Tag Schmähkritik

BGH entscheidet, wann ein Verkäufer eines über die Internetplattform eBay veräußerten Produkts von dem Käufer 

…. Entfernung seiner abgegebenen negativen Bewertung verlangen kann und wann nicht. 

Mit Urteil vom 28.09.2022 – VIII ZR 319/20 – hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in einem Fall, in dem ein Käufer von einem Verkäufer  

  • über die Internetplattform eBay, 

auf der Grundlage der zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen 

  • Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay, 

die unter § 8 Bewertungen u.a. bestimmten, dass

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Wonach beurteilt sich, ob (gravierend) ehrverletzende und damit unsachliche Äußerungen als Beleidigung strafbar oder (noch) durch

…. die Meinungsfreiheit geschützt sind?

In vier Beschlüssen vom 19.05.2020 – 1 BvR 2459/19, 1 BvR 2397/19, 1 BvR 1094/19, 1 BvR 362/18 – hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) darauf hingewiesen, dass zur Beurteilung, ob 

  • eine (gravierend) ehrbeeinträchtigende Äußerung 

rechtswidrig und unter den Voraussetzungen der §§ 185, 193 Strafgesetzbuch (StGB) strafbar ist oder nicht, es, 

  • – sofern nicht (schon) der Sonderfall einer Schmähkritik, einer Formalbeleidigung oder einer Verletzung der Menschenwürde vorliegt, hinter die die Meinungsfreiheit ausnahmsweise stets zurücktritt –   

zunächst der Ermittlung 

  • des Sinns der infrage stehenden Äußerung

bedarf und anschließend daran, 

  • unter Berücksichtigung der kontextbezogenen Bedeutung der Äußerung in der konkreten Situation,

einer Abwägung,  

  • mit Blick auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG)) einerseits und 
  • das aus Art 2 Abs. 1 GG (der freien Entfaltung) sowie Art 1 Abs. 1 GG (der Menschenwürde) abgeleitete Persönlichkeitsrecht des von der Äußerung Betroffenen andererseits, 

ob in dem jeweiligen Einzelfall  

  • das Gewicht der Ehre
  • die Meinungsfreiheit des Äußernden. 

überwiegt.

Bei dieser gebotenen Abwägung kann (mit) wesentlich sein,

  • ob die Äußerung bzw. inwieweit sie grundlegende, allen Menschen gleichermaßen zukommende Achtungsansprüche betrifft oder eher das jeweils unterschiedliche soziale Ansehen des Betroffenen,
  • ob die Äußerung darauf abzielt, einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten oder ob es hiervon unabhängig lediglich um die emotionalisierende Verbreitung von Stimmungen gegen einzelne Personen geht, 
  • ob die Äußerung sich richtet gegen Personen, die, wie etwa Politiker bewusst in die Öffentlichkeit treten oder solche, denen als staatliche Amtswalter ohne ihr besonderes Zutun eine Aufgabe mit Bürgerkontakt übertragen wurde,
  • ob Gegenstand der Äußerung das öffentliche Wirken einer Person oder ihr Privatleben ist,
  • ob es sich um eine ins Persönliche gehende (öffentliche) Beschimpfung, Verächtlichmachung oder Hetze handelt,
  • ob die Äußerung unvermittelt in einer hitzigen Situation oder im Gegenteil mit längerem Vorbedacht gefallen ist, 
  • ob und inwieweit für die betreffende Äußerung ein konkreter und nachvollziehbarer Anlass bestanden hat und
  • die konkrete Breitenwirkung die die Äußerung entfaltet. 

Übrigens:
Eine Schmähung,

  • bei der ebenso, wie bei einer Formalbeleidigung oder einer Verletzung der Menschenwürde, die Meinungsfreiheit stets (ausnahmsweise) zurücktritt – somit auch eine Abwägung, wie oben dargestellt, entbehrlich ist -,  

zeichnet sich dadurch aus, dass die Äußerung

  • keinen irgendwie nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung hat und 
  • es bei ihr allein um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher geht,

wie bei Fällen, 

  • in denen eine vorherige Auseinandersetzung erkennbar nur äußerlich zum Anlass genommen wird, um über andere Personen herzuziehen oder sie niederzumachen, etwa aus verselbständigter persönlicher Feindschaft („Privatfehde“) 

oder aber auch dann, 

  • wenn – insbesondere unter den Kommunikationsbedingungen des Internets – Personen ohne jeden nachvollziehbaren Bezug zu einer Sachkritik grundlos aus verwerflichen Motiven wie Hass- oder Wutgefühlen heraus verunglimpft und verächtlich gemacht werden. 

Um eine Formalbeleidigung kann es sich handeln bei der Verwendung 

  • mit Vorbedacht und nicht nur in der Hitze einer Auseinandersetzung 

von, 

  • nach allgemeiner Auffassung 

besonders krassen, aus sich heraus herabwürdigenden Schimpfwörtern – etwa aus der Fäkalsprache -.

Eine Verletzung der Menschenwürde liegt vor, wenn die Äußerung 

  • sich nicht lediglich gegen einzelne Persönlichkeitsrechte richtet, 
  • sondern einer konkreten Person den ihre menschliche Würde ausmachenden Kern der Persönlichkeit abspricht (Quelle: Pressemitteilung des BVerfG).

Hinweis:
Vergleiche in diesem Zusammenhang auch die Beschlüsse der 3. Kammer des Ersten Senats des BVerfG

sowie dazu, wann die Unterlassung einer nicht erweislich wahren Tatsachenbehauptung verlangt werden kann und wann nicht,

Was bei der Beurteilung einer Äußerung als Schmähkritik oder Meinungsäußerung zu beachten ist

…. und warum die zutreffende Einordnung so wichtig ist.

Unter den Schutz der Meinungsfreiheit fallen Werturteile und Tatsachenbehauptungen,

  • wenn und
  • soweit

sie zur Bildung von Meinungen beitragen.

  • Allerdings wird das Grundrecht auf Meinungsfreiheit nicht vorbehaltlos gewährt, sondern findet seine Schranken in den allgemeinen Gesetzen.

Dies verlangt deshalb grundsätzlich eine Abwägung zwischen

  • der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung einerseits und
  • der Einbuße an Meinungsfreiheit durch ihr Verbot andererseits,

dessen Ergebnis von den Umständen des Einzelfalls abhängt.

Zu beachten ist hierbei indes, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG)

  • nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen schützt,
  • sondern gerade Kritik auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen darf;
    insoweit liegt die Grenze zulässiger Meinungsäußerungen nicht schon da, wo eine polemische Zuspitzung für die Äußerung sachlicher Kritik nicht erforderlich ist.

Einen Sonderfall bilden hingegen

  • herabsetzende Äußerungen,

die sich als

  • Formalbeleidigung oder
  • Schmähung

darstellen.

  • Dann ist ausnahmsweise keine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig, weil die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurücktreten wird.

Diese für die Meinungsfreiheit einschneidende Folge gebietet es aber, hinsichtlich des Vorliegens von Formalbeleidigungen und Schmähkritik strenge Maßstäbe anzuwenden.

  • Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik von Verfassungs wegen eng zu verstehen.

Auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung.

  • Eine Äußerung nimmt diesen Charakter erst dann an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern – jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik – die Diffamierung der Person im Vordergrund steht.

Sie liegt bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt.
Die Annahme einer Schmähung hat wegen des mit ihr typischerweise verbundenen Unterbleibens einer Abwägung gerade in Bezug auf Äußerungen, die als Beleidigung und damit als strafwürdig beurteilt werden, ein eng zu handhabender Sonderfall zu bleiben.

Darauf hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) mit Beschluss vom 08.02.2017 – 1 BvR 2973/14 – hingewiesen.

Bei der Einordnung einer Äußerung ist deswegen stets zu fragen, was damit gewollt war und ob es dem Äußernden ausschließlich um die persönliche Herabsetzung des anderen oder (auch) um etwas anderes ging.

Wovon hängt es ab, ob Werturteile durch die Meinungsfreiheit geschützt sind oder nicht?

Ob Werturteile und/oder Tatsachenbehauptungen

  • strafbar sind, beispielsweise als Beleidigung nach § 185 Strafgesetzbuch (StGB) bzw.
  • deren Unterlassung verlangt werden kann,

hängt,

  • weil das Grundrecht der Meinungsfreiheit, unter deren Schutz Werturteile und Tatsachenbehauptungen fallen, wenn und soweit sie zur Bildung von Meinungen beitragen, nicht vorbehaltlos gewährt wird,
  • sondern seine Schranken in den allgemeinen Gesetzen findet, zu denen auch die Vorschrift des § 185 StGB gehört,

grundsätzlich ab vom Ergebnis der vorzunehmenden Einzelfallabwägung zwischen

  • der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung einerseits und
  • der Einbuße an Meinungsfreiheit durch ihr Verbot andererseits.

Beachtet werden muss dabei, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG)

  • nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen schützt,
  • sondern gerade Kritik auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen darf.

Insoweit liegt die Grenze zulässiger Meinungsäußerungen nicht schon da, wo eine polemische Zuspitzung für die Äußerung sachlicher Kritik nicht erforderlich ist.

Einen Sonderfall,

  • in dem ausnahmsweise keine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig ist,
  • weil die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurücktreten wird,

bilden herabsetzenden Äußerungen, die sich als

  • Formalbeleidigung oder
  • Schmähung

darstellen.

Wegen dieses die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Formalbeleidigung bzw. Schmähkritik von Verfassung wegen allerdings eng zu verstehen.

  • Auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik mit ehrbeeinträchtigendem Gehalt macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung.

Eine Äußerung nimmt diesen Charakter vielmehr erst dann an,

  • wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache,
  • sondern – jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik – die Diffamierung der Person im Vordergrund steht,
    • also der ehrbeeinträchtigende Gehalt der Äußerung von vornherein außerhalb jedes in einer Sachauseinandersetzung wurzelnden Verwendungskontextes steht oder
    • der Sachbezug nur als mutwillig gesuchter Anlass oder Vorwand genutzt wird, um den anderen zu diffamieren.

Sie liegt bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt.

Darauf hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) mit Beschluss vom 29.06.2016 – 1 BvR 2646/15 – hingewiesen.