Tag Pressefreiheit

Was man wissen sollte, wenn man gegen die Veröffentlichung seines Fotos in Presseerzeugnissen vorgehen,

…. also ein Medienunternehmen auf Unterlassung einer Bildberichterstattung in Anspruch nehmen will.

Ob eine Bildveröffentlichung zulässig ist, beurteilt sich nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (KUG).

Danach sind die Verbreitung und die zur Schau Stellung des Bildes einer Person,

  • falls sie nicht von der Einwilligung des Abgebildeten gedeckt sind (§ 22 Satz 1 KUG),

nur zulässig, wenn es sich handelt, um

  • ein Bild, das dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen ist,
  • ein Bild, auf dem die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen,
  • ein Bild von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben oder
  • ein Bildnis, das nicht auf Bestellung angefertigt ist, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient

und

  • berechtigte Interessen des Abgebildeten, oder falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen nicht verletzt werden (§ 23 KUG).

Für die Beurteilung, ob ein Bild

  • dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen ist (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) und
  • die Verbreitung berechtigte Interessen der abgebildeten Person verletzt (§ 23 Abs. 2 KUG)

ist maßgebend einerseits, dass

  • der Begriff des Zeitgeschehens vom Interesse der Öffentlichkeit bestimmt wird und im Hinblick auf den Informationsbedarf der Öffentlichkeit nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung umfasst, sondern ganz allgemein das Geschehen der Zeit, also alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse,
  • Medien, weil dies zum Kern der Presse- und Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG), Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gehört,
    • im Grundsatz nach ihren eigenen publizistischen Kriterien entscheiden können, was sie des öffentlichen Interesses für wert halten und was nicht,
    • es Medien im Rahmen einer zulässigen Berichterstattung grundsätzlich auch frei steht, Textberichte durch Bilder zu illustrieren und
    • Bildaussagen am verfassungsrechtlichen Schutz des Berichts teilnehmen, dessen Bebilderung sie dienen,

andererseits aber auch, dass ein Informationsinteresse

  • nicht schrankenlos besteht,
  • sondern der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK) begrenzt wird durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, so dass
    • nicht alles, wofür sich Menschen aus Langeweile, Neugier und Sensationslust interessieren, dessen visuelle Darstellung in der breiten Medienöffentlichkeit rechtfertigt

und mithin abgewogen werden muss, welcher Rechtsposition,

  • im jeweiligen Einzelfall

der Vorrang einzuräumen ist.

Von Bedeutung bei dieser Abwägung ist neben der Rolle, die dem Betroffenen in der Öffentlichkeit zukommt, also ob es sich dabei handelt, um

  • einen Politiker,
  • eine sonstige im öffentlichen Leben oder im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehenden Person oder
  • eine, einen besonderen Schutz ihres Privatlebens genießende Privatperson,

ob im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse

  • ernsthaft und sachbezogen erörtert, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllt und einen Beitrag mit Informationswert zur öffentlichen Meinungsbildung geleistet haben oder
  • ob lediglich die Neugier der Leser nach privaten Angelegenheiten prominenter Personen befriedigt worden ist,

sowie für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes daneben auch,

  • der Anlass der Berichterstattung,
  • die Umstände unter denen die Aufnahme entstanden ist,
  • in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt worden ist sowie
  • die Intensität des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht.

Darauf hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 09.04.2019 – VI ZR 533/16 – hingewiesen.

BGH entscheidet: Bildberichterstattung über einen privaten Restaurantbesuch kann bei Politikern zulässig sein

Im Zusammenhang mit der Presseberichterstattung über ein bedeutendes politisches Ereignis,

  • beispielsweise einer Misstrauensabstimmung im Abgeordnetenhaus,

kann

  • die ohne Einwilligung erfolgende Veröffentlichung von Fotos,

die den davon betroffenen Politiker am Vorabend in einer für sich genommen privaten Situation zeigen,

  • durch das Informationsinteresse der Allgemeinheit gerechtfertigt sein.

Darauf und dass in einem solchen Fall

  • unter Berücksichtigung des Kontextes der Bildberichterstattung die Fotos dem Bereich der Zeitgeschichte nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (KunstUrhG) zuzuordnen sein können und
  • der durch Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützten Pressefreiheit Vorrang vor dem Persönlichkeitsrecht des Politikers einzuräumen sein kann,

hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 27.09.2016 – VI ZR 310/14 – hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall, in dem die Fotos

  • den Politiker in einer eher unverfänglichen Situation beim Abendessen in einem bekannten, von prominenten Personen besuchten Restaurant zeigten und
  • mit dem Text versehen waren, dass der Politiker „am Vorabend der Abstimmung im Parlament ersichtlich entspannt wirkt … und sich einen Drink in einer Bar genehmigt“,

sah der Senat keine berechtigten Interessen des abgebildeten Politikers im Sinne des § 23 Abs. 2 KunstUrhG verletzt und wies deshalb dessen Klage auf Unterlassung der Veröffentlichung der Bilder ab (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 27.09.2016 – Nr. 167/2016 –).

Was man wissen sollte, wenn man sich gegen einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung wehren möchte

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist Teil des in Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG), Art. 8 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verankerten allgemeinen Persönlichkeitsrechts und umfasst die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis der Person, grundsätzlich selbst darüber zu entscheiden,

  • ob,
  • wann und
  • innerhalb welcher Grenzen

persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden.

Allerdings gewährt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung

Greift beispielsweise eine Presseveröffentlichung in das informationelle Selbstbestimmungsrecht einer Person ein und wird von dieser die Unterlassung der Veröffentlichung verlangt, ist abzuwägen, welchem Recht im konkreten Einzelfall der Vorrang einzuräumen ist,

  • dem von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Recht des von der Veröffentlichung Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung oder
  • dem von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Recht der Pressefreiheit.

Zu berücksichtigen dabei ist, dass,

  • durch in das Recht von Kindern und Jugendlichen auf informationelle Selbstbestimmung eingreifende Presseberichterstattung deren Persönlichkeitsentwicklung empfindlicher gestört werden als die von Erwachsenen und
  • auch für Kinder prominenter Eltern ein von medialer Beobachtung und Kommentierung geschützter Freiraum insbesondere dann bestehen muss, wenn sie sich weder durch eigenes Verhalten, noch durch ihre Eltern der Öffentlichkeit ausgesetzt haben.

Andererseits darf aber auch nicht außer Acht gelassen werden, dass,

  • wenn Gegenstand einer Veröffentlichung ausschließlich bereits einem breiten Empfängerkreisen bekannt gemachte Informationen sind,
  • solche Informationen in geringerem Maße in das informationelle Selbstbestimmungsrecht eingreifen als ihre erstmalige Veröffentlichung.

Darauf hat die 3. Kammer des Ersten Senats des BVerfG mit Beschluss vom 28.07.2016 – 1 BvR 335/14, 1 BvR 1621/14, 1 BvR 1635/14, 1 BvR 2464/15 – hingewiesen und entschieden, dass die Adoptivtöchter eines Fernsehmoderators ihre Erwähnung in der angegriffenen Wortberichterstattung hinnehmen müssen,

  • da dieselbe Information bereits in mehreren, nicht beanstandeten Artikeln veröffentlicht worden war,
  • es sich dabei auch allein um den Vornamen, die Abstammung und das Alter der Adoptivtöchter gehandelt hatte und
  • eine optische Erkennbarkeit der Kinder für die breitere Öffentlichkeit nicht gegeben war.