Tag Pflichtteilsstrafklausel

Wichtig zu wissen für Ehegatten, die ein gemeinschaftliches Testament errichtet haben und für die von ihnen als Schlusserben

…. eingesetzten Kinder, wenn das gemeinschaftliche Testament eine sog. Pflichtteilsstrafklausel enthält.

Mit Beschluss vom 27.09.2018 – 2 Wx 314/18 , 2 Wx 316/18 – hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Köln darauf hingewiesen, dass, wenn

  • Eheleute sich in einem gemeinschaftlichen Testament wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt

sowie bestimmt haben, dass

  • nach dem Tod des Längstlebenden ihre Kinder das Vermögen zu gleichen Teilen erben sollen,
  • dass aber, falls eines der Kinder nach dem Tod des Erstversterbenden vom Überlebenden seinen Pflichtteil fordern sollte, es auch nach dem Tod des Überlebenden auf den Pflichtteil beschränkt bleiben soll (sog. Pflichtteilsstrafklausel),

diese Pflichtteilsstrafklausel von einem Kind auch dadurch ausgelöst werden und dieses Kind damit seine Erbenstellung nach dem Tod des länger lebenden Elternteils verlieren kann, wenn es nach dem Tod des ersten Elternteils

  • Auskunft über den Wert des Nachlasses fordert sowie
  • in diesem Zusammenhang Geldforderungen geltend macht und
  • die geltend gemachte Forderung erfüllt wird.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall, in dem nach dem Tod des zuerst verstorbenen Elternteils eines der von den Eltern als Schlusserben eingesetzten Kinder

  • zunächst sowohl Auskunft über Bestand sowie Wert des Nachlasses durch Vorlage eines schriftlichen Verzeichnisses, als auch verlangt hatte, für die Berechnung des Pflichtteilsanspruches ein Sachverständigengutachten zum Wert des Grundstücks in Auftrag zu geben,
  • nachfolgend dann aber die Bereitschaft erklärt hatte, gegen eine bestimmte Einmalzahlung, die auf das Erbe angerechnet werden sollte, auf die Geltendmachung des Pflichtteils zu verzichten und
  • von dem überlebenden Elternteil die geforderte Einmalzahlung geleistet worden war,

sah das OLG

  • ein ernsthaftes, zum Verlust der Erbenstellung führendes Verlangen des Pflichtteils,

da

  • die erhobene Forderung nach der Einmalzahlung, nach der Einschätzung eines objektiven Empfängers, geeignet war, den überlebende Elternteil einer Belastung auszusetzen, vor der ihn die Verwirkungsklausel gerade schützten sollte,
  • er für den Fall der Nichtzahlung mit einer Inanspruchnahme durch das Kind habe rechnen müssen und
  • eine Zuwiderhandlung gegen die Pflichtteilsstrafklausel bereits vorliegt, wenn der Pflichtteil bewusst und ernsthaft in Kenntnis der Pflichtteilsstrafklauseln geltend gemacht wird (Quelle: Pressemitteilung des OLG Köln vom 18.10.2018).

Was Ehegatten, die ein gemeinschaftliches Testament errichten möchten, wissen und gegebenenfalls beachten sollten

Setzen sich Ehegatten in einem von ihnen errichteten gemeinschaftlichen Testament lediglich gegenseitig als Alleinerben ein und

  • regeln sie die Erbfolge nach dem Ableben des überlebenden Ehegatten in dem gemeinschaftlichen Testament nicht, sondern lassen sie diese offen,

fällt dem Überlebenden der Nachlass des Erstversterbenden zu und dieser kann über das Gesamtvermögen – auch von Todes wegen – frei verfügen.
Errichtet der Überlebende nach dem Tod des Erstverstorbenen keine weitere letztwillige Verfügung,

  • tritt bei seinem Ableben gesetzliche Erbfolge ein,
  • d.h. in diesem Fall fließt das gesamte Vermögen beider Eheleute (nur) den gesetzlichen Erben des Überlebenden zu.

Wollen Ehegatten, die sich in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig als Erben eingesetzt haben, zusätzlich,

  • mit Bindungswirkung für den Überlebenden,
  • d.h. mit der Folge, dass dieser dann in seiner Testierfreiheit eingeschränkt ist und jede seine anderweitigen Verfügungen von Todes wegen unwirksam ist,

bestimmen, dass

  • nach dem Tod des Überlebenden der beiderseitige Nachlass an einen Dritten bzw. mehrere Dritte fallen soll,
  • beispielsweise an ein Kind oder an bestimmte Kinder der Ehegatten oder eines Ehegatten,

haben Ehegatten zwei Möglichkeiten.

Die Ehegatten können entweder,

  • den Überlebenden als befreiten oder nicht befreiten Vorerben (vgl. § 2136 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) des Erstversterbenden und
  • einen Dritten oder mehrere Dritte als Nacherben (vgl. § 2100 BGB) des Erstversterbenden einsetzen, wobei dann
    • mit dem Tod des erstversterbenden Ehegatten
      • der überlebende Ehegatte befreiter oder nicht befreiter Vorerbe (des Vermögens) des erstversterbenden Ehegatten und
      • der Dritte bzw. die Dritten Nacherbe(n) (des Vermögens) des erstversterbenden Ehegatten wird/werden sowie
    • mit dem Tod des längstlebenden Ehegatten
      • der Nacherbfall eintritt und der Dritte bzw. die Dritten Nacherbe(n) (des Vermögens) des Erstverstorbenen und
      • Erbe(n) (des Vermögens) des Längstlebenden wird/werden,

oder die Ehegatten können

  • den überlebenden Ehegatten als Vollerben und
  • einen Dritten oder mehrere Dritte wechselbezüglich im Sinne des § 2077 Abs. 1 BGB als Schlusserben einsetzen,
    • wobei in diesem Fall nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten, wenn es sich bei dem bzw. den Dritten um ein Kind bzw. Kinder des Erstverstorbenen handelt, dieses bzw. diese von der Erfolge ausgeschlossen ist/sind und
    • erst nach dem Tod des längstlebenden Ehegatten Erbe(n) des (noch) vorhandenen Vermögens wird/werden.

Im erstgenannten Fall, in dem der überlebende Ehegatte befreiter oder nicht befreiter Vorerbe des Vermögens des erstverstorbenen Ehegatten wird,

  • unterliegt er gewissen Verfügungsbeschränkungen und
  • können als Nacherben eingesetzte Kinder des erstverstorbenen Ehegatten ihren Pflichtteilsanspruch nach dem Tod ihres erstverstobenen Elternteils gegen ihn nur geltend machen, wenn sie die Nacherbschaft ausschlagen (vgl. § 2306 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 Fall 1, Abs. 2 BGB),

während im zweitgenannten Fall, in dem der überlebende Ehegatte Vollerbe des Vermögens des erstverstorbenen Ehegatten wird,

  • er, abgesehen von, den eingesetzten Schlusserben beeinträchtigenden Schenkungen im Sinne des § 2287 Abs. 1 BGB, unter Lebenden völlig frei über den Nachlass verfügen kann,
  • von ihm als Schlusserben eingesetzte Kinder des erstverstorbenen Ehegatten in diesem Fall allerdings ihren Pflichtteil verlangen können und
    • die Ehegatten deshalb überlegen sollten, ob sie, um pflichtteilsberechtigte Kinder zu veranlassen, auf die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs zu verzichten, in das gemeinschaftliches Testament eine sog. Pflichtteilsstrafklausel aufnehmen, d.h. bestimmen wollen,
    • dass, wenn ein als Schlusserbe eingesetztes Kind nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils seinen Pflichtteilsanspruch geltend machen sollte, es auch nach dem Tod des Überlebenden nur den Pflichtteil erhalten soll.

Wollen Ehegatten,

  • die Kinder haben,

verhindern, dass,

  • wenn der überlebende Ehegatte wieder heiratet,

der neue Ehegatte mit in den Genuss des Teils des Nachlasses des erstverstorbenen Ehegatten kommt,

  • der bei gesetzlicher Erbfolge den Kindern zustehen würde,

können sie in dem gemeinschaftlichen Testament, wenn sie

  • den Überlebenden als befreiten oder nicht befreiten Vorerben (vgl. § 2136 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) des Erstversterbenden und
  • ein Kind bzw. Kinder als Nacherben (vgl. § 2100 BGB) des Erstversterbenden eingesetzt haben,

zusätzlich bestimmen,

  • dass der Nacherbfall auch im Fall der Wiederheirat des überlebenden Ehegatten eintreten soll

oder wenn sie

  • den überlebenden Ehegatten als Vollerben und
  • ein Kind bzw. Kinder als Schlusserben eingesetzt haben,

beispielsweise zusätzlich verfügen, dass,

  • falls der überlebende Ehegatte wieder heiratet, er Vorerbe und das Kind bzw. die Kinder Nacherben sein sollen.

Ihr Rechtsanwalt berät Sie gern über die Einzelheiten der verschiedenen Möglichkeiten die Ehegatten haben, die jeweiligen Vor- und Nachteile der einzelnen Möglichkeiten sowie die damit für den überlebenden Ehegatten verbundenen Rechtsfolgen und die Formulierungen, die Sie verwenden sollten, damit das Testament auch Ihrem Willen entspricht.

Was Ehegatten wissen müssen, wenn sie sich gegenseitig beerben wollen und nach ihrem Tod die Kinder erben sollen

Ehegatten die möchten, dass nach ihrem Tod

  • ihre Kinder Erben werden,
  • aber nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten zunächst Erbe der überlebende Ehegatte sein soll,

können ein gemeinschaftliches Testament nach § 2269 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) errichten und in diesem entweder,

  • sofern sie wollen, dass beim Tod des längerlebenden Ehegatten das Gesamtvermögen getrennt nach dem Vermögen des Vorverstorbenen und dem Eigenvermögen des Überlebenden vererbt werden und als je getrennte Vermögensmassen auf die (Nach-)Erben übergehen soll (sog. Trennungslösung),

bestimmen (Möglichkeit 1),

  • dass nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten der Längerlebende befreiter oder nicht befreiter Vorerbe (vgl. § 2136 BGB) des erstversterbenden Ehegatten und
  • nach dessen Tod die Kinder Nacherben (vgl. § 2100 BGB) des Erstversterbenden und Vollerben des Zweitversterbenden werden sollen,
    • wobei in diesem Fall die Kinder, weil sie als Nacherben des erstversterbenden Ehegatten eingesetzt und damit nicht nach § 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB von der Erfolge nach diesem ausgeschlossen worden sind,
    • den ihnen nach dem Tod des erstverstorbenen Elternteils zustehenden Pflichtteilsanspruch gegen den anderen Elternteil als Vorerben des erstverstorbenen Elternteils nur geltend machen können, wenn sie die Nacherbschaft ausschlagen (vgl. § 2306 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 Fall 1, Abs. 2 BGB).

oder,

  • wenn sie ihr Vermögen, was im Zweifel anzunehmen ist, als Einheit ansehen, das (abgesehen von dem unten aufgeführten Fall der Wiederheirat des Überlebenden) durch den Tod des erstversterbenden Ehegatten nicht in zwei getrennte Vermögensmassen zerfallen soll (sog. Einheitsprinzip),

verfügen (Möglichkeit 2),

  • dass nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten der Überlebende Vollerbe des erstversterbenden Ehegatten und
  • nach dessen Tod die Kinder Schlusserben des gesamten Nachlasses der Ehegatten werden sollen,
    • wobei in diesem Fall die Kinder Erben erst nach dem Tod des längerlebenden Elternteils werden, sie also nach § 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB von der Erbfolge nach dem erstverstorbenen Elternteil ausgeschlossen sind und
    • demzufolge den ihnen nach dem Tod des erstverstorbenen Elternteils zustehenden Pflichtteilsanspruch gegen den anderen Elternteil als Vollerben des erstverstorbenen Elternteils geltend machen können.

Um die Kinder im letztgenannten Fall, also bei der Möglichkeit 2,

  • in dem sie erst als Schlusserben nach dem längerlebenden Elternteil eingesetzt sind, zu veranlassen, auf die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs gegen den als Vollerben des erstversterbenden Elternteils eingesetzten längerlebenden Elternteil zu verzichten,

kann in das gemeinschaftliches Testament eine sog. Pflichtteilsstrafklausel aufgenommen, d.h., festgelegt werden,

  • dass, wenn eines der Kinder nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils den Pflichtteilsanspruch geltend machen sollte, es auch nach dem Tod des längerlebenden Elternteils nur den Pflichtteil erhalten soll.

Im erstgenannten obigen Fall, also der Möglichkeit 1, in dem die Kinder als Nacherben des erstversterbenden Elternteils eingesetzt sind, bedarf es einer solchen Pflichtteilsstrafklausel deshalb nicht, weil die Kinder, wenn sie den Pflichtteil erhalten wollen, den Nacherbteil ausschlagen müssten (§ 2306 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 Fall 1, Abs. 2 BGB).

Wollen die Ehegatten verhindern, dass, wenn der überlebende Ehegatte wieder heiratet, der neue Ehegatte mit in den Genuss des Teils des Nachlasses des erstverstorbenen Ehegatten kommt, der bei gesetzlicher Erbfolge den Kindern zustehen würde, können sie in dem gemeinschaftlichen Testament

  • wenn sie sich für die Möglichkeit 1 entschieden haben, in dem der längerlebende Ehegatte als Vorerbe des erstversterbenden Ehegatten und die Kinder als dessen Nacherben eingesetzt worden sind, zusätzlich bestimmen,
    • dass der Nacherbfall auch im Fall der Wiederheirat des überlebenden Ehegatten eintreten soll

oder

  • in dem sie, wenn sie die Möglichkeit 2 gewählt haben, in der der längerlebende Ehegatte nicht nur als Vorerbe des verstorbenen Ehegatten sondern als dessen alleiniger Vollerbe und die Kinder erst als Schlusserben des gesamten Nachlasses der Ehegatten nach dem Tod des letztversterbenden Elternteils eingesetzt sind, beispielsweise verfügen,
    • dass, falls der überlebende Ehegatte wieder heiratet gesetzliche Erbfolge eintreten soll,
    • was zur Folge hat, dass im Fall der Wiederheirat des überlebenden Ehegatten und nur in diesem Fall eine Trennung der Vermögen nach dem Vermögen des Vorverstorbenen und dem Eigenvermögen des Überlebenden erfolgt und der überlebende Ehegatte dann vom Nachlass des Erstverstorbenen ½ und die Kinder, angenommen es wären zwei, jeweils ¼ erhalten würden.

Der als Vollerbe des erstverstorbenen Ehegatten eingesetzte überlebende Ehegatte wird bei der Möglichkeit 2 damit zugleich für den Fall einer erneuten Heirat zum

  • auflösend bedingten Vollerben und
  • aufschiebend bedingten Vorerben

hinsichtlich der Hälfte des Nachlasses des erstverstorbenen Ehegatten (vgl. hierzu Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 06.11.1985 – IVa ZB 5/85 –).
Das heißt, er verliert seine Stellung als alleiniger Vollerbe des vorverstorbenen Ehegatten, wenn er heiratet, mit der Eheschließung.

Denn für den Fall der Wiederheirat des Überlebenden hat

  • die Hälfte des Nachlasses des erstverstorbenen Ehegatten, die mit der Eheschließung des überlebenden Ehegatten an die beiden Kinder als Nacherben geht,
  • der Überlebende vorher als Vorerbe erhalten.

Das bedeutet:

  • Stirbt der seinen Ehegatten Überlebende, ohne wieder geheiratet zu haben, so ist mit seinem Tod seine Stellung als Vollerbe des verstorbenen Ehegatten endgültig geworden.
    Die beiden Kinder werden in diesem Fall nach dem Tod des letztversterbenden Elternteils Schlussmiterben zu jeweils ½.
  • Heiratet der überlebende Ehegatte dagegen wieder, werden die beiden Kinder am Nachlass des verstorbenen Elternteils Nacherben zu je ¼.
    In diesem Fall erben die beiden Kinder zweimal nacheinander, nämlich bei Wiederheirat des überlebenden Elternteils als Nacherben des erstverstorbenen Elternteils und nach dem Tod des letztversterbenden Elternteils als Schlusserben (vgl. hierzu auch Oberlandesgericht (OLG) Celle, Beschluss vom 04.10.2012 – 6 W 180/12 – wonach der für den Fall erneuter Heirat zum auflösend bedingten Voll- und aufschiebend bedingten Vorerben eingesetzte Ehegatte in der Verfügung über das geerbte Vermögen nur im Falle dieser Heirat und auch nur von diesem Zeitpunkt an wie ein Vorerbe beschränkt ist).

Darüber, was Sie in Ihrem speziellen Einzelfall beachten müssen und wie Sie Ihren letzten Willen formulieren sollten, kann Sie ein Rechtsanwalt Ihres Vertrauens informieren.