Tag Zuwiderhandlung

Was ist Voraussetzung für eine strafrechtliche Verurteilung wegen Zuwiderhandlung gegen eine Anordnung nach § 1 GewSchG?

Eine strafgerichtliche Verurteilung nach § 4 Satz 1 des Gesetzes zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen (Gewaltschutzgesetz – GewSchG)

  • wegen Zuwiderhandlungen gegen eine vollstreckbare Anordnung nach § 1 GewSchG

setzt voraus, dass

  • das Strafgericht die materielle Rechtmäßigkeit der Schutzanordnung überprüft und
  • dabei die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GewSchG eigenständig feststellt und im Urteil darstellt,
    • wobei es an die Entscheidung des Familiengerichts insoweit nicht gebunden ist.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg mit Urteil vom 31.01.2017 – 3 OLG 6 Ss 4/17 – im Anschluss an die Beschlüsse des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 28.11.2013 – 3 StR 40/13 – und vom 28.01.2016 – 3 StR 521/15 – hingewiesen.

Das bedeutet,

  • dass nicht lediglich der in dem formalen Verstoß gegen § 1 GewSchG liegende Ungehorsam gegenüber staatlichen Entscheidungen strafrechtlich geahndet werden kann,
  • sondern eine strafrechtliche Sanktion lediglich dann in Betracht kommt, wenn das Strafgericht die Rechtmäßigkeit der Anordnung einschließlich des Verhaltens, auf dem die Anordnung beruht, selbst überprüft sowie festgestellt hat und
  • demzufolge der Tatbestand des § 4 Satz 1 GewSchG nicht erfüllt ist, wenn sich bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Anordnung durch das Strafgericht herausstellt, dass sie nicht hätte ergehen dürfen, etwa weil der Täter die der Anordnung zugrunde gelegte Tat nicht begangen hat (BGH, Beschluss vom 28.11.2013 – 3 StR 40/13 –).

OLG Hamm entscheidet: Kaufmann muss wegen wiederholter unerwünschter Zusendung einer Werbe-E-Mail 3.000 € Vertragsstrafe zahlen

Sendet ein Kaufmann im Rahmen seines Handelsgewerbes einem anderen Kaufmann,

  • trotz vorausgegangener Abmahnung und abgegebener strafbewerter Unterlassungserklärung, mit der er sich im Wiederholungsfall zur Zahlung einer Vertragsstrafe von 3.000 Euro verpflichtet hatte,

erneut gegen dessen Willen eine Werbe-E-Mail zu,

  • kann die Vertragsstrafe verwirkt sein.

Darauf hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 25.11.2016 – 9 U 66/15 – hingewiesen und in einem solchen Fall,

  • weil der Senat ein erhebliches Missverhältnis der Vertragsstrafe zum Gewicht der Zuwiderhandlung nicht feststellen konnte und die Vertragsstrafe deshalb auch nicht herabzusetzen war,

den beklagten Absender der unerwünschten Werbe-E-Mail zur Zahlung der 3.000 € verurteilt.

Dass der Beklagte im Verfahren bestritt, die streitgegenständliche E-Mail gesandt zu haben, half ihm nichts, weil

  • der vom Gericht bestellte Sachverständige den Verlauf der elektronischen Post über ein Rechenzentrum und den Kundenserver des beteiligten Internetproviders hatte nachvollziehen und
  • ausschließen können, dass der Verlauf der E-Mail manipuliert oder die E-Mail von einem Dritten ohne Wissen der Beklagten übermittelt worden war (Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm vom 17.01.2017).

Wie Opfer von Gewalt und Nachstellungen schnell und effektiv Schutz erlangen können

Kann eine Person (im Folgenden: Antragstellerin) durch Vorlage einer Versicherung an Eides Statt und durch Vorlage eines ärztlichen Attestes glaubhaft machen, dass eine andere Person (im Folgenden: Antraggegner) vorsätzlich und widerrechtlich

  • ihren Körper, ihre Gesundheit oder ihre Freiheit verletzt hat (§ 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen (GewSchG)),
  • ihr mit einer Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit gedroht hat (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GewSchG),
  • in ihre Wohnung oder ihr befriedetes Besitztum eingedrungen ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2a GewSchG) oder
  • sie dadurch unzumutbar belästigt hat, dass er ihr gegen den ausdrücklich erklärten Willen wiederholt nachstellt oder sie unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln verfolgt hat (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2b GewSchG),

kann auf ihren Antrag das Gericht gemäß §§ 214, 49 ff. des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) im Wege der einstweiligen Anordnung (ohne mündliche Erörterung)

  • vorläufige Schutzmaßnahmen nach § 1 oder § 2 des Gesetzes zu ihrem zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen (GewSchG) anordnen,
  • wie beispielsweise dem Antragsgegner untersagen,
    • die Wohnung der Antragstellerin im Hause …… zu betreten,
    • sich der Wohnung der Antragstellerin bis auf eine Entfernung von weniger als 200 Metern zu nähern,
    • Verbindung zur Antragstellerin aufzunehmen, weder persönlich noch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln aller Art, wie Telefon, Internet, Briefe, E-Mails, SMS auch nicht unter Einschaltung dritter Personen,
    • ein Zusammentreffen mit der Antragstellerin herbeizuführen und sich der Antragstellerin zu nähern, sie anzusprechen, ihr zu folgen, ihr hinterher zu rufen, sie zu bedrohen, sie zu belästigen, sie zu verletzen oder sonst körperlich zu misshandeln,
    • anzuordnen, dass der Antragsgegner, sollte es zu einem zufälligen Zusammentreffen kommen, sofort einen Abstand von 50 Metern herzustellen,
  • für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die getroffenen gerichtlichen Anordnungen dem Antragsgegner androhen,
    • ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, für je ….. € einen Tag Ordnungshaft,
    • die unmittelbare Festsetzung von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu insgesamt 2 Jahren (§ 96 Abs. 1 S. 3 FamFG, 890 Zivilprozessordnung (ZPO)) sowie,
    • dass die Antragstellerin zur Beseitigung einer jeden andauernden Zuwiderhandlung einen Gerichtsvollzieher zur Durchsetzung hinzuziehen kann und dieser gemäß § 96 Abs. 1 FamFG i. V. m. §§ 758 Abs. 3, 759 ZPO befugt ist, sich zur Durchsetzung der Polizei zu bedienen und
  • den Antragsgegner darauf hinweisen, dass jede Zuwiderhandlung gegen eine der getroffenen Anordnungen mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft werden kann (§ 4 GewSchG),

wenn die angeordneten Schutzmaßnahmen zur Abwendung weiterer bzw. künftiger Verletzungen erforderlich sind (vgl. Amtsgericht (AG) Bremen, Beschluss vom 25.08.2016 – 71 F 4936/16 EAGS –).