Tag Verantwortlichkeit

OLG Hamm entscheidet: Grundstückseigentümerin muss Schäden an zwei auf dem Nachbargrundstück abgestellten Ferraris ersetzen

Mit Urteil vom 17.10.2019 – 24 U 146/18 – hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm in einem Fall, in dem es in einem, von einer Grundstückseigentümerin,

  • am Rand ihres Grundstücks, direkt neben einer auf dem Nachbargrundstück stehenden Doppelgarage,
  • – ohne Einhaltung des bauordnungsrechtlich gebotenen Mindestabstandes von 3 m –

errichtetem überdachten Holzunterstand

  • aus unbekannter Ursache,

zu einem Brand gekommen war,

  • der sich aufgrund des dort gelagerten Brennholzes ausgeweitet

und auch die benachbarte Doppelgarage erfasst hatte, wodurch

  • einer der darin vom Nachbarn untergestellten zwei Ferraris durch Rauchgase verunreinigt worden war und
  • bei dem anderen durch von der geschmolzenen Kunststoffabdeckung der Beleuchtungskörper herabfallende Tropfen Einbrennungen im Lack entstanden waren,

entschieden, dass

  • die Grundstückseigentümerin dem Nachbarn die an den Ferraris entstandenen Schäden ersetzen muss.

Begründet hat der Senat dies damit, dass,

  • auch wenn die Verantwortlichkeit der Grundstückseigentümerin für die Brandentstehung als solche nicht feststellbar sei,

nach den Feststellungen des im Verfahren angehörten Sachverständigen, sich der Brand,

  • wäre der Holzunterstand bauordnungsgemäß 3 m entfernt von der Garage errichtet worden,

nicht auf die Garage hätte ausweiten können und somit die Grundstückseigentümerin

  • die Übertragung der Brandfolgen auf das Nachbargrundstück und
  • dass es zu Schäden an den im Eigentum des Nachbarn stehenden Ferraris kommen konnte,

erst durch

  • die Lagerung von Brennholz in dem bauordnungswidrig errichtetem Holzunterstand an der Grundstücksgrenze

ermöglicht hat (Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm).

OLG Celle verurteilt 8-jähriges Kind zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld an eine

…. von dem Kind beim Fahrradfahren verletzte Fußgängerin.

Mit Urteil vom 19.02.2020 – 14 U 69/19 – hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Celle ein 8-jähriges Kind, weil es beim Fahrradfahren auf einer Strandpromenade in einer Stadt,

  • über einen längeren Zeitraum nach hinten zu seinen in Sicht- sowie Rufweite zu Fuß gehenden Eltern zurückgeschaut hatte, deswegen

auf eine entgegenkommende Fußgängerin zugefahren und diese,

  • bei dem Versuch dem Kind auszuweichen,

gestürzt war und sich dabei verletzt hatte, zur Zahlung von

  • Schadensersatz und Schmerzensgeld

an die Fußgängerin verurteilt.

Begründet hat der Senat dies damit, dass, falls die Verantwortlichkeit von Kindern für anderen zugefügte Schäden nicht nach § 828 Abs. 1 oder Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) deswegen ausgeschlossen ist, weil

  • sie entweder noch keine 7 Jahre alt oder
  • noch keine 10 Jahre alt waren und es sich gehandelt hat um einen bei einem Unfall mit einem Kraftfahrzeug, einer Schienenbahn oder einer Schwebebahn dem anderen nicht vorsätzlich zugefügten Schaden,

Kinder und Jugendliche im Alter von 7 bis 17 Jahren haftbar sind für solche Schäden, die sie einem anderen zufügen, wenn

  • sie bei der Begehung der schädigenden Handlung die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht besitzen,
  • wozu die Fähigkeit genügt, zu erkennen, dass sie in irgendeiner Weise für ihr Verhalten zur Verantwortung gezogen werden können

und dem hier

  • altersgemäß entwickeltem sowie
  • bereits seit seinem 5. Lebensjahr regelmäßig und auch im Straßenverkehr Fahrrad fahrendem

8-jährigen Kind

  • bewusst gewesen sei, dass es während der Fahrt nach vorne schauen und nicht über einen längeren Zeitraum nach hinten blicken darf,
  • es die Gefährlichkeit dieses Handelns für auf der Promenade befindliche Fußgänger hätte erkennen sowie sich dieser Erkenntnis gemäß verhalten müssen

und

  • das fehlerhafte Verhalten des Kindes auch nicht aufgrund einer plötzlich auftretenden Situation reflexhaft ausgelöst worden sei (wie z.B. das Nachlaufen hinter einem Ball auf die Fahrbahn).

Übrigens:
Eine Aufsichtspflichtverletzung der Eltern,

  • die noch versucht hatten, ihr Kind durch Rufe zu warnen

lag nach Auffassung des Senats nicht vor, so dass Schadens- und Schmerzensgeldanspruch der verletzten Fußgängerin

  • gegen die Eltern des Kindes

nicht bestehen (Quelle: Pressemitteilung des OLG Celle).

Haften auch noch nicht verantwortliche Kinder oder andere nicht verantwortliche Personen für verursachte Schäden?

In solchen Fällen,

  • wenn also z.B. ein noch nicht sieben Jahre altes Kind eine fremde Sache beschädigt hat,

kommt

  • mangels Verantwortlichkeit des Kindes
  • eine verschuldensunabhängige Ersatzpflicht des Kindes aus Billigkeitsgründen gemäß § 829 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Betracht.

Allerdings sind die Hürden hierfür hoch.

Denn ist in einem der in den §§ 823 bis 826 BGB bezeichneten Fälle der Schaden verursacht worden von

  • einem nach § 828 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht verantwortlichem Kind bzw. Minderjährigen oder
  • einer nach § 827 BGB nicht verantwortlichen anderen Person,

hat der nicht verantwortliche Schadensverursacher dem Geschädigten den Schaden nach § 829 BGB nur dann zu ersetzen, wenn

  1. der Ersatz des Schadens nicht von einem aufsichtspflichtigen Dritten (§ 832 BGB) erlangt werden kann,
  2. die gesamten Umstände des Falles, insbesondere die Verhältnisse der Beteiligten, eine Haftung des schuldlosen Schädigers aus Billigkeitsgründen geradezu erfordern (Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 16.09.2016 – VGS 1/16 –) und
  3. dem nicht verantwortlichen Schadensverursacher nicht die Mittel entzogen werden, deren er zum angemessenen Unterhalt sowie zur Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflichten bedarf.

Voraussetzung dafür, dass die Billigkeit eine Schadloshaltung des Geschädigten erfordert ist zunächst, dass

  • bei dem stets in solchen Fällen vorzunehmenden Vergleich der Vermögenslagen der Beteiligten,
  • wofür maßgeblicher Zeitpunkt derjenige der letzten mündlichen gerichtlichen Tatsachenverhandlung ist,

ein „wirtschaftliches Gefälle“ zugunsten des Schädigers vorliegt,

Fehlt es an dem wirtschaftlichen Gefälle zugunsten des nicht verantwortlichen Schädigers scheidet dessen Haftung nach § 829 BGB aus.

Besteht das nach § 829 BGB erforderliche wirtschaftliche Gefälle zugunsten des nicht verantwortlichen Schädigers müssen darüber hinaus aber auch

  • die gesamten (übrigen) tat-, täter- und geschädigtenbezogenen Umstände des Falles,
  • etwa die Besonderheiten der die Schadensersatzpflicht auslösenden Handlung,

eine Haftung aus Billigkeitsgründen erfordern.

Darauf hat der VI. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 29.11.2016 – VI ZR 606/15 – hingewiesen.