachbarten Grundstück, auf einer dortigen, ursprünglich mit Bäumen bewachsenen Baulücke, eine Tiefgarage und ein Gebäude errichtet worden waren,

und

  • wegen der durch die Baumaßnahmen auf dem Nachbargrundstück bedingten erheblichen Bauimmissionen (Lärm, Staub und Erschütterungen nicht nur wochentags, sondern zeitweise auch am Wochenende),

für die Dauer der Baumaßnahmen eine Mietminderung um 20 Prozent für berechtigt angesehen.

Auch das Amtsgericht (AG) München hat mit Urteil vom 01.02.2018 – 472 C 18927/16 – in einem Fall, in dem in der Nachbarschaft des Mieters über hundert neue Wohneinheiten erstellt wurden,

  • von dem Mieter ein detailliertes Lärmprotokoll mit eingearbeiteter Fotodokumentation sowie das Ergebnis einer eigenen mehrtägigen Schallmessung vorgelegt und
  • von einem Sachverständigen im letzten Quartal eines Jahres an 19 Tagen sowie im Folgejahr an 160 Tagen Lärmimmissionen gemessen worden waren,
    • die eine Einwirkung von über 63 Dezibel, an mehr als 60 Tagen sogar von mehr als 70 Dezibel an der Wohnung des Mieters ergeben hatten,

dies

  • als wesentliche Beeinträchtigung angesehen und

wegen des erheblichen Baulärms eine Mietminderung für berechtigt erachtet (Quelle: Pressemitteilung des AG München vom 14.12.2018).

Dagegen hat das LG München I mit Urteil vom 27.10.2016 – 31 S 58/16 – entschieden, dass nachträglich erhöhte Geräuschimmissionen,

  • die von einem Nachbargrundstück ausgehen, weil dort gebaut wird und die Baustelle Lärm verursacht,

bei Fehlen anderslautender Beschaffenheitsvereinbarung im Mietvertrag, grundsätzlich dann

  • keinen gemäß § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Mietminderung berechtigenden Mangel der Mietwohnung begründen,

wenn

  • auch der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 BGB als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss,
  • sich also auf seine eigene Duldungspflicht gegenüber dem Bauherrn auf dem Nachbargrundstück berufen kann.

Dass Voraussetzung für eine Mietminderung des Wohnungsmieters nicht nur ist,

  • dass der Mietgebrauch durch den Baulärm tatsächlich beeinträchtigt ist,

sondern auch,

  • dass der Vermieter die Immissionen nicht ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 BGB als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss,

hat die Kammer damit begründet, dass Wohnungsmieter insoweit an der jeweiligen Situationsgebundenheit des Mietgrundstücks teilnehmen (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 29.04.2015 – VIII ZR 197/14 – Bolzplatzentscheidung).

Übrigens:
Überschreitet der Lärm von einer Baustelle

  • an der Wohnung eines Nachbarn

die in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm (AVV Baulärm) festgelegten „Eingreif-Richtwerte“, muss

  • auf Antrag des Nachbarn

die Immissionsschutzbehörde geeignete Maßnahmen zur Begrenzung des Baulärms anordnen.

Erweisen sich die behördlich angeordneten Maßnahmen als ungeeignet,

  • können von dem Nachbarn

konkrete Einzelmaßnahmen verlangt werden.

  • Missachtet der Bauherr vollziehbare behördliche Anordnungen wiederholt und hartnäckig, kann der Betrieb der Baustelle vorläufig untersagt werden.

Darauf hat der 10. Senat des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) Baden-Württemberg mit Beschluss vom 05.02.2015 – 10 S 2471/14 – hingewiesen und das Landratsamt auf den Eilantrag einer Wohnungsmieterin durch einstweilige Anordnung zu weiteren Maßnahmen zum Lärmschutz in einem Fall verpflichtet,

  • in dem vom Landratsamt zwar bereits Maßnahmen zur Minderung des Lärms von einer Großbaustelle angeordnet worden waren,
  • der Bauherr diese sowie die in der AVV Baulärm für Mischgebiete festgelegten und festgesetzten Immissions-Richtwerte (60 dB (A) tags von 7 bis 20 Uhr, 45 dB (A) nachts von 20 bis 7 Uhr) aber wiederholt und hartnäckig missachtet hatte.

Was Mieter und Vermieter wissen sollten, wenn Mieter wegen nachträglicher Geräuschimmissionen die Miete mindern wollen

Nachträglich erhöhte Geräuschimmissionen,

  • die von einem Nachbargrundstück ausgehen, weil dort gebaut wird und die Baustelle Lärm verursacht,

begründen bei Fehlen anderslautender Beschaffenheitsvereinbarung im Mietvertrag grundsätzlich dann keinen gemäß § 536 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zur Mietminderung berechtigenden Mangel der Mietwohnung und damit ggf. auch keinen Anspruch des Mieters auf Rückzahlung überzahlter Miete, wenn

  • auch der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 BGB als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss,
  • sich also auf seine eigene Duldungspflicht gegenüber dem Bauherrn auf dem Nachbargrundstück berufen kann.

Insoweit nimmt hat der Wohnungsmieter an der jeweiligen Situationsgebundenheit des Mietgrundstücks teil (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 29.04.2015 – VIII ZR 197/14 – Bolzplatzentscheidung).

Voraussetzung für eine Mietminderung des Wohnungsmieters ist demzufolge,

  • nicht nur, dass der Mietgebrauch durch den Baulärm tatsächlich beeinträchtigt ist,
  • sondern auch, dass der Vermieter die Immissionen nicht ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 BGB als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss.

Besteht darüber, ob eine Mietminderung des Mieters berechtigt ist bzw. war, zwischen den Mietvertragsparteien Streit,

  • trägt folglich der Mieter die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächliche Beeinträchtigung des Mietgebrauchs durch den Lärm als solche,
  • während der Vermieter, wenn er sich auf einen Ausschluss des Minderungsrechts des Mieters beruft, entsprechend der Beweislastverteilung bei § 906 BGB darlegungs- und beweispflichtig dafür ist, dass die vom Nachbargrundstück ausgehenden Emissionen sich im Rahmen einer ortsüblichen Benutzung seines Grundstücks halten bzw. gehalten haben.

Zur Darlegung der wiederkehrenden Beeinträchtigungen des Mietgebrauchs genügt es grundsätzlich, dass der Mieter beschreibt,

  • um welche Art von Beeinträchtigungen es geht, die Lage, den Inhalt und das Ausmaß des Bauvorhabens, den Baufortgang und die damit verbundenen Geräusche sowie zu welchen Tageszeiten, über welche Zeitdauer und in welcher Frequenz diese ungefähr auftreten.
  • Der Vorlage eines Protokolls bedarf es nicht.

Wegen Vorhersehbarkeit der Baumaßnahme ausgeschlossen nach § 536b BGB ist eine Mietminderung nur dann, wenn ein Mieter bei Mietvertragsschluss aufgrund konkreter Anhaltspunkte, wie Baulücken oder baufälliger Gebäude, mit Baulärm rechnen muss.
Dagegen reicht allein die abstrakte Möglichkeit von Baumaßnahmen, die nahezu immer und überall besteht, für den Ausschluss der Mietminderung nach § 536 b BGB nicht aus.

Darauf hat die 31. Zivilkammer des Landgerichts (LG) München I mit Urteil vom 27.10.2016 – 31 S 58/16 – hingewiesen.

Kann Baulärm auf Nachbargrundstück zu Mietminderung berechtigen?

Mit Urteil vom 16.06.2016 – 67 O 76/16 – hat die 67. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Berlin in einem Fall,

  • in dem ein Mieter eine Wohnung gemietet hatte und
  • nach Mietbeginn auf dem benachbarten Grundstück, auf einer dortigen, ursprünglich mit Bäumen bewachsenen Baulücke, eine Tiefgarage und ein Gebäude errichtet worden waren,

entschieden, dass der Mieter,

  • wegen der durch die Baumaßnahmen auf dem Nachbargrundstück bedingten erheblichen Bauimmissionen (Lärm, Staub und Erschütterungen nicht nur wochentags, sondern zeitweise auch am Wochenende),
  • für die Dauer der Baumaßnahmen berechtigt ist, die Miete um 20 Prozent zu mindern.

Begründet hat das LG dies damit, dass

  • die Mietvertragsparteien bei Vertragsschluss stillschweigend vereinbart hätten, dass die gemietete Wohnung den üblichen Mindeststandard, der auch ein gesundheitlich unbedenkliches Wohnen gewährleiste, einhalte und,
  • auch wenn gerade in Großstädten Baumaßnahmen nicht unüblich seien, die ganz überwiegende Mehrzahl der Mietwohnungen doch von solchen Beeinträchtigungen nicht betroffen und mithin der konkludent vereinbarte Standard während der Bauphase hier bei weitem unterschritten worden sei.

Dass der Vermieter über keine rechtlichen Möglichkeiten verfüge, die Beeinträchtigungen abzuwehren oder von dem Nachbarn eine Entschädigung zu verlangen, rechtfertige, so das LG weiter, ebenso wenig eine andere Beurteilung wie der Umstand, dass der Mieter bei Mietbeginn fahrlässig nicht an eine spätere Bebauung der benachbarten Baulücke und die damit verbundenen Bauimmissionen gedacht habe.

Die sog. „Bolzplatzentscheidung“ des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 29.04.2015 – VIII ZR 197/14 –), nach der unter bestimmten Voraussetzungen zu Lasten des Mieters nach Vertragsschluss auftretende Immissionen nicht zu berücksichtigen sind, hat das LG vorliegend nicht für einschlägig erachtet (Quelle Pressemitteilung des LG Berlin 32/2016 vom 17.06.2016).