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Erbunwürdigkeit im Fall der vollendeten oder versuchten Tötung des Erblassers.

Nach § 2339 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) „ist“ erbunwürdig, wer einen der im Einzelnen dort genannten Tatbestände erfüllt. Auf dieser Grundlage ist anerkannt, dass es auf die Motive des Erbunwürdigen nicht ankommt, er den Tatbestand des § 2339 Abs. 1 BGB mithin selbst dann erfüllt, wenn er aus anerkennenswerten Motiven gehandelt hat (so Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 27.02.2008 – IV ZR 138/07 –).

Die Geltendmachung der Erbunwürdigkeit erfolgt durch Anfechtung des Erbschaftserwerbs im Wege der Anfechtungsklage gemäß §§ 2340, 2342 BGB.
Entschieden wird durch Gestaltungsurteil (BGH, Beschluss vom 12.09.2012 – IV ZR 177/11 –).
Anfechtungsberechtigt ist jeder, dem der Wegfall des Erbunwürdigen zustattenkommt (§ 2341 BGB).
Es muss zumindest die Möglichkeit bestehen, dass der am Wegfall des Unwürdigen Interessierte selbst Erbe wird. Dies richtet sich nach § 2344 BGB.

  • Ist ein Erbe für erbunwürdig erklärt, so gilt der Anfall an ihn (rückwirkend) als nicht erfolgt (Abs. 1).
  • Die Erbschaft fällt demjenigen an, welcher berufen sein würde, wenn der Erbunwürdige zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte (Abs. 2).

Gemäß § 2339 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist unter anderem erbunwürdig,

  • wer den Erblasser vorsätzlich und widerrechtlich getötet oder zu töten versucht hat, d. h. eine vorsätzliche und widerrechtliche Tötung im Sinne des Strafrechts gemäß §§ 211, 212 Strafgesetzbuch (StGB) begangen oder versucht hat,
  • also grundsätzlich auch derjenige, der eine solche Tat als eingesetzter Betreuer durch den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen bei dem Erblasser begeht.

Das gilt jedenfalls dann, wenn

  • der Erblasser keine entsprechende Patientenverfügung hinterlassen hat,
  • keine Tötung auf Verlangen gemäß § 216 StGB vorliegt (was sich aus der Wertung des § 2343 BGB rechtfertigt, weil eine Tötung auf Verlangen ebenso zu behandeln ist wie die Verzeihung, die ebenfalls die Anfechtung wegen Erbunwürdigkeit ausschließt),
  • der Erbe nicht das Verfahren nach §§ 1901a ff. BGB eingehalten hat und
  • sich auch sonst kein tatsächlich geäußerter Wille des Erblassers zum Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen ermitteln lässt.

Erbunwürdigkeit setzt in den Fällen des § 2339 Abs. 1 Nr. 1 BGB allerdings

  • Schuldfähigkeit des Handelnden voraus,
  • wobei Darlegungs- und beweispflichtig für die Schuldunfähigkeit im Rahmen von § 2339 Abs. 1 BGB in entsprechender Anwendung von § 827 BGB derjenige ist, der sich auf seine Unzurechnungsfähigkeit beruft.

Darauf hat der IV. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 11.03.2015 – IV ZR 400/14 – hingewiesen.

 

Schätzgrundlage zur Ermittlung der ersatzfähigen Kosten für die Anmietung eines Unfallersatzfahrzeuges.

Der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf hat mit Urteil vom 24.03.015  – I-1 U 42/14 –

  • den Frauenhofer-Marktpreisspiegel als vorzugswürdige Schätzungsgrundlage

zur Ermittlung der „Normaltarife“ für die Anmietung eines Unfallersatzfahrzeuges bei der Schadensberechnung erklärt.

Danach ist

  • eine Schadensschätzung aufgrund des Frauenhofer-Marktpreisspiegels

sowohl einer Schätzung nach der „Schwacke-Liste“ als auch einer Schätzung anhand eines Mittelwerts aus beiden Listen vorzuziehen.

Wie der Senat ausführte,

  • entsprechen die vom Frauenhofer-Institut durch anonyme Marktabfragen ermittelten Preise dem wirklichen Angebotsspektrum am ehesten,
  • weil sie auf einer „realen Anmietsituation“ beruhen.

Demgegenüber seien – gerade nach Wegfall des Rabattgesetzes – Zweifel angebracht, ob die Tarife der Schwacke-Liste, die im Wesentlichen auf den Preisinformationen der Anbieter beruhten, den wirklichen Markt noch realistisch abbilden. Die Tarifermittlungen der Schwacke-Liste lassen nämlich unberücksichtigt, dass viele Mietwagenanbieter von den veröffentlichten Listenpreisen aus Wettbewerbsgründen nach unten abweichen.

  • Bereits der Umstand, dass die vom Frauenhofer-Institut hingegen durch anonym eingeholte Angebote ermittelten Mietwagenpreise regelmäßig deutlich unter den in der Schwacke-Liste angegebenen Preisen liegen, spreche gegen die Annahme, dass es sich bei den von den Mietwagenunternehmen übermittelten Preislisten um tatsächlich angebotene bzw. realisierte Preise handele.

In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Rechtsstreit hatte die geschädigte Klägerin weder die Berücksichtigung des Wirtschaftlichkeitsgebots bei der Anmietung eines Ersatzfahrzeuges dargelegt noch Umstände vorgetragen, die es rechtfertigen konnten, ihr auch wirtschaftlich nicht erforderliche Mietwagenkosten zuzuerkennen. Der Senat musste den Schaden daher auf Grundlage der objektive Marktlage gem. § 287 Zivilprozessordnung (ZPO) schätzen.

Zur Erläuterung:
Die Frage, auf welcher Grundlage Mietwagenkosten im Hinblick auf den Marktpreis zu schätzen sind, ist in Zivilverfahren oft streitig.
Grundsätzlich hat der Geschädigte bei der Anmietung eines Unfallersatzfahrzeuges nur Anspruch auf Erstattung der erforderlichen Kosten.
Er ist, wenn die Umstände es zulassen, an das Wirtschaftlichkeitsgebot gebunden und muss daher von mehreren verfügbaren Angeboten das Günstigste auswählen.
Wenn er sich aber nicht über die Marktlage informiert hat und keine Gründe anführen kann, die es gerechtfertigt erscheinen lassen, dass er gerade das gewählte Angebot angenommen hat, muss der angemessene Mietpreis geschätzt werden.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Düsseldorf am 26.03.2015 – Nr. 05/2015 – mitgeteilt.

 

Zur Unzulässigkeit der Kündigung einer Arbeitnehmerin nach einer Befruchtung außerhalb des Körpers (In-vitro-Fertilisation).

Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zum Schutz der erwerbstätigen Mutter (MuSchG) ist eine ohne behördliche Zustimmung ausgesprochene Kündigung gegenüber einer Frau während der Schwangerschaft unzulässig, wenn

  • dem Arbeitgeber zur Zeit der Kündigung die Schwangerschaft bekannt war oder
  • sie ihm innerhalb zweier Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird.

Im Fall einer Schwangerschaft nach einer Befruchtung außerhalb des Körpers (In-vitro-Fertilisation) greift das mutterschutzrechtliche Kündigungsverbot

  • bereits ab dem Zeitpunkt der Einsetzung der befruchteten Eizelle (sog. Embryonentransfer) und
  • nicht erst mit ihrer erfolgreichen Einnistung (Nidation).

Das hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) mit Urteil vom 26.03.2015 – 2 AZR 237/14 – entschieden und – wie schon die Vorinstanzen – der Kündigungsschutzklage einer Arbeitnehmerin stattgegeben, der der Arbeitgeber,

  • nachdem bei ihr am 24.01.2013 ein dem Arbeitgeber angekündigter Embryonentransfer durchgeführt worden war,

am 31.01.2013 – ohne behördliche Zustimmung – ordentlich gekündigt sowie ihre Stelle mit einer älteren Arbeitnehmerin besetzt hatte und

  • der von der Gekündigten am 13.02.2013 über die bei ihr am 07.02.2013 festgestellte Schwangerschaft informiert worden war.

Wie der Zweite Senat des BAG entschied, war die Kündigung unwirksam,

Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 26.02.2008 – C-506/06 – kann nämlich

  • eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts vorliegen, wenn eine Kündigung hauptsächlich aus dem Grund ausgesprochen wird, dass die Arbeitnehmerin sich einer Behandlung zur In-vitro-Fertilisation unterzogen hat und

vorliegend war nach den gesamten Umständen davon auszugehen, dass die Kündigung wegen der (beabsichtigten) Durchführung einer solchen Behandlung und der damit einhergehenden Möglichkeit einer Schwangerschaft erklärt wurde.

Das hat die Pressestelle des Bundesarbeitsgerichts am 26.03.2015 – Nr. 17/15 – mitgeteilt.

 

Zur Bestellung des Verwalters durch die Wohnungseigentümer.

Die Bestellung des Verwalters, bei der zu unterscheiden ist,  

  • zwischen der Bestellung des Verwalters als Organ der Wohnungseigentümergemeinschaft und Vertreter der Wohnungseigentümer einerseits und
  • dem Verwaltervertrag andererseits,

entspricht grundsätzlich nur dann ordnungsmäßiger Verwaltung im Sinne von § 21 Abs. 3 Wohnungseigentumsgesetz (WEG), wenn

  • in derselben Eigentümerversammlung, in der die Bestellung erfolgt,
  • auch die Eckpunkte des abzuschließenden Verwaltervertrags (Laufzeit und Vergütung) in wesentlichen Umrissen geregelt werden;

hiervon kann nur unter besonderen Umständen übergangsweise abgewichen werden.

Das hat der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 27.02.2015 – V ZR 114/14 – entschieden.

Danach kann die Bestellung des Verwalters grundsätzlich erst erfolgen, wenn die Eckpunkte des Verwaltervertrags feststehen.
Vorher kann eine vorläufige Bestellung ausnahmsweise nur dann als Übergangsregelung hinzunehmen sein, wenn das Ende des Bestellungszeitraums unmittelbar bevorsteht und sich eine Zeit ohne Verwalter nur durch eine vorübergehende Bestellung vermeiden lässt.

  • Bei einer erstmaligen Bestellung des Verwalters ist, wie der V. Zivilsenat des BGH ausgeführt hat, die Festlegung der wesentlichen vertraglichen Eckpunkte schon deshalb erforderlich, weil mehrere Angebote einzuholen sind (BGH, Urteil vom 01.04.2011 – V ZR 96/10 –).

Ein tragfähiger Vergleich zwischen mehreren Anbietern ist den Wohnungseigentümern nämlich nur möglich, wenn sie deren Konditionen kennen.
Das bedeutet nicht etwa, dass der günstigste Anbieter gewählt werden müsste; die Entscheidung über die Bestellung muss jedoch auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage getroffen werden.

Aber auch in diesem Fall müssen die Wohnungseigentümer bei der Bestellung wissen, worauf sie sich einlassen.
Ausreichend ist es, wenn sich aus den Gesamtumständen ergibt, dass der Verwalter zu den bisherigen Konditionen (insbesondere der Vergütung) weiter tätig sein wird; hinsichtlich der Laufzeit des Vertrags können die Wohnungseigentümer davon ausgehen, dass diese – der Üblichkeit entsprechend – mit dem Bestellungszeitraum übereinstimmen soll.

Zu den Eckpunkten des Verwaltervertrags,

  • die bei der Bestellung in wesentlichen Umrissen geregelt werden bzw. bekannt sein müssen,

gehören

  • Laufzeit und
  • Vergütung.

Beide Gesichtspunkte sind

  • nicht nur für den Verwaltervertrag,
  • sondern auch für die Auswahlentscheidung im Rahmen der Bestellung

von wesentlicher Bedeutung.

Hinsichtlich der Laufzeit darf nicht offen bleiben,

  • ob der Vertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen wird oder
  • ob beide Seiten eine längere Bindung eingehen werden.

Die Bedeutung der Vergütung versteht sich von selbst.
Es liegt im allseitigen Interesse, deren Höhe bei der Bestellung in wesentlichen Umrissen festzulegen, um Streit über die andernfalls geschuldete branchenübliche Vergütung (§ 675 Abs. 1, § 612 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) zu vermeiden.
Dies gilt

  • in besonderem Maße, wenn der Verwalter ohne Festlegung der vertraglichen Eckpunkte für eine längere Laufzeit bestellt wird,
  • aber auch bei einer Bestellung auf unbestimmte Zeit.

In letzterem Fall kann er zwar jederzeit abberufen werden; für die Zeit seiner Tätigkeit schulden die Wohnungseigentümer aber (ebenso wie bei der Bestellung für eine kurze Laufzeit) die (streitanfällige) übliche Vergütung. Dies kann nur unter besonderen Umständen und übergangsweise hinzunehmen sein. 

 

Wenn es im Kreisverkehr zu einer Kollision kommt.

Kommt es im Kreuzungs- oder Einmündungsbereich einer vorfahrtsgeregelten Einmündung zu einer Kollision zwischen dem wartepflichtigen und dem vorfahrtsberechtigten Verkehr, so spricht der Beweis des ersten Anscheins regelmäßig dafür, dass der Wartepflichtige den Unfall durch eine schuldhafte Vorfahrtsverletzung verursacht hat (vgl. Oberlandesgericht (OLG) München, Urteil vom 29.07.2011 – 10 U 1131/11 –; OLG Frankfurt, Urteil vom 21.01.2008 – 25 U 220/04 –).

  • Das gilt im Grundsatz auch für die Vorfahrtsverletzung im Kreisverkehr.

Die Anforderungen des § 8 Abs. 1a Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) unterscheiden sich insoweit nicht qualitativ von denen der allgemeinen Vorfahrtsregel des § 8 Abs. 1 StVO. Die Vorfahrt des Verkehrs auf der Kreisbahn hat in § 8 Abs. 1a StVO nur deshalb eine zusätzliche Regelung erfahren, weil der Verkehr im Kreisverkehr auch ohne ausdrückliches positives Vorfahrtszeichen (Zeichen 301/306 der Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO) aufgrund eines echten Vorfahrtsrechts und nicht nur als Reflex des Zeichens 205 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO geschützt werden sollte.

  • Nach Maßgabe dieser Grundsätze spricht der Beweis des ersten Anscheins für einen Vorfahrtsverstoß des in einen Kreisverkehr Einfahrenden, wenn er im Einmündungsbereich mit einem auf der Kreisfahrbahn fahrenden Verkehrsteilnehmer kollidiert, dessen Vorfahrtsberechtigung feststeht, weil er zuerst in den Kreisverkehr eingefahren ist.
    Hier gilt die gleiche Lebenserfahrung wie an sonstigen Einmündungen auch.
  • Steht umgekehrt fest, dass der Einfahrende im Zeitpunkt des Einfahrens in den Kreisverkehr gegenüber einem später einfahrenden Unfallgegner noch nicht wartepflichtig war, liegt – unabhängig von den Voraussetzungen des Anscheinsbeweises – von vornherein kein Vorfahrtsverstoß vor, weil der Unfallgegner nicht vorfahrtsberechtigt war.
  • Ist allerdings offen, welcher Unfallbeteiligte zuerst in den Kreisverkehr eingefahren ist, so spricht der Beweis des ersten Anscheins für einen Vorfahrtsverstoß desjenigen, in dessen Einmündungsbereich sich der Unfall ereignet hat.
    Denn es besteht ein Erfahrungssatz der allgemeinen Lebenserfahrung dafür, dass er gegenüber dem Unfallgegner wartepflichtig war. Dieser Erfahrungssatz hat seinen Grund darin, dass sich der Unfall im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Einfahrt des einbiegenden Verkehrsteilnehmers ereignet, wohingegen der andere, um die Kollisionsstelle zu erreichen, zusätzlich eine gewisse Strecke zurückgelegt und den Kreisverkehr schon während einer gewissen Dauer durchfahren haben muss.
    Da ein Kreisverkehr wegen seiner Krümmung und der mit der Zusammenführung mehrerer Straßen verbundenen Gefahren typischerweise nur mit mäßiger Geschwindigkeit durchfahren werden kann, spricht die Lebenserfahrung dann nach den zu erwartenden Bewegungsabläufen dafür, dass der von der ersten Einmündung her einfahrende Verkehrsteilnehmer den Kreisverkehr zuerst erreicht hat.

Das schließt nicht aus, dass der Anscheinsbeweis beim Vorliegen besonderer Umstände unanwendbar sein kann.

  • So kann der Fall etwa liegen, wenn die Einmündungen, von denen aus die Unfallbeteiligten in den Kreisverkehr eingefahren sind, so eng beieinander liegen, dass der von der ersten Einmündung Einfahrende nur eine ganz geringe zusätzliche Strecke zurücklegen muss und es deshalb ernsthaft in Betracht kommt, dass er diese Strecke aufgrund einer höheren Relativgeschwindigkeit so schnell zurücklegt, dass es zur Kollision kommt, obwohl er noch nicht Teil des vorfahrtsberechtigten Verkehrs geworden war, als der Unfallgegner an der zweiten Einmündung in den Kreisverkehr eingefahren ist.

In ähnlicher Weise werden etwa auch eng beieinander liegende Einmündungen an sonstigen Straßen behandelt.
So ist im Grundsatz zwar anerkannt, dass das Vorfahrtsrecht auch denjenigen schützt, der erst wenige Meter vor einer Einmündung in die vorfahrtsberechtigte Straße eingefahren ist.

  • Wenn aber mehrere Einmündungen so eng beieinander liegen, dass sie gewissermaßen einen einheitlichen Einmündungsbereich bilden und sich der aus der untergeordneten Straße einmündende Verkehr im Zeitpunkt der Kollision noch nicht in den vorfahrtsberechtigten Verkehr eingeordnet hatte, besteht noch keine Vorfahrt des einen gegenüber dem anderen.
    Das kann auch im Kreisverkehr ernsthaft in Betracht kommen, wenn die Unfallbeteiligten aus eng beieinander liegenden Einmündungen in den Kreisverkehr einfahren.
  • Ist hingegen offen, ob der Unfallgegner überhaupt von einer in unmittelbarer Nähe gelegenen Einmündung in den Kreisverkehr eingefahren ist, verbleibt es grundsätzlich bei der Anwendung des Anscheinsbeweises.
    Allein der Umstand, dass zwei Straßen in unmittelbarer Nähe zueinander in den Kreisverkehr einmünden, begründet für sich allein noch nicht die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs.

Darauf hat das Landgericht (LG) Saarbrücken mit Urteil vom 28.03.2014 – 13 S 196/13 – hingewiesen.

 

Krankentagegeldversicherung für den Fall der Arbeitsunfähigkeit.

Geht ein Versicherter

so entfällt der Krankentagegeldanspruch auch dann,

  • wenn er während dieser Maßnahme keinen Lohn vom Arbeitgeber, sondern nur Krankengeld erhält.

Darauf hat der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 11.03.2015 – IV ZR 54/14 – in einem Fall hingewiesen, in dem der Kläger

auch für die Zeit begehrt hatte, in der er

  • zwar wegen eines Burn-Out-Syndroms noch arbeitsunfähig krankgeschrieben war und noch keinen Lohn, sondern ausschließlich Krankengeld bezogen hatte,
  • aber bereits wieder nach dem „Hamburger Modell“ stufenweise in den Arbeitsprozess eingegliedert worden war und dabei in den ersten beiden Wochen drei Stunden, in der dritten und vierten Woche sechs Stunden am Tag gearbeitet hatte.

In § 1 Teil I der MB/KT hieß es dabei unter anderem:

  • „(1) Der Versicherer bietet Versicherungsschutz gegen Verdienstausfall als Folge von Krankheiten oder Unfällen, soweit dadurch Arbeitsunfähigkeit verursacht wird. Er zahlt im Versicherungsfall für die Dauer einer Arbeitsunfähigkeit ein Krankentagegeld in vertraglichem Umfang.
  • (2) Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen, in deren Verlauf Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird. Der Versicherungsfall beginnt mit der Heilbehandlung; er endet, wenn nach medizinischem Befund keine Arbeitsunfähigkeit und keine Behandlungsbedürftigkeit mehr bestehen. …
  • (3) Arbeitsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen liegt vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt und keiner anderweitigen Erwerbstätigkeit nachgeht. …“

Gemäß § 1 (3) MB/KT genügt danach, um den Anspruch auf Krankentagegeld auszuschließen,

  • bereits eine nur zum Teil gegebene Arbeitsfähigkeit,

sofern der Versicherte seinem Beruf in seiner konkreten Ausgestaltung

Soweit es dabei um die Bewertung einer vom Versicherten tatsächlich ausgeübten Tätigkeit geht, ist nur entscheidend,

  • ob die fragliche Tätigkeit nach ihrer Art der zuletzt konkret ausgeübten beruflichen Tätigkeit zuzuordnen ist (BGH, Urteil vom 18.07.2007 – IV ZR 129/06 –) und
  • bei der Wiedereingliederung i.S. von § 74 SGB V handelt es sich um eine stufenweise Wiederaufnahme der vorherigen Berufstätigkeit, die die Fähigkeit, diese Tätigkeit teilweise verrichten zu können, voraussetzt und bei der es allein darum geht, den Arbeitnehmer schonend, aber kontinuierlich wieder an die Belastungen seines Arbeitsplatzes heranzuführen.

 

Zur Verbrauchereigenschaft der Wohnungseigentümergemeinschaft.

Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist im Interesse des Verbraucherschutzes der in ihr zusammengeschlossenen, nicht gewerblich handelnden natürlichen Personen regelmäßig einem Verbraucher gemäß § 13 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gleichzustellen, nämlich immer dann,

  • wenn ihr wenigstens ein Verbraucher angehört und
  • sie ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder einer gewerblichen noch einer selbständigen beruflichen Tätigkeit dient.

Das hat der unter anderen für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) am 24.03.2015 entschieden (Urteile vom 24.03.2015 – VIII ZR 243/13, VIII ZR 360/13 und VIII ZR 109/14 –).

Als entscheidend hat der Senat angesehen, dass eine natürliche Person ihre Schutzwürdigkeit als Verbraucher nicht dadurch verliert, dass sie – durch den Erwerb von Wohnungseigentum kraft Gesetzes (zwingend) – Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft wird.
Hinzu kommt, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft beim Abschluss von Rechtsgeschäften mit Dritten in der Regel – und damit beispielsweise auch bei Energielieferungsverträgen, um die es in den Entscheidungen ging und die der Deckung des eigenen Bedarfs dienten – zum Zwecke der privaten Vermögensverwaltung ihrer Mitglieder und damit nicht zu gewerblichen Zwecken handelt.
Dies gilt auch dann, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft bei Vertragsschluss durch eine gewerbliche Hausverwaltung vertreten wird. Denn für die Abgrenzung von unternehmerischem und privatem Handeln im Sinne der §§ 13, 14 BGB kommt es im Falle einer Stellvertretung grundsätzlich auf die Person des Vertretenen an.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 25.03.2015 – Nr. 43/2015 – mitgeteilt.

 

Zur Rückabwicklung eines Kfz-Kaufvertrages nach Untergang des Fahrzeugs (hier infolge eines Brandes).

Der Verkäufer eines Kraftfahrzeugs kann nach einem wirksamen Rücktritt des Käufers vom Kaufvertrag die Rückzahlung des Kaufpreises nicht davon abhängig machen, dass ihm der Käufer einen noch ungeklärten Anspruch gegen seine Kaskoversicherung abtritt.

Das hat der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 25.03.2015 – VIII ZR 38/14 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war ein vom Kläger gekaufter Neuwagen,

  • nachdem der Kläger wegen verschiedener Mängel vom Kauf zurückgetreten war und vom Beklagten, dem Verkäufer, verlangt hatte, ihm Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs den Kaufpreis (abzüglich einer Nutzungsentschädigung) zurückzuzahlen,
  • aus ungeklärter Ursache ausgebrannt, als er sich noch beim Kläger befand.

Daraufhin hatte der Beklagte die Rückzahlung des Kaufpreises davon abhängig machen wollen, 

  • dass der Kläger ihm die Ansprüche gegen die Kaskoversicherung abtritt, die dieser für das Fahrzeug abgeschlossen hatte,
  • von der der Kläger noch keine Leistungen erhalten, die auch ihre Eintrittspflicht nicht anerkannt hatte und von der die nach den Versicherungsbedingungen für eine Anspruchsabtretung erforderliche Genehmigung verweigert worden war. 

Der VIII. Zivilsenat des BGH entschied, dass

  • der Beklagte aufgrund des wirksamen Rücktritts den Kaufpreis (abzüglich der Nutzungsentschädigung) zurückzahlen muss und
  • ihm ein Zurückbehaltungsrecht nach §§ 348, 320 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht zusteht.

Denn der Kläger habe, wie der Senat ausführte, bisher von der Kaskoversicherung nichts erlangt, was er herausgeben könnte.
Erlangt im Sinne des hier anwendbaren § 346 Abs. 3 Satz 2 BGB sei etwas nämlich erst dann, wenn

  • es sich im Vermögen des Bereicherten konkret manifestiert habe und
  • dadurch eine Verbesserung seiner Vermögenslage eingetreten sei.

Dies sei hier nicht der Fall gewesen, weil der Kläger

  • weder eine Zahlung von der Versicherung erhalten
  • noch diese ihre Eintrittspflicht anerkannt

habe.

  • Ein etwaiger, noch im Prüfungsstadium befindlicher und wegen der verweigerten Genehmigung der Kaskoversicherung derzeit nicht abtretbarer Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Versicherungsleistung stelle keine herausgabefähige Bereicherung im Sinne des § 346 Abs. 3 Satz 2 BGB dar und
  • auf etwaige Ansprüche, die dem Beklagten gegen den Kläger erst in Zukunft dadurch erwachsen könnten, dass die Versicherung des Klägers den Anspruch auf die Versicherungsleistung feststellt oder den festgestellten Betrag auszahlt, könne ein Zurückbehaltungsrecht von vornherein nicht gestützt werden.

Die Frage, ob § 285 BGB im Rückgewährschuldverhältnis nach §§ 346 ff. BGB anwendbar ist, lies der Senat offen. Denn der Kläger hatte bislang auch im Sinne dieser Vorschrift keinen herausgabefähigen Ersatz oder Ersatzanspruch erlangt.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 25.03.20215 – Nr. 42/2015 – mitgeteilt.

 

Sozialhilfe für volljährige behinderte Menschen, die bei ihren Eltern leben.

Erwerbsunfähige volljährige behinderte Menschen,

  • die Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch ‑ Sozialhilfe ‑ (SGB XII) erhalten und
  • bei ihren Eltern beziehungsweise einem Elternteil leben,

haben grundsätzlich Anspruch auf Leistungen für den Lebensunterhalt nach der Regelbedarfsstufe 1 (100 %).

Das hat der 8. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) bereits mit Urteilen vom 23.07.2014 – B 8 SO 14/13 R – und – B 8 SO 31/12 R – entschieden und nunmehr mit zwei weiteren Urteilen vom 24.03.2015 – B 8 SO 5/14 R – und – B 8 SO 9/14 R – bestätigt, dass sich dies

ergibt.

In beiden Verfahren wurde die Sache an das Landessozialgericht (LSG) zurückverwiesen, weil ausreichende Feststellungen zur Höhe der Leistung (noch) fehlten.

Betont wurde vom 8. Senat des BSG, dass Ermittlungen zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer gemeinsamen Haushaltsführung nur bei qualifiziertem Vortrag des Sozialhilfeträgers

  • zum Fehlen der Fähigkeit des behinderten Menschen an einer gemeinsamen Haushaltsführung auch unter entsprechender Anleitung

zulässig sind und

  • Eigenständigkeit nicht mit Eigeninitiative gleichzusetzen ist.

Bereits in den Urteilen vom 23.07.2014 ist ausgeführt worden, dass typisierend davon auszugehen ist, dass Eltern ihrer Verpflichtung zur Förderung des behinderten Menschen und Anleitung im Rahmen seiner Fähigkeiten nachkommen; insoweit handelt es sich nicht um eine widerlegbare Vermutung.

Das hat die Pressestelle des Bundessozialgerichts am 24.03.2015 – Nr. 6/15 – mitgeteilt.

 

Befristung des Arbeitsvertrags mit einem Profifußballer, wann ist sie zulässig?

Die Befristung eines Arbeitsverhältnisses mit einem Spitzensportler ist

zulässig.
Die Eigenart der Arbeitsleistung als Profifußballspieler rechtfertigt danach als solche nicht eine Befristung des Vertrags.

Das hat das Arbeitsgericht (ArbG) Mainz mit Urteil vom 19.03.2015 – 3 Ca 1197/14 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatten der Kläger und der beklagte Bundesligaverein,

  • bei dem der Kläger zunächst aufgrund eines auf 3 Jahre befristeten Vertrags als Lizenzfußballspieler beschäftigt war,
  • unmittelbar anschließend im Sommer 2012 erneut einen auf 2 Jahre befristeten Vertrag geschlossen.

Die Klage auf Feststellung des Fortbestandes als unbefristetes Arbeitsverhältnis gegen den Verein,

  • von dem auf die Branchenüblichkeit verwiesen sowie geltend gemacht worden war, dass er mit dem zu diesem Zeitpunkt bereits 34-jährigen Spieler aufgrund der Ungewissheit der Leistungserwartung keinen unbefristeten Vertrag habe schließen können,

hatte vor dem ArbG Mainz Erfolg.

Danach kam eine Befristung ohne Sachgrund wegen der Überschreitung der Höchstbefristungsdauer von 2 Jahren nicht mehr in Betracht.
Wie das ArbG ausgeführt hat, durfte der zuletzt geschlossene Arbeitsvertrag auch nicht wegen eines Sachgrundes befristet werden, weil,

  • liegen andere Sachgründe – wie etwa in der Person aufgrund des eigenen Wunsches des Profisportlers – nicht vor,

die Ungewissheit der zukünftigen Leistungsentwicklung (auch im Profisport) nicht die Befristung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigt.

Das und dass die Entscheidung nicht rechtskräftig ist, hat die Pressestelle des Arbeitsgerichts Mainz am 24.03.2015 – Nr. 1/2015 – mitgeteilt.