Tag Richter

Was Parteien über die Möglichkeit, einen Richter im Zivilprozess wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wissen sollten

Die Ablehnung eines Richters ist Ausfluss des aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) erfolgenden Anspruchs des Rechtssuchenden auf einen unabhängigen und unparteiischen Richter.

  • Wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden kann ein Richter, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)),
  • was beispielsweise dann der Fall ist, wenn
    • auch eine unvoreingenommene Partei aus einer Äußerung des abgelehnten Richters den Schluss ziehen kann, der Richter stehe ihr parteiisch gegenüber oder
    • eine bestimmte Formulierung bzw. ein bestimmtes Verhalten geeignet ist, auch bei einer vernünftigen Partei Zweifel an der Unvoreingenommenheit des abgelehnten Richters zu wecken.

Dabei kommt es nicht darauf an, ob der abgelehnte Richter tatsächlich befangen ist, sondern darauf, ob ein Prozessbeteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit eines Richters zu zweifeln.
Rein subjektive, unvernünftige oder eingebildete Vorstellungen des Ablehnenden scheiden aus.
Unerheblich ist dabei auch, ob sich der abgelehnte Richter selber befangen fühlt.

  • Angebracht werden muss das Ablehnungsgesuch im Zivilprozess von der ablehnenden Partei – unter Glaubhaftmachung des Ablehnungsgrundes (§ 44 Abs. 2 ZPO) – bei dem Gericht, dem der abgelehnte Richter angehört (§ 44 Abs. 1 ZPO) und
  • die der Partei bekannten Ablehnungsgründe müssen von ihr geltend gemacht werden, bevor sie sich in die Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat.

Denn nicht mehr ablehnen wegen Besorgnis der Befangenheit kann eine Partei im Zivilprozess den Richter, wenn sie sich bei ihm,

  • ohne den ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen,
  • in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat (§ 43 ZPO).

Erfolgt die Richterablehnung erst nachdem die Partei

  • sich in die Verhandlung eingelassen oder
  • Anträge gestellt hat,

muss die Partei

  • glaubhaft machen,

dass der Ablehnungsgrund erst später

  • entstanden oder
  • ihr bekannt geworden ist (§ 44 Abs. 4 ZPO).

Wird ein Richter in der mündlichen Verhandlung abgelehnt, muss der Ablehnungsgrund individualisiert bzw. begründet werden.

  • Die bloße Erklärung einer Partei, sie lehne den Richter ab und werde die Begründung nachreichen, ist nämlich noch kein wirksames Ablehnungsgesuch.

Zur schriftlichen Formulierung und zur Nachreichung der Ablehnungsgründe muss der Partei vom Gericht, wenn es die Ablehnungsgründe nicht ins Protokoll aufnehmen will, ausreichend Zeit – durch entsprechende Unterbrechung der Verhandlung – gegeben werden.

  • Bei einer während der Verhandlung erfolgten Richterablehnung kann der Termin, wenn die Entscheidung über die Ablehnung eine Vertagung der Verhandlung erfordern würde, unter Mitwirkung des abgelehnten Richters fortgesetzt werden.
  • Ansonsten darf ein abgelehnter Richter vor der Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur noch solche Handlungen vorzunehmen, die keinen Aufschub gestatten (§ 47 ZPO).

Anschließend sind, nach Ausfertigung des Protokolls, für die weitere Bearbeitung des Ablehnungsgesuchs,

  • insbesondere für die Anforderung der dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters (§ 44 Abs. 3 ZPO),

die Akten dem nach § 45 ZPO für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch zuständigen Richter zuzuleiten (Oberlandesgericht (OLG) München, Beschluss vom 07.02.2018 – 13 W 119/18 –).

  • Wird das gestellte Ablehnungsgesuch durch Beschluss für unbegründet erklärt, kann gegen die Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt werden (§ 46 Abs. 2 HS 2 ZPO).

Was Zeugen, die aus persönlichen Gründen ein Zeugnisverweigerungsrecht haben, wissen sollten

In einem strafrechtlichen (Ermittlungs-)Verfahren sind nach § 52 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt,

  • die/der Verlobte der/des Beschuldigten oder die Person, mit der die/der Beschuldigte ein Versprechen eingegangen ist, eine Lebenspartnerschaft zu begründen,
  • der Ehegatte der/des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht,
  • die Lebenspartnerin der Beschuldigten bzw. der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht und
  • wer mit der/dem Beschuldigten
    • in gerader Linie verwandt oder verschwägert,
    • in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.

Die Vorschrift trägt der besonderen Lage eines Zeugen Rechnung, der als Angehöriger des Beschuldigten der Zwangslage ausgesetzt sein kann, seinen Angehörigen zu belasten oder die Unwahrheit sagen zu müssen. Die Norm soll in erster Linie den Zeugen vor Konflikten schützen, die aus den Besonderheiten der Vernehmungssituation entstehen,

  • insbesondere einerseits durch die Wahrheitspflicht bei der Zeugenvernehmung und
  • andererseits durch die sozialen Pflichten, die aus der persönlichen Bindung gegenüber dem Beschuldigten bzw. Angeklagten erwachsen.

Ein nach § 52 Abs. 1 StPO zeugnisberechtigter Zeuge ist vor jeder Vernehmung über sein Recht zur Verweigerung des Zeugnisses zu belehren (vgl. § 52 Abs. 3 Satz 1 StPO, gegebenenfalls i.V.m. § 163 Abs. 3 Satz 1, wenn die Vernehmung durch die Polizei bzw. i.V.m. § 161a Abs. 1 Satz 2 StPO, wenn die Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft erfolgt).

Nach der Belehrung über sein Zeugnisverweigerungsrecht muss der Zeuge entscheiden, ob er von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht oder zur Sache aussagt.

Wichtig zu wissen für den nach § 52 Abs. 1 StPO zeugnisberechtigten Zeugen ist, dass, wenn er im Ermittlungsverfahren

  • von der Polizei oder
  • von der Staatsanwaltschaft

vernommen wird und bei dieser Vernehmung von seinem Zeugnisverweigerungsverweigerungsrecht keinen Gebrauch macht, sondern zur Sache aussagt,

  • dass der Inhalt dieser Aussage im Verfahren gegen den Beschuldigten dann nicht verwertbar ist,
  • wenn er in der nachfolgenden Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 Abs. 1 StPO Gebrauch macht.

Die frühere bei der Polizei oder der Staatsanwaltschaft gemachte Aussage darf dann auch nicht durch eine Vernehmung der Verhörsperson, also des Polizeibeamten bzw. des Staatsanwalts der den Zeugen vernommen hat, in die Hauptverhandlung eingeführt werden.

Anders ist es, wenn der Zeuge

  • von einem Richter

vernommen wird.

Denn Bekundungen, die ein nach § 52 Abs. 1 StPO zeugnisberechtigter Zeuge nach Belehrung über sein Zeugnisverweigerungsrecht

  • vor einem Richter gemacht hat

sind vom Verwertungsverbot ausgenommen,

  • so dass eine frühere bei einer (ermittlungs)richterlichen Vernehmung gemachte Aussage durch Vernehmung des Richters, der den Zeugen vernommen hat, in die Hauptverhandlung eingeführt und bei der Urteilsfindung verwertet werden kann.

Hierauf hingewiesen muss der Zeuge von dem Richter bei der Vernehmung nicht (BGH, Beschluss vom 15.07.2016 – GSSt 1/16 –).