Tag Werturteile

BGH entscheidet, wann ein Verkäufer eines über die Internetplattform eBay veräußerten Produkts von dem Käufer 

…. Entfernung seiner abgegebenen negativen Bewertung verlangen kann und wann nicht. 

Mit Urteil vom 28.09.2022 – VIII ZR 319/20 – hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in einem Fall, in dem ein Käufer von einem Verkäufer  

  • über die Internetplattform eBay, 

auf der Grundlage der zu diesem Zeitpunkt maßgeblichen 

  • Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay, 

die unter § 8 Bewertungen u.a. bestimmten, dass

Read More

Wovon hängt es ab, ob Werturteile durch die Meinungsfreiheit geschützt sind oder nicht?

Ob Werturteile und/oder Tatsachenbehauptungen

  • strafbar sind, beispielsweise als Beleidigung nach § 185 Strafgesetzbuch (StGB) bzw.
  • deren Unterlassung verlangt werden kann,

hängt,

  • weil das Grundrecht der Meinungsfreiheit, unter deren Schutz Werturteile und Tatsachenbehauptungen fallen, wenn und soweit sie zur Bildung von Meinungen beitragen, nicht vorbehaltlos gewährt wird,
  • sondern seine Schranken in den allgemeinen Gesetzen findet, zu denen auch die Vorschrift des § 185 StGB gehört,

grundsätzlich ab vom Ergebnis der vorzunehmenden Einzelfallabwägung zwischen

  • der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung einerseits und
  • der Einbuße an Meinungsfreiheit durch ihr Verbot andererseits.

Beachtet werden muss dabei, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG)

  • nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen schützt,
  • sondern gerade Kritik auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen darf.

Insoweit liegt die Grenze zulässiger Meinungsäußerungen nicht schon da, wo eine polemische Zuspitzung für die Äußerung sachlicher Kritik nicht erforderlich ist.

Einen Sonderfall,

  • in dem ausnahmsweise keine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig ist,
  • weil die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurücktreten wird,

bilden herabsetzenden Äußerungen, die sich als

  • Formalbeleidigung oder
  • Schmähung

darstellen.

Wegen dieses die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Formalbeleidigung bzw. Schmähkritik von Verfassung wegen allerdings eng zu verstehen.

  • Auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik mit ehrbeeinträchtigendem Gehalt macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung.

Eine Äußerung nimmt diesen Charakter vielmehr erst dann an,

  • wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache,
  • sondern – jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik – die Diffamierung der Person im Vordergrund steht,
    • also der ehrbeeinträchtigende Gehalt der Äußerung von vornherein außerhalb jedes in einer Sachauseinandersetzung wurzelnden Verwendungskontextes steht oder
    • der Sachbezug nur als mutwillig gesuchter Anlass oder Vorwand genutzt wird, um den anderen zu diffamieren.

Sie liegt bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt.

Darauf hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) mit Beschluss vom 29.06.2016 – 1 BvR 2646/15 – hingewiesen.