Tag vorfahrtsberechtigt

Was wartepflichtige Fahrzeugführer, die in eine Vorfahrtsstraße einbiegen wollen, wissen und beachten sollten

…. wenn am auf der Vorfahrtsstraße sich nähernden Fahrzeug der Blinker gesetzt ist. 

Mit Urteil vom 10.02.2020 – 4 U 1354/19 – hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden in einem Fall, in dem es zu einem Verkehrsunfall gekommen war, weil ein Motorradfahrer, 

  • der an einem Stoppschild vor einer Kreuzung zunächst hatte halten müssen, 

dann aber,

  • als er sah, dass ein von links auf der Vorfahrtsstraße herannahender PKW den rechten Blinker gesetzt hatte,       

in die Vorfahrtsstraße eingebogen, 

  • der PKW-Fahrer, der lediglich versehentlich (irreführend) geblinkt hatte, jedoch nicht abgebogen,
  • sondern auf der Vorfahrtsstraße weiter gefahren 

war, entschieden, dass ein wartepflichtiger Kraftfahrzeugführer 

  • der in eine Vorfahrtsstraße einbiegen will, 

nur dann darauf vertrauen darf, dass 

  • der Vorfahrtsberechtigte seinerseits abbiegen will, 

wenn 

  • dieser nicht nur blinkt, 
  • sondern zusätzlich auch 
    • die Annäherungsgeschwindigkeit deutlich und erkennbar herabgesetzt oder 
    • zweifelsfrei bereits mit dem Abbiegen bereits begonnen hat

und zur Verwirklichung des Vertrauenstatbestandes darauf, dass der Vorfahrtsberechtigte sein Vorrecht nicht (mehr) ausüben und abbiegen wird, es nicht ausreicht, dass 

  • der Vorfahrtberechtigte 

sich dem Kreuzungs- bzw. Einmündungsbereich mit einer 

  • geringeren als der dort zugelassenen Höchstgeschwindigkeit nähert, 
  • ohne diese weiter zu verlangsamen.

Nur wenn der Wartepflichtige im Haftungsprozess 

  • ein Fahrverhalten des Vorfahrtsberechtigten 

beweisen kann, das 

  • geeignet ist, für ihn als Wartepflichtigen den Vertrauenstatbestand zu begründen,

der Vorfahrtsberechtigte 

  • werde sein Vorrecht nicht (mehr) ausüben und abbiegen, 

ist danach der gegen den Wartepflichtigen sprechende Beweis des ersten Anscheins für einen schuldhaften unfallursächlichen Verkehrsverstoß 

  • durch Missachtung des Vorfahrtsrechts,  

erschüttert.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall, 

  • in dem es dem wartepflichtigen Motoradfahrer nicht gelungen war, den gegen ihn sprechenden Beweis des ersten Anscheins zu erschüttern, 

hat der Senat, 

  • nach Abwägung der wechselseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge gemäß § 17 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG), 

dem Vorfahrtsverstoß

  • gegenüber dem irreführenden Blinken des Vorfahrtsberechtigten 

größeres Gewicht beigemessen und aufgrund dessen eine Haftungsverteilung 

  • von 1/3 zu 2/3 zu Lasten des wartepflichtigen Motoradfahrers 

für gerechtfertigt erachtet.

Wer ist schuld wenn nach rechts in andere Straße fahrender PKW mit weiter gerade aus fahrenden Radfahrer kollidiert?

Nach § 9 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) muss, wenn keine Beschilderung vorhanden ist, wer abbiegen will,

  • entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen,
  • Schienenfahrzeuge, Fahrräder mit Hilfsmotor und Fahrräder auch dann, wenn sie auf oder neben der Fahrbahn in der gleichen Richtung fahren und
  • auf zu Fuß Gehende besondere Rücksicht nehmen, wenn nötig warten.

Das bedeutet,

  • ist keine Beschilderung vorhanden,

ist ein Fahrzeugführer der eine Fahrbahn verlässt um nach rechts in eine andere Fahrbahn einzubiegen,

  • wartepflichtig gegenüber Radfahrern die dort weiter gerade aus fahren und muss
  • besondere Rücksicht nehmen auf Fußgängern die die Fahrbahn überqueren und wenn nötig warten.

Ist allerdings ein Straßenverlauf so gestaltet, dass bei einer mehrspurigen Straße die rechte Spur erst, ähnlich einer Autobahnausfahrt,

  • in einem Bogen nach rechts weg geführt wird und
  • dann in eine andere im rechten Winkel verlaufende Straße einmündet,

handelt es sich nicht um ein Rechtsabbiegen gemäß § 9 Abs. 3 StVO, so dass Radfahrer,

  • die auf einem einige Meter weiter rechts neben der mehrspurigen Straße verlaufenden Radweg, der an der Einmündung die Straße quert, weiter gerade aus fahren,
  • dort nicht vorfahrtsberechtigt, sondern beim Überqueren der Straße wartepflichtig sind.

Kommt es an einer solchen, nicht beschilderten Örtlichkeit zu einer Kollision zwischen einem PKW und einem Fahrradfahrer, weil dieser die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht aufgewendet und sich nicht ausreichend davon vergewissert hat, dass die Straße frei ist, trifft den Radfahrer an dem Unfallgeschehen ein Verschulden.

Darauf hat das Amtsgericht (AG) Dortmund mit Urteil vom 06.09.2016 – 425 C 4545/16 – hingewiesen.