Tag Selbstbestimmungsrecht

Was man über sein Selbstbestimmungsrecht bei Entscheidungen über sein eigenes Leben wissen sollte und

…. was zu wissen insbesondere auch für die behandelnden Ärzte wichtig ist.

Nach dem Grundgesetz (GG) ist jeder Mensch,

  • der volljährig ist und
  • seinen Willen frei bilden sowie entsprechend handeln kann,

frei,

  • über den Umgang mit seiner Gesundheit

nach eigenem Gutdünken zu entscheiden.

Die Rechtsprechung leitet aus

  • dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 Satz 1 GG) und
  • dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG)

eine „Freiheit zur Krankheit“ ab, die es grundsätzlich einschließt, Heilbehandlungen

  • auch dann abzulehnen, wenn

sie medizinisch angezeigt sind.

  • Selbst bei lebenswichtigen ärztlichen Maßnahmen schützt das Selbstbestimmungsrecht des Patienten eine Entschließung, die aus medizinischen Gründen unvertretbar erscheint.

Das Grundgesetz garantiert dem Individuum das Recht, in Bezug auf die eigene Person aus medizinischer Sicht Unvernünftiges zu tun und sachlich Gebotenes zu unterlassen.

Durch die Erstellung einer Patientenverfügung (§ 1901a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) kann man sicherstellen, dass sein

  • in einwilligungsfähigem Zustand

ausgeübtes,

  • das Recht zur Selbstgefährdung bis hin zur Selbstaufgabe und
  • damit auch auf Ablehnung lebensverlängernder Maßnahmen, unabhängig von Art und Stadium einer Erkrankung sowie der ärztlichen Indikation der Behandlung einschließende,

Selbstbestimmungsrecht über

  • eine gewünschte Behandlung oder
  • eine nicht mehr gewünschte (Weiter)Behandlung

auch dann noch respektiert wird, wenn

  • man zu eigenverantwortlichem Entscheiden nicht mehr in der Lage ist.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 25.06.2010 – 2 StR 454/09 – demzufolge einen Behandlungsabbruch

  • – losgelöst von der Begehungsform –

als gerechtfertigt angesehen, wenn er

  • in Ansehung von § 1901a BGB dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Patientenwillen entspricht und
  • dazu dient, einem ohne Behandlung zum Tode führenden Krankheitsprozess seinen Lauf zu lassen (BGH, Urteil vom 07.2019 – 5 StR 393/18 –).

Unterstützung von Selbsttötungen sowie Unterlassen von Maßnahmen zur Rettung der bewusstlosen Suizidenten

…. sind – jedenfalls bei nicht geschäftsmäßigem Handeln – dann nicht strafbar, wenn der Suizid

  • auf einem freiverantwortlich gebildeten Selbsttötungswillen beruht und
  • sich als Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts des Sterbewilligen darstellt.

Mit Urteil vom 03.07.2019 – 5 StR 132/18 und 5 StR 393/18 – hat der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in einem Fall,

  • in dem ein Arzt auf Verlangen und ausdrücklichem Wunsch von zwei 85 und 81 Jahre alten, an mehreren nicht lebensbedrohlichen, aber ihre Lebensqualität und persönlichen Handlungsmöglichkeiten zunehmend einschränkenden Krankheiten leidenden, suizidwilligen Frauen mit dabei war,
    • als diese tödlich wirkende Medikamente einnahmen und
    • das Einleiten von Rettungsmaßnahmen nach Eintritt ihrer Bewusstlosigkeit unterlassen hatte

sowie in einem zweiten Fall,

  • in dem ein Hausarzt seiner, an einer nicht lebensbedrohlichen, aber starke krampfartige Schmerzen verursachenden Erkrankung leidende, suizidwilligen 44-jährigen Patientin auf deren ausdrücklichen Wunsch
    • Zugang zu einem in hoher Dosierung tödlich wirkenden Medikament verschafft,
    • die nach Einnahme des Medikaments bewusstlose Frau – wie von ihr zuvor gewünscht – während ihres zweieinhalb Tage dauernden Sterbens betreut und
    • keine Hilfe zur Rettung ihres Lebens geleistet hatte,

die beiden Ärzte von den Vorwürfen

  • des Totschlags durch Unterlassen nach §§ 212 Abs. 1, 13 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) und
  • der unterlassenen Hilfeleistung nach § 323c Abs. 1 StGB

freigesprochen,

  • ohne allerdings – da der Straftatbestand des § 217 StGB in den obigen beiden Fällen noch nicht in Kraft war – zu prüfen, ob danach eine Strafbarkeit wegen geschäftsmäßiger Förderung der Selbsttötung vorgelegen hat.

Begründet hat der Senat die Freisprüche damit,

  • dass die Sterbewünsche der Frauen jeweils auf einem freiverantwortlich gebildeten Selbsttötungswillen beruhten und nicht Ergebnis von psychischen Störungen waren, so dass
    • die im Vorfeld geleisteten Beiträge dazu, also die Beihilfen zu den (nicht strafbaren) Suiziden der Frauen (ebenfalls) straffrei sind,
  • dass in solchen Fällen nach Eintritt der Bewusstlosigkeit von Suizidenten dann keine Verpflichtung zur Lebensrettung besteht, wenn,
    • wie im obigen Fall 1, eine Sterbebegleitung vereinbart war oder,
    • wie im Fall 2, eine Person, die auf Grund ihrer Stellung, wie ein behandelnder Hausarzt, zur Rettung des Lebens seiner Patienten verpflichtet ist, von dieser Pflicht durch die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts der Suizidentin entbunden wurde

und

  • dass bei Suiziden, die sich als Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts der sterbewilligen Personen darstellen, Rettungsmaßnahmen entgegen deren Willen nicht geboten sind, so dass
    • auch eine Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung nach § 323c StGB ausscheidet (Quelle: Pressemittelung des BGH).

Was Patienten und Ärzte wissen sollten, wenn ein Patient sich nur von einem bestimmten Arzt operieren lassen will

Erklärt ein Patient in Ausübung seines Selbstbestimmungsrechts, er wolle sich nur von einem bestimmten Arzt operieren lassen, darf ein anderer Arzt den Eingriff nicht vornehmen.

  • Nimmt ein anderer Arzt den Eingriff dennoch vor, fehlt die wirksame Einwilligung in die Vornahme des Eingriffs, ist der in der ärztlichen Heilbehandlung liegende Eingriff in die körperliche Integrität damit rechtswidrig und haftet dieser Arzt für alle den Gesundheitszustand des Patienten betreffenden nachteiligen Folgen.

Hat sich ein Patient bewusst für einen bestimmten Arzt als Operateur entschieden und hat ein anderer Arzt den Eingriff vorgenommen, kann dieser Arzt, wenn er von dem Patienten wegen der fehlenden Einwilligung auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch genommen wird,

  • sich weder auf eine hypothetische Einwilligung des Patienten berufen,
  • noch den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens erheben, der darauf zielt, der Patient sei mit der Vornahme des Eingriffs durch einen anderen Operateur einverstanden gewesen, weil dies dem Schutzzweck des Einwilligungserfordernisses bei ärztlichen Eingriffen widerspricht (§ 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)).

In Fällen, in denen ein Eingriff durch einen bestimmten Arzt vereinbart oder konkret zugesagt ist, muss deshalb