Tag Steuerungssoftware

Dieselgate – LG Frankfurt entscheidet: Käufer eines vom Abgasskandal betroffenen VW Touran hat Schadensersatzanspruch gegen VW AG

…. wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung.

Mit Urteil vom 12.11.2018 – 2-33 O 192/18 – hat die 33. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Frankfurt entschieden, dass

  • Käufer eines PKW der Marke Volkswagen, Modell Touran
  • von der VW AG Schadensersatz

verlangen können, wenn in das Fahrzeug ein mit einer Motorsteuerungssoftware ausgestatteter Dieselmotor eingebaut worden ist,

  • die selbständig erkennt, ob sich das Fahrzeug in einer Prüfsituation oder im üblichen Straßenverkehr befindet und
  • die bewirkt, dass auf dem Prüfstand geringere Stickoxidwerte ausgestoßen werden als beim normalen Fahrbetrieb.

Begründet hat die Kammer dies damit, dass

  • die VW AG den Käufern solcher Fahrzeuge in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich einen Schaden zugefügt hat und
  • sie nach § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) deswegen zum Ersatz des den Käufern entstandenen Schadens verpflichtet ist.

Wie die Kammer ausgeführt hat,

  • liegt der Schaden der Fahrzeugkäufer in solchen Fällen darin, dass diese mit dem Abschluss des Kaufvertrages eine ungewollte Verpflichtung eingegangen sind, die sie nicht eingegangen wären, wenn sie gewusst hätten, dass das Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen ist und deswegen mit den einschlägigen Vorschriften nicht in Einklang steht,
  • ist das Verhalten des Fahrzeugherstellers sittenwidrig, weil
    • die Entwicklung und der Einbau einer Software in eine erhebliche Anzahl von Fahrzeugen, allein dem Zweck diente die Ergebnisse des behördlichen Prüfverfahrens zu manipulieren sowie über den tatsächlichen Stickoxidausstoß zu täuschen bzw. den wahren Ausstoß zu verschleiern

und

  • muss sich selbst dann, falls dem Vorstand der VW AG ein so wesentlicher Entwicklungsprozess tatsächlich unbekannt geblieben sein sollte, sich die schadensstiftenden Handlungen nach § 31 BGB zurechnen lassen, da
    • über die Entwicklung einer Motorsteuerungs-Software für Motoren, die vielfach verbaut werden sollen und mit der Abgaswerte im behördlichen Prüfverfahren beeinflusst werden sollen, in technischer und finanzieller Hinsicht mit einer Vielzahl von Entscheidungen verbunden ist,
    • nur Mitarbeiter der VW AG entschieden haben können, denen die selbständige und eigenverantwortliche Erfüllung von Führungsaufgaben im Bereich der Motorentwicklung übertragen worden war und die auf diese Weise die VW AG „repräsentierten“.

Als Schadensersatz, so die Kammer weiter, kann ein Käufer verlangen, so gestellt zu werden, wie er ohne die Täuschung über die Verwendung einer Abschalteinrichtung gestanden hätte, so dass,

  • da er das Fahrzeug dann nicht erworben hätte,
  • die VW AG die Folgen des Kaufs rückgängig machen muss, indem sie dem Käufer den von ihm seinerzeit gezahlten Kaufpreis erstattet.

Allerdings ist nach Auffassung der Kammer der Käufer im Gegenzug verpflichtet,

  • nicht nur das Fahrzeug der VW AG herauszugeben und zu übereigenen,
  • sondern sich auch für die mit dem Fahrzeug gefahrenen Kilometer eine Nutzungsentschädigung auf den von der VW AG zu erstattenden Kaufpreis anrechnen zu lassen.

Dieselgate: Landgericht Heilbronn entscheidet, dass die VW AG wegen des Einbaus unzulässiger Abschaltvorrichtungen

…. den Fahrzeugkäufern gegenüber schadensersatzpflichtig ist.

Mit Urteil vom 09.08.2018 – Sp 2 O 278/17 – hat das Landgericht (LG) Heilbronn in einem Fall, in dem eine Frau einen vom Abgasskandal betroffenen VW Beetle Cabrio 2.0 TDI für rund 27.400 Euro gekauft hatte,

  • in dem ein Motor verbaut war, dessen Steuergerätesoftware erkannte, wenn das Fahrzeug die Abgas-Prüfung im Prüfstandbetrieb durchfuhr sowie dann die Abgasaufbereitung optimierte, um möglich wenig Stickoxide auszustoßen, während diese Abgaswerte im normalen Fahrbetrieb erheblich höher lagen,

entschieden, dass

  • die VW AG als Fahrzeughersteller, für alle aus dieser Manipulation resultierenden Schäden aufkommen muss und
  • einer entsprechenden Feststellungsklage der Fahrzeugkäuferin, die daneben auch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags gegen den Fahrzeugverkäufer vor dem LG Stuttgart klagt, stattgegeben.

Dass der Fahrzeugkäuferin gegen die VW AG wegen zumindest bedingt vorsätzlich begangener sittenwidriger Schädigung ein Anspruch auf Ersatz der entstandenen und noch entstehenden Schäden aus § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. § 31 BGB zusteht, hat das LG u.a. damit begründet, dass das Auto von der Fahrzeugkäuferin,

  • hätte diese Kenntnis von der unzulässigen Steuersoftware im Motor gehabt,

nicht zu dem demselben Preis gekauft worden wäre, da,

  • selbst dann, wenn weder eine Wertminderung, noch nachteilige Emissionswerte Folge dieser Abgasmanipulation sein sollten,

kein vernünftiger Käufer sich auf die Unsicherheit eines möglichen Widerrufs der EG-Typengenehmigung einlassen würde (Quelle: Legal Tribune Online, 10.10.2018).

Dieselgate: Landgericht Koblenz entscheidet im Abgasskandal, dass die VW AG als Motorherstellerin wegen sittenwidriger Schädigung

…. Fahrzeugkäufern gegenüber, auch nach dem Aufspielen des auf Anordnung des Kraftfahrtbundesamtes entwickelten Software-Updates, haftet.

Mit Urteil vom 26.07.2018 – 1 O 318/17 – hat das Landgericht (LG) Koblenz entschieden, dass die VW AG

  • wegen (zumindest billigend in Kauf genommener) vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. § 31 BGB

einem Fahrzeugkäufer gegenüber auch dann schadensersatzpflichtig ist, wenn

  • sie den verkauften PKW nicht produziert,
  • sondern „nur“ den darin eingebauten, mit einer verbotenen Abschalteinrichtung ausgestatteten Motor hergestellt hat,

und in einem Fall, in dem der Kläger ein Fahrzeug der Marke Skoda mit der Schadstoffklasse Euro 5 zum Neupreis von ca. 25.000 Euro erworben hatte,

  • in dem ein von der VW AG hergestellter Motor des Typs EA 189 verbaut war, dessen Steuergerätesoftware erkannte, wenn das Fahrzeug die Abgas-Prüfung im Prüfstandbetrieb durchfuhr sowie dann die Abgasaufbereitung optimierte, um möglich wenig Stickoxide auszustoßen, während diese Abgaswerte im normalen Fahrbetrieb erheblich höher lagen,

die VW AG verurteilt, an den Fahrzeugkäufer

  • einen Betrag in Höhe des vollen Kaufpreises zu zahlen,
  • abzüglich einer Nutzungsentschädigung,
  • Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs.

Dass es sich

  • bei der Installation und Verwendung der unzulässigen Steuersoftware im Motor um eine sittenwidrige Handlung gehandelt hat,
  • durch die Fahrzeugkäufer (zumindest bedingt) vorsätzlich geschädigt worden sind,

hat das LG damit begründet, dass

  • die VW AG, was als sittenwidrig anzusehen sei,
    • in großem Umfang und mit erheblichem technischem Aufwand gesetzliche Umwelt- sowie Abgasvorschriften außer Acht gelassen,
    • zugleich ihre Kunden manipulierend beeinflusst,
    • mit der Abschaltvorrichtung überdies ihr Vorgehen gegenüber Aufsichtsbehörden und Verbrauchern planmäßig verschleiert habe, sowie
    • der Einbau manipulierende Motorsteuerungssoftware in die Motoren aus Gewinnstreben mit dem Ziel erfolgt sei, Entwicklungs- und Herstellungskosten im Interesse einer Profitmaximierung gering zu halten und auf kostengünstigem Wege eine Einhaltung der im Gesundheitsinteresse der Gesamtbevölkerung geltenden gesetzlichen Abgaswerte vorzutäuschen,
  • ohne unmittelbare Beteiligung entsprechender leitender Angestellter und auch des Vorstands der VW AG die Entwicklung und der Einbau der Manipulationssoftware in bestimmten Motoren nicht denkbar sei

und

  • die Schädigung der Fahrzeugkäufer darin liege, dass diese ein Fahrzeug erworben haben, dass sie in Kenntnis des Umstandes einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht erworben hätten, weil kein verständiger Kunde ein Fahrzeug für über 25.000 Euro erwerbe, wenn er wisse,
    • dass in dem Fahrzeugmotor eine unzulässige Abschalteinrichtung versteckt ist,
    • die den Entzug der Betriebserlaubnis und die Stilllegung des Fahrzeugs zur Folge haben kann (Quelle: juris Das Rechtsportal).

Neues vom Dieselgate: OLG Köln beabsichtigt zugunsten eines vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeugbesitzers zu entscheiden und

…. die von dem Fahrzeugverkäufer gegen das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts (LG) Aachen vom 07.07.2017 – 8 O 12/16 – eingelegte Berufung,

  • mit dem er zur Rückabwicklung des Fahrzeugverkaufs verurteilt worden war,

als unbegründet zurückzuweisen.

In dem Fall, in dem ein Käufer von einem Händler einen gebrauchter VW Beetle erworben hatte,

  • in den vom Hersteller ein 1,6 Liter Dieselmotor der Baureihe EA 189 eingebaut war,
  • der aufgrund einer speziellen Steuerungssoftware auf dem Prüfstand einen anderen Betriebsmodus mit anderen Emissionswerten verwendete als im Straßenverkehr,

hat der 18. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Köln mit Beschluss vom 20.12.2017 – 18 U 112/17 – darauf hingewiesen, dass

  • das Fahrzeug bei der Übergabe mangelhaft war,
    • da ein vernünftiger Durchschnittskäufer davon ausgehen könne, dass ein von ihm erworbenes Fahrzeug entweder zu Recht zugelassen oder zulassungsfähig sei, wozu gehöre, dass der Hersteller die für den Fahrzeugtyp erforderlichen Erlaubnisse und Genehmigungen nicht durch Täuschung erwirkt habe und
    • das Fahrzeug durch die Verwendung der Manipulations-Software nicht entsprechend dieser Erwartung beschaffen gewesen sei,
  • es sich dabei nicht nur um eine unerhebliche Pflichtverletzung gehandelt und
  • der Mangel den Käufer, nach Ablauf der von ihm gesetzten zweiwöchigen Frist zur Beseitigung des Mangels, zu dem von ihm erklärten Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt habe.

Danach kann der Käufer das erworbene Fahrzeug dem Verkäufer zurückgeben und von diesem

  • die Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Entschädigung für die gezogenen Nutzungen verlangen sowie,
  • da von ihm nachträglich ein Navigationssystem, Radioblenden und ein abschließbares Handschuhfach eingebaut worden waren, auch die Erstattung des Betrages, um den diese Zusatzausstattung den Wert des Fahrzeugs erhöht hat (Quelle: Pressemitteilung des OLG Köln vom 11.01.2018).