Tag Verantwortungsbereich

Wichtig zu wissen, wenn wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht Schadensersatzansprüche

…. geltend gemacht werden.

Aus § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ergibt sich grundsätzlich für jeden,

  • der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenlage schafft oder
  • der in seinem Verantwortungsbereich eine eingetretene Gefahrenlage andauern lässt,

die Verpflichtung, die

  • notwendigen und
  • zumutbaren

Maßnahmen zu treffen, um andere vor Schäden zu bewahren (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 13.06.2017 – VI ZR 395/16 –).

  • Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. (BGH, Urteil vom 02.10.2012 – VI ZR 311/11 –).

Zu berücksichtigen ist jedoch, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann.
Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar.

  • Haftungsbegründend wird eine Gefahr deswegen erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil
    • die nahe liegende Möglichkeit ergibt,
    • dass Rechtsgüter anderer verletzt werden (könnten).

Somit muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden.
Vielmehr sind nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden.

  • Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist dabei genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält.

Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen,

  • die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und
  • die den Umständen nach zuzumuten sind.

Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten,

  • weil eine Gefährdung anderer zwar nicht völlig ausgeschlossen,
  • aber nur unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu befürchten war,

ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden, so muss der Geschädigte – so hart dies im Einzelfall sein mag – den Schaden selbst tragen (BGH, Urteil vom 09.09.2008 – VI ZR 279/06 –).

Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht desjenigen,

  • der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenstelle geschaffen oder
  • hat andauern lassen,

liegt somit vor, wenn nach den obigen Grundsätzen Sicherungsmaßnahmen hätten getroffen werden müssen,

  • aber nicht getroffen worden sind
  • oder die getroffenen Sicherungsmaßnahmen nicht ausreichend bzw. ungenügend waren.

Steht eine solche objektive Pflichtverletzung fest,

  • spricht der Anscheinsbeweis dafür, dass die Pflichtverletzung ursächlich für das Schadensereignis war und
  • wird ein Verschulden des Verkehrssicherungspflichtigen vermutet.

Übrigens:
Wird die Verkehrssicherungspflicht

  • von dem Verkehrssicherungspflichtigen auf einen Dritten delegiert oder
  • von einem Dritten faktisch übernommen,

mit der Folge, dass dann der Dritte verantwortlich ist,

  • führt dies nicht zum völligen Wegfall der Verkehrssicherungspflicht des ursprünglich Verkehrssicherungspflichtigen,
  • sondern bleibt dieser zur Überwachung und Instruktion des Dritten verpflichtet (BGH, Urteil vom 13.06.2017 – VI ZR 395/16 –).

Im Falle des Bestehens eines Schadensersatzanspruchs wird,

  • wenn dem Geschädigten ein unfallursächliches Mitverschulden zur Last fällt,

der Anspruch des Geschädigten nach § 254 BGB gekürzt.

  • Voraussetzung für ein solches haftungsminderndes Mitverschulden ist, dass der Geschädigte an der Entstehung des Schadens zurechenbar mitgewirkt hat im Sinne eines Verstoßes gegen die gebotene Eigenvorsorge.

Wer diejenige Sorgfalt außer acht lässt, die nach Lage der Dinge erforderlich erscheint, um sich selbst vor Schaden zu bewahren, muss nach Treu und Glauben eine Kürzung seines Anspruchs hinnehmen und dies ist dann anzunehmen, wenn der Verletzte diejenige Sorgfalt außer acht lässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigener Schäden anzuwenden pflegt (Oberlandesgericht (OLG) München, Urteil vom 26.09.2018 – 7 U 3118/17 –).

Fahrzeugeigentümer und SB-Autowaschanlagenbetreiber sollten wissen, wann

…. wegen behaupteter Beschädigung eines Fahrzeugs beim Waschen Anspruch auf Schadensersatz besteht und wann nicht.

Behauptet ein Fahrzeugeigentümer, dass sein PKW bei der Nutzung einer Autowaschanlage beschädigt worden ist, muss er beweisen, dass der Schaden

  • nur während des Waschvorgangs eingetreten sein kann,
  • also aus dem Verantwortungsbereich des Waschanlagenbetreibers herrührt,

weil der Schaden

  • zuvor nicht vorhanden gewesen und
  • auch bis zu seiner Feststellung nicht durch einen Unfall entstanden ist.

Erbringt der Fahrzeugeigentümer diesen Beweis, wird aus der Schädigung geschlossen, dass der Anlagenbetreiber

  • seine Pflicht aus dem Waschvertrag verletzt hat,
    • das Fahrzeug ohne Beschädigung zu waschen bzw.
    • es vor jeglicher Beschädigung im Zusammenhang mit der Nutzung der Anlage zu bewahren.

Dass diese Pflichtverletzung von dem Anlagenbetreiber zu vertreten ist, wird in einem solchen Fall vermutet.

Will der Waschanlagenbetreiber seine Haftung abwenden, muss er dieses gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu vermutende Vertretenmüssen der Pflichtverletzung widerlegen.

Die Vermutung des Vertretenmüssens kann, sofern nicht besondere Umstände gegeben sind, vom Anlagenbetreiber durch den Nachweis widerlegt werden, dass

  • die von ihm betriebene Anlage den allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprochen,
  • keinen Defekt aufgewiesen hat und
  • von ihm alle zumutbaren Sicherheitsvorkehrungen getroffen sowie erforderlichen (Warn)Hinweise erteilt worden waren, um die Nutzer der Anlage vor Schäden zu bewahren.

Denn der Vorwurf der Fahrlässigkeit kann gegen den Betreiber einer Autowaschanlage nur dann erhoben werden, wenn er nicht das beachtet hat, was der Verkehr von ihm berechtigterweise erwarten kann.

Darauf hat das Landgericht LG München I mit Urteil vom 12.06.2017 – 31 S 2137/17 – hingewiesen.

Was Käufer und Verkäufer wissen sollten, wenn strittig ist, ob die Kaufsache schon bei Übergabe mangelhaft war

Macht ein Käufer

  • unter Berufung auf das Vorliegen eines Sachmangels Rechte gemäß § 437 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geltend,
  • nachdem er die Kaufsache entgegen genommen hat (§ 363 BGB),

trifft ihn normalerweise im vollen Umfang die Darlegungs- und Beweislast für die einen Mangel begründenden Tatsachen,

  • also dass bei Gefahrübergang eine dem Verkäufer zuzurechnende Abweichung der Istbeschaffenheit von der (geschuldeten) Sollbeschaffenheit (vgl. § 434 Abs. 1 BGB) vorgelegen hat.

Nach § 476 BGB wird allerdings,

  • wenn ein Verbrauchsgüterkauf i.S.v. § 474 Abs. 1 BGB vorliegt und
  • sich bei der von einem Verbraucher bei einem Unternehmer gekauften Sache innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel zeigt,

vermutet,

  • dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war,
  • es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar.

Voraussetzung für das Eingreifen dieser Vermutung nach § 476 BGB im Rahmen des Verbrauchsgüterkauf ist, dass der Käufer darlegen und nachweisen kann,

  • dass sich innerhalb von sechs Monaten nach Lieferung der Sache
  • ein mangelhafter Zustand (eine Mangelerscheinung) gezeigt hat,
    • der – unterstellt, er hätte seine Ursache in einem dem Verkäufer zuzurechnenden Umstand – dessen Haftung wegen Abweichung von der geschuldeten Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 BGB) begründen würde.

Nicht darlegen und nachweisen muss der Käufer in einem solchen Fall,

  • auf welche Ursache dieser mangelhafter Zustand zurückzuführen ist und
  • dass diese Ursache in den Verantwortungsbereich des Verkäufers fällt,

Gelingt dem Käufer der Beweis,

  • dass sich innerhalb von sechs Monaten nach Lieferung der Sache ein mangelhafter Zustand (eine Mangelerscheinung) gezeigt hat,

muss der Verkäufer zur Widerlegung der Vermutung des § 476 BGB den Beweis des Gegenteils erbringen, also nachweisen, dass

  • die aufgrund eines binnen sechs Monaten nach Gefahrübergang eingetretenen mangelhaften Zustands eingreifende gesetzliche Vermutung,
  • bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs habe – zumindest ein in der Entstehung begriffener – Sachmangel vorgelegen,

nicht zutrifft.

Der Verkäufer hat dann darzulegen und nachzuweisen, dass der binnen sechs Monaten nach Gefahrübergang aufgetretene mangelhafte Zustand

  • auf eine nach Gefahrübergang eingetretene, ihm nicht zuzurechnende Ursache zurückzuführen ist,
  • sei es auf ein Verhalten des Käufers oder eines Dritten, sei es auf sonstige Umstände, wie etwa eine übliche Abnutzungserscheinung nach Gefahrübergang.

Gelingt dem Verkäufer dieser Beweis (des Gegenteils) nicht, greift zu Gunsten des Käufers die Vermutung des § 476 BGB auch dann ein, wenn

  • die Ursache für den mangelhaften Zustand oder der Zeitpunkt ihres Auftretens offen und
  • somit also letztlich ungeklärt bleibt, ob der eingetretene mangelhafte Zustand auf einer dem Verkäufer zuzurechnenden Ursache oder auf einem sonstigen Grund beruhte.

Daneben verbleibt dem Verkäufer die Möglichkeit, sich darauf zu berufen und nachzuweisen, dass das Eingreifen der Beweislastumkehr des § 476 BGB ausnahmsweise bereits deswegen ausgeschlossen ist, weil die Vermutung, dass bereits bei Gefahrübergang im Ansatz ein Mangel vorlag, mit der Art der Sache oder eines derartigen Mangels unvereinbar (§ 476 letzter HS. BGB) ist.

Das hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs BGH mit Urteil vom 12.10.2016 – VIII ZR 103/15 – in Abänderung seiner bisherigen Rechtsprechung – entschieden.