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Wichtig zu wissen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer: BAG entscheidet, dass Arbeitszeiten künftig komplett erfasst werden müssen und dazu ein

…. zur allumfassenden Arbeitszeiterfassung geeignetes System eingeführt werden muss.  

Mit Beschluss vom 13.09.2022 – 1 ABR 22/21 – hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) entschieden, dass nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), 

  • bei unionsrechtskonformer Auslegung, 

Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet sind, die

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Arbeitnehmer sollten wissen, dass sie vom Arbeitgeber nicht zu einer Zeiterfassung per Fingerabdruck-Scanner verpflichtet

…. werden können.

Mit Urteil vom 04.06.2020 – 10 Sa 2130/19 – hat das Landesarbeitsgericht (LArbG) Berlin-Brandenburg in einem Fall, in dem ein Arbeitgeber einer bei ihm angestellten Arbeitnehmerin eine 

  • Abmahnung

erteilt hatte, weil von dieser die Benutzung des 

  • von ihm eingeführten 

Zeiterfassungssystems abgelehnt wurde, das 

  • mit einem Fingerabdruck-Scanner zu bedienen war und
  • die Fingerlinienverzweigungen (Minutien), nicht den Fingerabdruck als Ganzes, verarbeitete,

entschieden, dass die Arbeitnehmerin 

  • zur Nutzung dieses Zeiterfassungssystems nicht verpflichtet ist, 
  • ihre Weigerung der Nutzung somit keine Pflichtverletzung dargestellt habe und sie deswegen

von dem Arbeitgeber die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte verlangen kann.

Begründet hat das LArbG dies damit, dass 

  • es sich auch bei Fingerlinienverzweigungen um biometrische Daten handle, 
  • um die Arbeitszeit zu erfassen, eine Verarbeitung dieser Daten nicht erforderlich im Sinne von Art. 9 Abs. 2 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und 
  • deren Erfassung ohne Einwilligung des Arbeitnehmers infolgedessen nicht zulässig ist (Quelle: Pressemitteilung des LArbG Berlin-Brandenburg).

Angehörige und Betreuer von geistig Behinderten mit Weglauftendenz sollten wissen, dass die gesetzliche Krankenversicherung

…. verpflichtet sein kann eine GPS-Notfalluhr für den Behinderten zu bezahlen.

Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat mit Urteil vom 17.09.2019 – L 16 KR 182/18 – im Fall eines

  • an einem Down-Syndrom mit geistiger Behinderung und Weglaufneigung leidenden

19-jährigen Mannes,

  • der durch Orientierungslosigkeit selbstgefährdet ist,

entschieden, dass dieser von der gesetzlichen Krankenversicherung die Versorgung mit

  • einer am Handgelenk zu fixierenden GPS-Notfalluhr,
  • die Alarm auslöst sobald ein definierter Aufenthaltsbereich verlassen wird,

verlangen kann.

Begründet hat das LSG dies damit, dass eine am Handgelenk zu fixierende GPS-Notfalluhr mit Alarmfunktion

  • als Hilfsmittel zum mittelbaren Behindertenausgleich nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V)

zu werten sein kann, wenn,

  • unter den gegebenen Umständen,

mit Hilfe der Ortungsfunktion des GPS-Systems eines solchen Gerät

  • eine bestehende Isolation und Freiheitsentziehung des Behinderten durch Wegsperren reduziert

sowie

  • seine Mobilität und Bewegungsfreiheit in einem gewissen Areal eröffnet

und auf diese Weise die

  • – ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betreffenden –

Auswirkungen der Behinderung im gesamten tägliche Leben abgemildert werden können (Quelle: Pressemitteilung des LSG Niedersachsen-Bremen).

Arbeitgeber werden künftig die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter komplett erfassen müssen und von

…. Spezialgesetzen wie dem Mindestlohngesetz und dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz abgesehen, nicht mehr nur,

  • wie derzeit noch in § 16 Abs. 2 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) vorgesehen,

die Arbeitszeit, die über acht Stunden am Tag hinausgeht.

Die Große Kammer des Gerichtshofs der Europäischen Union EuGH hat nämlich mit Urteil vom 14.05.2019 in der Rechtssache C-55/18 entschieden, dass die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union die Arbeitgeber verpflichten müssen,

  • ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten,
  • mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann,

wobei es den Mitgliedsstaaten überlassen bleibt,

  • die konkreten Modalitäten zur Umsetzung eines solchen Systems, insbesondere der von ihm anzunehmenden Form, zu bestimmen und
  • dabei gegebenenfalls den Besonderheiten des jeweiligen Tätigkeitsbereichs oder Eigenheiten, sogar der Größe, bestimmter Unternehmen Rechnung zu tragen.

Grund für die Entscheidung war, dass es nach Auffassung des EuGH für Arbeitnehmer,

  • ohne ein System, mit dem die tägliche Arbeitszeit eines jeden Arbeitnehmers gemessen werden kann,

äußerst schwierig oder gar praktisch unmöglich ist ihre Rechte durchzusetzen.

An fortgeschrittener Multipler Sklerose leidende, gesetzlich Krankenversicherte sollten wissen, dass sie Anspruch auf Versorgung mit

…. dem modernen, technisch aufwändige Fußheber-System Ness L 300 als Hilfsmittel haben können.

Darauf hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg am 19.06.2018 – L 11 KR 1996/17 – hingewiesen.

Danach müssen Krankenkassen für MS-Erkrankten, deren Gehfähigkeit stark beeinträchtigt ist, das

  • drahtlos kleine elektrische Impulse an den Wadenbeinnerv sendende, dadurch die Fußheber stimulierende und
  • in Echtzeit die Gehposition, die verschiedenen Gehgeschwindigkeiten sowie Änderungen in der Untergrundbeschaffenheit erfassende,

Fußheber-System Ness L 300 als Hilfsmittel (Kostenpunkt ca. 5.500 Euro + verschiedene Zusatzkosten, wie Einweisung, Anpassung, Software-Update) bezahlen, wenn das System

  • ärztlich verordnet worden ist und
  • für die Gehfähigkeit und Mobilität des Versicherten entscheidende Verbesserungen mit sich bringt.

In einem solchen Fall ist, so das LSG, die Versorgung mit dem Fußheber-System Ness L 300,

  • das nicht der eigentlichen Krankenbehandlung diene,
  • sondern als Hilfsmittel zum unmittelbaren Behinderungsausgleich das Ziel habe, die Gehfähigkeit und Mobilität der Versicherten zu verbessern,

erforderlich sowie gerechtfertigt.

Denn im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs, so das LSG weiter, haben Versicherte

  • nach § 33 Abs. 1 Satz 1 und 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) Anspruch auf einen möglichst weitgehenden Ausgleich des Funktionsdefizits unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts und
  • dürfen nicht auf kostengünstigere, aber weniger wirksame Hilfsmittel verwiesen werden (Quelle: Pressemitteilung des LSG Stuttgart vom 26.06.2018).