Tag Motorrad

Was Motorradfahrer, die gemeinsam unterwegs sind und hintereinander (im Konvoi) fahren, wissen sollten

Mit Urteil vom 24.08.2020 – 12 U 1962/19 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz in einem Fall, in dem bei einem gemeinsamen Motorradausflug von zwei Motorradfahrern, 

  • in einer Anfahrt auf den Einmündungstrichter zu einer vorfahrtsberechtigten Straße, 

der hinten Fahrende auf das Motorrad des vor Vorausfahrenden aufgefahren war, 

  • nachdem entgegen seiner Erwartung der Vorausfahrende an der Einmündung nicht noch zügig über die Kreuzung gefahren war, sondern im Einmündungsbereich abgebremst hatte,    

entschieden, dass der Auffahrende zwar den Unfall dadurch allein verschuldet hat, dass 

  • von ihm entweder der erforderlichen Abstand zu dem Vorausfahrenden (§ 4 Abs. 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO)) 
  • und/oder die nach § 3 Abs. 1 StVO der konkreten Verkehrssituation angepasste Geschwindigkeit nicht eingehalten worden ist, 
    • die es ihm ermöglicht hätten, sein Fahrzeug jederzeit sicher zu beherrschen, 
  • und/oder er nicht die gebotene Aufmerksamkeit hat walten lassen (Wahlfeststellung),

allerdings der Vorausfahrende, 

  • aufgrund der von seinem Motorrad ausgehenden Betriebsgefahr 

für die 

  • unfallbedingt erlittenen materiellen Schäden des Auffahrenden dem Grunde nach in einem Umfang von 20% bzw. 
  • hinsichtlich der immateriellen Schäden, unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Auffahrenden von 80%, 

(mit)haftet (§ 17 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG)).

Was wartepflichtige Fahrzeugführer, die in eine Vorfahrtsstraße einbiegen wollen, wissen und beachten sollten

…. wenn am auf der Vorfahrtsstraße sich nähernden Fahrzeug der Blinker gesetzt ist. 

Mit Urteil vom 10.02.2020 – 4 U 1354/19 – hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden in einem Fall, in dem es zu einem Verkehrsunfall gekommen war, weil ein Motorradfahrer, 

  • der an einem Stoppschild vor einer Kreuzung zunächst hatte halten müssen, 

dann aber,

  • als er sah, dass ein von links auf der Vorfahrtsstraße herannahender PKW den rechten Blinker gesetzt hatte,       

in die Vorfahrtsstraße eingebogen, 

  • der PKW-Fahrer, der lediglich versehentlich (irreführend) geblinkt hatte, jedoch nicht abgebogen,
  • sondern auf der Vorfahrtsstraße weiter gefahren 

war, entschieden, dass ein wartepflichtiger Kraftfahrzeugführer 

  • der in eine Vorfahrtsstraße einbiegen will, 

nur dann darauf vertrauen darf, dass 

  • der Vorfahrtsberechtigte seinerseits abbiegen will, 

wenn 

  • dieser nicht nur blinkt, 
  • sondern zusätzlich auch 
    • die Annäherungsgeschwindigkeit deutlich und erkennbar herabgesetzt oder 
    • zweifelsfrei bereits mit dem Abbiegen bereits begonnen hat

und zur Verwirklichung des Vertrauenstatbestandes darauf, dass der Vorfahrtsberechtigte sein Vorrecht nicht (mehr) ausüben und abbiegen wird, es nicht ausreicht, dass 

  • der Vorfahrtberechtigte 

sich dem Kreuzungs- bzw. Einmündungsbereich mit einer 

  • geringeren als der dort zugelassenen Höchstgeschwindigkeit nähert, 
  • ohne diese weiter zu verlangsamen.

Nur wenn der Wartepflichtige im Haftungsprozess 

  • ein Fahrverhalten des Vorfahrtsberechtigten 

beweisen kann, das 

  • geeignet ist, für ihn als Wartepflichtigen den Vertrauenstatbestand zu begründen,

der Vorfahrtsberechtigte 

  • werde sein Vorrecht nicht (mehr) ausüben und abbiegen, 

ist danach der gegen den Wartepflichtigen sprechende Beweis des ersten Anscheins für einen schuldhaften unfallursächlichen Verkehrsverstoß 

  • durch Missachtung des Vorfahrtsrechts,  

erschüttert.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall, 

  • in dem es dem wartepflichtigen Motoradfahrer nicht gelungen war, den gegen ihn sprechenden Beweis des ersten Anscheins zu erschüttern, 

hat der Senat, 

  • nach Abwägung der wechselseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge gemäß § 17 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG), 

dem Vorfahrtsverstoß

  • gegenüber dem irreführenden Blinken des Vorfahrtsberechtigten 

größeres Gewicht beigemessen und aufgrund dessen eine Haftungsverteilung 

  • von 1/3 zu 2/3 zu Lasten des wartepflichtigen Motoradfahrers 

für gerechtfertigt erachtet.

Versetzt der Fahrer eines LKWs ein abgestelltes Motorrad und fällt dieses kurz danach um, haften für den dabei am Kraftrad

…. entstandenen Schaden der Halter des LKWs und dessen Haftpflichtversicherer aus § 7 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG), § 115 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz – VVG),

  • wenn das Motorrad von dem LKW-Fahrer versetzt wurde,
  • um ihm das Abbiegen mit seinem LKW zu erleichtern bzw. zu ermöglichen.

Das hat das Amtsgericht (AG) Regensburg mit Urteil vom 14.03.2018 – 10 C 2535/17 – entschieden.

Danach liegt in einem solchen Fall ein Unfall vor, der sich bei Betrieb eines Kraftfahrzeugs i.S.v. § 7 Abs. 1 StVG ereignet hat, weil,

  • auch wenn das Kraftrad nicht durch einen direkten Anstoß des Lkw umgefallen ist,
  • wegen des Umsetzens des Kraftrades zur Erleichterung des Abbiegens,

ein unmittelbare Zusammenhang mit dem Betrieb des Kraftfahrzeugs bestanden hat und,

  • nachdem das Umfallen des Kraftrades kurz nach dem Versetzen erfolgte,

das Umfallen auf das Versetzen zurückzuführen ist und damit erklärt werden muss, dass das Kraftrad nicht sicher genug abgestellt wurde.

War das Kraftrad verkehrswidrig behindernd abgestellt, was der Schädiger beweisen müsste, könnte dieser Gesichtspunkt eine Mitberücksichtigung der Betriebsgefahr des abgestellten Kraftrades und damit eine Mithaftung des Eigentümers des Kraftrades begründen.

Motorradfahrer sollten wissen, dass ihnen im Fall der Beschädigung ihres Motorrades durch Dritte ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung

…. gegen den Schädiger zustehen kann.

Mit Urteil vom 23.01.2018 – VI ZR 57/17 – hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) darauf hingewiesen, dass die Gebrauchsmöglichkeit eines Motorrads,

  • sofern dieses seinem Eigentümer als einziges Kraftfahrzeug zur Verfügung steht,

als geldwerter Vorteil anzusehen ist, so dass der vorübergehende Entzug der Gebrauchsmöglichkeit

  • einen Vermögensschaden darstellt und
  • für die Dauer Nutzungsausfallzeit, d.h. für die notwendige Reparatur- bzw. Wiederbeschaffungsdauer zuzüglich der Zeit für die Schadensfeststellung (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 05.02.2013 – VI ZR 363/11 –),

einen Anspruch des Motorradeigentümers auf Nutzungsausfallentschädigung dann begründet, wenn er in dieser Zeit

  • – auch im Hinblick auf die Wetterlage –

zur Nutzung des Motorrades

  • willens und
  • in der Lage war.