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Sozialhilfe für volljährige behinderte Menschen, die bei ihren Eltern leben.

Erwerbsunfähige volljährige behinderte Menschen,

  • die Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch ‑ Sozialhilfe ‑ (SGB XII) erhalten und
  • bei ihren Eltern beziehungsweise einem Elternteil leben,

haben grundsätzlich Anspruch auf Leistungen für den Lebensunterhalt nach der Regelbedarfsstufe 1 (100 %).

Das hat der 8. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) bereits mit Urteilen vom 23.07.2014 – B 8 SO 14/13 R – und – B 8 SO 31/12 R – entschieden und nunmehr mit zwei weiteren Urteilen vom 24.03.2015 – B 8 SO 5/14 R – und – B 8 SO 9/14 R – bestätigt, dass sich dies

ergibt.

In beiden Verfahren wurde die Sache an das Landessozialgericht (LSG) zurückverwiesen, weil ausreichende Feststellungen zur Höhe der Leistung (noch) fehlten.

Betont wurde vom 8. Senat des BSG, dass Ermittlungen zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer gemeinsamen Haushaltsführung nur bei qualifiziertem Vortrag des Sozialhilfeträgers

  • zum Fehlen der Fähigkeit des behinderten Menschen an einer gemeinsamen Haushaltsführung auch unter entsprechender Anleitung

zulässig sind und

  • Eigenständigkeit nicht mit Eigeninitiative gleichzusetzen ist.

Bereits in den Urteilen vom 23.07.2014 ist ausgeführt worden, dass typisierend davon auszugehen ist, dass Eltern ihrer Verpflichtung zur Förderung des behinderten Menschen und Anleitung im Rahmen seiner Fähigkeiten nachkommen; insoweit handelt es sich nicht um eine widerlegbare Vermutung.

Das hat die Pressestelle des Bundessozialgerichts am 24.03.2015 – Nr. 6/15 – mitgeteilt.

 

Befristung des Arbeitsvertrags mit einem Profifußballer, wann ist sie zulässig?

Die Befristung eines Arbeitsverhältnisses mit einem Spitzensportler ist

zulässig.
Die Eigenart der Arbeitsleistung als Profifußballspieler rechtfertigt danach als solche nicht eine Befristung des Vertrags.

Das hat das Arbeitsgericht (ArbG) Mainz mit Urteil vom 19.03.2015 – 3 Ca 1197/14 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatten der Kläger und der beklagte Bundesligaverein,

  • bei dem der Kläger zunächst aufgrund eines auf 3 Jahre befristeten Vertrags als Lizenzfußballspieler beschäftigt war,
  • unmittelbar anschließend im Sommer 2012 erneut einen auf 2 Jahre befristeten Vertrag geschlossen.

Die Klage auf Feststellung des Fortbestandes als unbefristetes Arbeitsverhältnis gegen den Verein,

  • von dem auf die Branchenüblichkeit verwiesen sowie geltend gemacht worden war, dass er mit dem zu diesem Zeitpunkt bereits 34-jährigen Spieler aufgrund der Ungewissheit der Leistungserwartung keinen unbefristeten Vertrag habe schließen können,

hatte vor dem ArbG Mainz Erfolg.

Danach kam eine Befristung ohne Sachgrund wegen der Überschreitung der Höchstbefristungsdauer von 2 Jahren nicht mehr in Betracht.
Wie das ArbG ausgeführt hat, durfte der zuletzt geschlossene Arbeitsvertrag auch nicht wegen eines Sachgrundes befristet werden, weil,

  • liegen andere Sachgründe – wie etwa in der Person aufgrund des eigenen Wunsches des Profisportlers – nicht vor,

die Ungewissheit der zukünftigen Leistungsentwicklung (auch im Profisport) nicht die Befristung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigt.

Das und dass die Entscheidung nicht rechtskräftig ist, hat die Pressestelle des Arbeitsgerichts Mainz am 24.03.2015 – Nr. 1/2015 – mitgeteilt.

 

Entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung auf dem Betriebsweg oder Selbsttötung?

Ist ungeklärt bzw. unklärbar, ob der Tod auf einem Betriebsweg durch Selbsttötung geschehen oder verkehrsunfallbedingt eingetreten ist, trägt die Berufsgenossenschaft als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung die Beweislast dafür, dass ein Suizid vorgelegen hat.
Hinterbliebene sind nicht beweispflichtig dafür, dass der Versicherte nicht in Selbsttötungsabsicht gehandelt hat.

Darauf hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 20.01.2015 – L 3 U 365/14 – hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte die Klägerin, als Hinterbliebene im Sinne von §§ 63 ff. Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) die Feststellung begehrt,

  • dass es sich bei dem Verkehrsunfall ihres nach § 6 SGB VII bei der Beklagten freiwillig versicherten Ehemannes,
  • bei dem dieser auf einem versicherten Betriebsweg im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII mit seinem PKW frontal mit einem entgegenkommenden LKW kollidiert und ums Leben gekommen war,

um einen versicherten Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB VII gehandelt hat.

Die beklagte Unfallversicherung hatte,

  • da weder auf der Fahrbahn noch an dem sichergestellten PKW Anzeichen dafür gefunden worden waren, dass der PKW vor dem Zusammenstoß abgebremst worden war, technische Mängel ausgeschlossen werden konnten, der Verunglückte nüchtern war und sich bei ihm auch für eine innere Erkrankung als auslösende Unfallursache keine Hinweise fanden,

die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall mit der Begründung abgelehnt,

  • dass es sich um eine willentlich herbeigeführte Selbsttötung und nicht um einen Unfall im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII gehandelt habe.

Die Klage war erfolgreich.

Das Bayerische LSG hat, da seiner Überzeugung nach eine Selbsttötung nicht mit der gebotenen Sicherheit nachgewiesen war, festgestellt, dass es bei dem Ereignis gemäß §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 8 Abs. 1 SGB VII um einen entschädigungspflichtigen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung gehandelt hat.
Wie das Bayerische LSG ausgeführt hat, ist für die Anerkennung eines Arbeitsunfalles im Sinne von § 8 SGB VII in der Regel erforderlich,

  • dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang),
  • diese Verrichtung zu einem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt (Unfallkausalität) und
  • das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität; vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteile vom 12.04.2005 – B 2 U 11/04 R –; vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R –; vom 05.09.2006 – B 2 U 24/05 R – und vom 12.12.2006 – B 2 U 28/05 R –).

Mit dem Erfordernis, dass das Ereignis „von außen“ auf den Körper des Versicherten einwirken muss, wird dabei zum Ausdruck gebracht, dass ein allein aus innerer Ursache, d.h. aus dem Menschen selbst kommendes Geschehen nicht als Unfall anzusehen ist (vgl. BSG, Urteile vom 12.04.2005 – B 2 U 27/04 R – und vom 29.11.2011 – B 2 U 10/11 R –).
Dieses Tatbestandsmerkmal dient ferner auch der Abgrenzung von Selbstschädigungen, die nicht als Unfall zu werten sind, weil

  • das willentliche Herbeiführen einer Einwirkung der Annahme einer äußeren Einwirkung entgegen steht und
  • dem Begriff des Unfalls die Unfreiwilligkeit der Einwirkung immanent ist.

Das Vorliegen eines Suizids im Straßenverkehr ist ein anspruchsschädlicher Umstand, der im Vollbeweis nachzuweisen ist.
Ist ungeklärt bzw. unklärbar, ob der Tod durch Selbsttötung geschehen ist, trägt insoweit die Unfallversicherung die objektive Beweislast (vergl. BSG, Urteile vom 17.02.2009 – B 2 U 18/07 R – und vom 04.09.2007 – B 2 U 28/06 R –).

Die ursächliche Verknüpfung zwischen der Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses und dem Unfallereignis, die sogenannten Unfallkausalität wird regelmäßig und so auch hier vermutet, wenn

  • es bei der versicherten Tätigkeit zu einem Unfallereignis gekommen ist und
  • außer der versicherten Tätigkeit keine anderen Tatsachen festgestellt werden, die im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne als Konkurrenzursachen wirksam geworden sein können.

Ein nachgewiesener Suizid würde insoweit die Unfallkausalität ausschließen.
Vorliegend war jedoch der Nachweis einer Selbsttötung nicht geführt. Daher verblieb es bei der Vermutung der Unfallkausalität.

Auch die haftungsbegründende Kausalität war gegeben, nachdem durch den Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge der Tod des Versicherten unmittelbar am Unfallort eingetreten war. 

 

Investitionen in Immobilie der Eltern der Lebensgefährtin zur Verbesserung der Wohnverhältnisse für sich und seine Familie.

Erbringt jemand nicht unerhebliche Arbeits- und Materialleistungen

  • in einer von ihm und seiner, mit ihm nicht verheirateten Partnerin bewohnten,
  • im Eigentum ihrer Eltern stehenden

Immobilie, zu dem Zweck,

  • sich und seiner Familie dort langfristig ein Unterkommen zu sichern,

kann nicht ohne weiteres von dem Abschluss eines Kooperationsvertrages zwischen ihm und den Eltern ausgegangen werden.

Darauf

  • und dass ein solcher Fall, in dem Leistungen erbracht werden gegenüber Personen, die nicht durch eine Schwägerschaft verbunden sind, um die Wohnverhältnisse für sich und seine Familie zu verbessern, nicht vergleichbar ist mit den Fällen, in denen Schwiegereltern Leistungen erheblichen Umfangs in die Immobilie ihres Schwiegerkindes erbracht haben (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 21.11.2012 – XII ZR 48/11 – und Beschluss vom 03.12.2014 – XII ZB 181/13 –),

hat der XII. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 04.03.2015 – XII ZR 46/13 – hingewiesen.

Das bedeutet, ohne ausdrückliche Vereinbarung sind Investitionen in eine Immobilie der Eltern der Lebensgefährtin zur Verbesserung der Wohnverhältnisse für sich und seine Familie verloren.

Denn in dem seinem Urteil zugrunde liegenden Fall, in dem der Kläger

  • mit der Tochter der Beklagten sowie einem aus der Beziehung hervorgegangenem Kind in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gelebt,
  • sich, um die Wohnsituation seiner Familie zu verbessen, an dem Um- und Ausbau des Hauses der Beklagten beteiligt, nämlich 2.168 Arbeitsstunden geleistet, 3.099,47 € an Material bezahlt sowie über ein Jahr hinweg die Raten des von den Beklagten zur Finanzierung der Baumaßnahme aufgenommenen Darlehens getragen und

nach Beendigung der Lebensgemeinschaft und Auszug aus der Wohnung von den Beklagten für diese Investitionen in ihre Immobilie eine Ausgleichszahlung von 25.000 € verlangt hatte,

  • hat der XII. Zivilsenat des BGH die Klage abgewiesen und entschieden,
  • dass dem Kläger weder wegen der von ihm im Rahmen des Hausausbaus erbrachten Arbeitsleistungen noch wegen des in die Immobilie eingebrachten Materials beziehungsweise wegen der für die Beklagten erbrachten Darlehenszahlungen ein Ausgleichsanspruch zusteht.

 

Kfz-Versicherung darf Schaden auch dann regulieren, wenn ihr Versicherungsnehmer eine Schadensersatzpflicht bestreitet.

Bestreitet ein Versicherungsnehmer gegenüber seiner Kfz-Versicherung, einen der Versicherung angezeigten Schaden verursacht zu haben,

  • kann die Versicherung selbst entscheiden,
  • ob sie dennoch zahlt oder nicht.

Da entscheidend für das Regulierungsverhalten des Versicherers sein Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Regulierung ist,

  • muss der Versicherer seinem Versicherungsnehmer nicht die Kosten für ein von ihm in Auftrag gegebenes Gutachten zum Beweis seiner Unschuld erstatten und
  • zwar auch dann nicht, wenn dieses nachträglich die Unschuld des Versicherungsnehmers beweist.

Darauf hat das Amtsgericht (AG) München mit Urteil vom 05.07.2013 – 331 C 13903/12 – hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall

  • hatte die beklagte Kfz-Versicherung, bei der das Fahrzeug der Klägerin haftpflichtversichert war, einen ihr von dem vermeintlich Geschädigten angezeigten Schaden in Höhe von 985,78 Euro reguliert, den die Klägerin bestritten hatte, mit ihrem Fahrzeug beim Ausparken verursacht zu haben,

und nachfolgend

  • hatte die Klägerin die Erstattung der Kosten für ein Gutachten von ihrer beklagten Kfz-Versicherung verlangt,
    • das sie eingeholt und
    • das nachträglich ergeben hatte, dass der Schaden an dem Pkw der vermeintlich Geschädigten nicht von ihrem Fahrzeug herrühren kann.

Das AG München hat die Klage der Klägerin mit der Begründung abgewiesen, dass die Versicherung keine Pflichten aus dem Versicherungsverstrag verletzt habe.
Aufgrund ihres Regulierungsermessens sei die Versicherung, wie das Gericht ausführte, berechtigt gewesen, den Unfallschaden des Unfallgegners zu regulieren. Nach dem Versicherungsvertragsgesetz (vgl. § 115 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (VVG)) hafte die Versicherung direkt gegenüber dem Unfallgegner. Sie dürfe selbständig darüber entscheiden, ob sie den Schaden reguliert oder nicht. Sie sei nicht gehalten, eine Regulierung zu verweigern, weil ihr Versicherungsnehmer eine Schadensersatzpflicht bestreitet.
Sie habe im Rahmen ihres Ermessensspielraumes selbständig über die Befriedigung der an sie gerichteten Ansprüche zu befinden.

  • Entscheidend für das Regulierungsverhalten des Versicherers sei sein Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Regulierung.
  • Der Ermessensspielraum gehe so weit, dass der Versicherer auch dem Aspekt der Prozessökonomie den Vorrang geben dürfe.

Vorliegend hatte die beklagte Versicherung vor der Regulierung den Sachverhalt unter Berücksichtigung des Inhalts der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft geprüft. Darin waren zwei Zeugenaussagen, mit dem Inhalt, dass die Klägerin mehrmals gegen das andere Fahrzeug gefahren sei. Eine der beiden Zeuginnen war am Geschehen völlig unbeteiligt.
Auch habe, wie das AG weiter ausführte, die beklagte Versicherung keine Möglichkeit gehabt, eine sofortige Begutachtung einzuleiten, da die Klägerin keine zeitnahe Schadensmeldung gemacht habe.
In Anbetracht der Höhe des regulierten Schadens von unter 1000 Euro sei die beklagte Versicherung auch aus wirtschaftlichen Gründen berechtigt gewesen, von weiteren Ermittlungen abzusehen.

Das hat die Pressestelle des Amtsgerichts München am 20.03.2015 – 14/15 – mitgeteilt.

 

Auszubildende haften nach den gleichen Regeln wie andere Arbeitnehmer.

Auszubildende, die durch ihr Verhalten bei einem Beschäftigten desselben Betriebs einen Schaden verursachen, haften ohne Rücksicht auf ihr Alter nach den gleichen Regeln wie andere Arbeitnehmer.

Das hat der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) mit Urteil vom 19.03.2015 – 8 AZR 67/14 – in einem Fall entschieden, in dem das Landesarbeitsgericht (LAG)

  • den Beklagten, der ebenso wie der Kläger als Auszubildender bei einer Firma beschäftigt war, zur Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 Euro verurteilt hatte,

weil

  • er bei der Arbeit an der Wuchtmaschine, ohne Vorwarnung mit vom Kläger abgewandter Körperhaltung ein ca. 10 g schweres Wuchtgewicht hinter sich geworfen und dabei den Kläger am Kopf getroffen hatte.

Der Achte Senat des BAG bestätigte die Entscheidung des LAG. Auch er sah die Voraussetzungen des Haftungsausschlusses nach § 105 Abs. 1, § 106 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) als nicht erfüllt an.

Das hat die Pressestelle des Bundesarbeitsgerichts am 19.03.2015 – 16/15 – mitgeteilt.

 

Ausgleichszahlungsanspruch wegen Nichtbeförderung bei Umbuchung auf späteren Flug?

Der Ausgleichsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004) wegen Nichtbeförderung setzt grundsätzlich voraus,

  • dass der Fluggast über eine bestätigte Buchung für den betreffenden Flug verfügt,
  • sich zur angegebenen Zeit zur Abfertigung („Check-in“) einfindet und
  • ihm der Einstieg („Boarding“) gegen seinen Willen verweigert wird.

Allerdings kommt es weder auf das Erscheinen zur Abfertigung noch auf das Erscheinen am Ausgang dann an,

  • wenn das Luftverkehrsunternehmen bereits zuvor unzweideutig zum Ausdruck gebracht hat, dem Fluggast die Beförderung auf dem gebuchten Flug zu verweigern.

Darauf hat der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 17.03.2015 – X ZR 34/14 – in einem Fall hingewiesen, in dem einem Reisenden, der eine Flugpauschalreise in die Türkei gebucht hatte, 14 Tage vor Reiseantritt vom Reiseveranstalter mitgeteilt worden war, dass er auf einen sechs Stunden später startenden Flug nach Antalya umgebucht worden ist.

Da noch zu klären ist,

  • ob der Reisende, der auf die Ausgleichzahlung klagte, über eine bestätigte Buchung für den sechs Stunden früheren Flug verfügte und
  • ob in der Mitteilung des Reiseveranstalters, der Reisende sei auf einen anderen Flug umgebucht worden, eine dem beklagten Luftverkehrsunternehmen zuzurechnende vorweggenommene Weigerung zum Ausdruck gekommen ist, den Reisenden auf einem Flug zu befördern, für den er über einen Flugschein oder eine andere bestätigte Buchung im Sinne der Fluggastrechteverordnung verfügte,

hat der X. Zivilsenat des BGH die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 17.03.2015 – Nr. 35/2015 – mitgeteilt.

 

Kein erhöhtes Unfallruhegehalt für Briefzusteller nach Hundebiss.

Briefzusteller sind bei der Ausübung ihrer Tätigkeit keiner besonderen Lebensgefahr aussetzt.

Das hat die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts (VG) Aachen mit Urteil vom 19.03.2015 – 1 K 1700/12 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte die beklagte Bundesrepublik der als Zustellerin tätigen Klägerin,

  • nachdem diese bei der Zustellung von Briefen von zwei Huskies angegriffen, dabei von einem in den rechten Unterarm gebissen worden und nach einer im Rahmen der ärztlichen Behandlung erhaltenen Tetanus-Impfung an deren Folgen dienstunfähig erkrankt war,

wegen dieses Dienstunfalles ein Unfallruhegehalt nach § 36 Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG), aber kein erhöhtes Ruhegehalt nach § 37 Abs. 1 BeamtVG gewährt.

Die 1. Kammer des VG Aachen hat dies als richtig bestätigt.

Danach ist Voraussetzung für ein erhöhtes Unfallruhegehalt, dass sich der Beamte bei Ausübung einer Diensthandlung einer damit verbundenen besonderen Lebensgefahr aussetzt.
Eine besondere Lebensgefahr bei der Zustellung von Briefen lasse sich aber, wie das Gericht ausführte, weder im Allgemeinen noch für die konkrete Zustellung feststellen. Zwar sei bekannt, dass Hunde gelegentlich Zusteller anfallen. Der Biss, den die Klägerin erlitten habe, sei aber nicht lebensgefährlich gewesen. Außerdem sei klar, dass die Briefzustellung nicht mit einer besonderen Lebensgefahr verbunden sei. Die Wahrscheinlichkeit, dabei verletzt oder gar getötet zu werden, sei nicht höher als die Möglichkeit, unversehrt zu bleiben.

Das hat die Pressestelle des Verwaltungsgerichts Aachen am 19.03.2015 mitgeteilt.

 

Sturz eines Fahrgastes beim Anfahren eines Linienbusses im öffentlichen Nahverkehr.

Macht ein Fahrgast eines Linienbusses im öffentlichen Nahverkehr mit der Begründung, beim Anfahren des Busses gestürzt zu sein und sich dabei verletzt zu haben, gemäß den §§ 280, 249, 253 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gegen das Verkehrsunternehmen geltend, ist zunächst davon auszugehen, dass

  • grundsätzlich der Fahrgast eines Linienbusses sich selbst überlassen ist und
  • sofern eine schwere sichtbare Behinderung des Fahrgastes nicht erkennbar ist, eine Verpflichtung des Wagenführers, sich vor einem Anfahren darüber zu vergewissern, dass der Fahrgast einen Platz gefunden hat, nicht besteht.

Wird vom Fahrgast allerdings ein Sachverhalt vorgetragen, der eine Haftung begründet, darf das beklagte Verkehrsunternehmen

  • diese Unfallversion des Fahrgastes nicht einfach bestreiten,
  • sondern muss den Ablauf aus Sicht des Fahrers schildern.

Denn, da das Verkehrsunternehmen im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast die Möglichkeit hat, durch Befragung des Fahrers Erklärungen über den tatsächlichen Ablauf abzugeben, ist ein bloßes Bestreiten gemäß § 138 Zivilprozessordnung (ZPO) nicht ausreichend, d. h., die Unfallversion des Fahrgastes ist dann als zugestanden anzusehen.

  • Unstreitig ist die Unfallversion des Fahrgastes im Fall des bloßen Bestreitens nur dann nicht, wenn das Verkehrsunternehmen den Fahrer nicht benennen kann, obwohl es alle Anstrengungen vorgenommen hat, ihn herauszufinden, insbesondere durch Befragung aller in Betracht kommenden Personen.

Darauf hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt mit Urteil vom 19.02.2015 – 22 U 113/13 – hingewiesen.

 

Kein Auskunftsanspruch des Scheinvaters gegen die Kindsmutter über ihre geschlechtlichen Beziehungen.

Das aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) folgende allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt mit der Privat- und Intimsphäre auch das Recht, selbst darüber zu befinden,

  • ob, in welcher Form und wem
  • Einblick in die Intimsphäre und das eigene Geschlechtsleben

gewährt wird.

  • Dies umschließt das Recht, geschlechtliche Beziehungen zu einem bestimmten Partner nicht offenbaren zu müssen.

Die gerichtliche Verpflichtung einer Mutter,

  • zur Durchsetzung eines Regressanspruchs des Scheinvaters (§ 1607 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) Auskunft über die Person des mutmaßlichen Vaters des Kindes zu erteilen, überschreitet die verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung,

weil es hierfür an einer hinreichend deutlichen Grundlage im geschriebenen Recht fehlt.

Das hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) mit Beschluss vom 24.02.2015 – 1 BvR 472/14 – entschieden.

Danach ist es, weil (derzeit) ein gesetzliche Grundlage hierfür fehlt, mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, dass Gerichte eine Kindsmutter auf der Grundlage von § 1353 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 242 BGB dazu verpflichten, dem vormals rechtlichem Vater des Kindes („Scheinvater“) nach erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung Auskunft über die Person des mutmaßlich leiblichen Vaters zu erteilen, damit der Scheinvater gegen den leiblichen Vater den Unterhaltsregressanspruch nach § 1607 Abs. 3 BGB durchsetzen kann.

Demgegenüber und im Gegensatz dazu hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 02.07.2014 – XII ZB 201/13 – noch entschieden, dass gemäß § 242 BGB

  • der Scheinvater eines während der Ehe geborenen Kindes, der die Vaterschaft erfolgreich angefochten hat, unter bestimmten Umständen von seiner (geschiedenen) Ehefrau verlangen kann, ihm den Mann bzw. die Männer zu benennen, mit dem bzw. denen sie während der gesetzlichen Empfängniszeit Geschlechtsverkehr hatte,

um Regressansprüche nach §§ 1601, 1607 Abs. 3 BGB hinsichtlich des an das Kind geleisteten Unterhalts geltend machen zu können.