Tag Arbeitsverhältnis

Was Arbeitgeber bei der Formulierung eines Arbeitsvertrages mit Probezeit beachten müssen

…. und Arbeitnehmer, denen während der Probezeit gekündigt wird, anhand ihres Arbeitsvertrages überprüfen sollten.

Gemäß § 622 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann ein Arbeitsverhältnis während der Probezeit,

  • wenn eine solche von längstens sechs Monaten im Arbeitsvertrag vereinbart ist,

sowohl vom Arbeitgeber als auch vom Arbeitnehmer mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.

Ist in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag mit einer solchen Probezeit in einer Vertragsklausel eine längere Kündigungsfrist festgelegt, muss,

  • wenn diese längere Kündigungsfrist erst nach dem Ende der Probezeit gelten soll,

dies unmissverständlich deutlich gemacht sein.

Ansonsten gilt diese längere Kündigungsfrist auch schon für Kündigungen des Arbeitgebers während der Probezeit.

Das hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) mit Urteil vom 23.03.2017 – 6 AZR 705/15 – entschieden (Quelle: Pressemitteilung des BAG vom 23.03.2017 – Nr. 17/17 –).

Was Arbeitgeber und werdende Mütter wissen sollten, wenn sie ein Arbeitsverhältnis vereinbaren

Wird vor dem vereinbarten Beginn eines Arbeitsverhältnisses, also vor der tatsächlichen Arbeitsaufnahme,

  • der Arbeitnehmerin aufgrund einer Risikoschwangerschaft ein ärztliches Beschäftigungsverbot erteilt,

hat sie

  • ab Beginn des vereinbarten Arbeitsverhältnisses, also dem Zeitpunkt, zu dem die werdende Mutter die Arbeit hätte aufnehmen müssen,
  • gegen den Arbeitgeber nach § 11 des Gesetzes zum Schutze der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz – MuSchG) Anspruch auf den Lohn, den sie bei Arbeitsaufnahme erhalten hätte.

Das hat das Landesarbeitsgerichts (LArbG) Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 30.09.2016 – 9 SA 917/16 – in einem Fall entschieden, in dem

  • Arbeitgeber und Arbeitnehmerin im November ein Arbeitsverhältnis beginnend zum ersten Januar des Folgejahres vereinbart hatten und
  • der Arbeitnehmerin im Dezember aufgrund einer Risikoschwangerschaft ein ärztliches Beschäftigungsverbot erteilt worden war.

Dass die Arbeitnehmerin ab Januar Anspruch auf den Lohn hat, den sie bei Arbeitsaufnahme erhalten hätte, hat das LArbG damit begründet, dass der Anspruch auf Arbeitsentgelt bei Beschäftigungsverboten

  • lediglich ein vorliegendes Arbeitsverhältnis sowie aufgrund eines Beschäftigungsverbotes unterbliebene Arbeit,
  • aber keine vorherige Arbeitsleistung

voraussetze und

  • der Arbeitgeber durch den Anspruch der werdenden Mutter auf Lohn auch nicht unverhältnismäßig belastet werde, weil er die zu zahlenden Beträge aufgrund des Umlageverfahrens in voller Höhe erstattet erhalte.

Das LArbG hat gegen seine Entscheidung die Revision zugelassen. Wie das Bundesarbeitsgericht entscheiden wird, bleibt abzuwarten (Quelle: Pressemitteilung des LArbG Berlin-Brandenburg Nr. 34/2016 vom 04.10.2016).

Was Arbeitgeber und Arbeitnehmer wissen sollten wenn es darum geht ob ein Arbeitnehmer fristlos entlassen werden kann

Gemäß § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer

  • dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und
  • unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile

die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Demnach ist Voraussetzung für eine fristlose Kündigung

  • zunächst, dass der Sachverhalt, auf den die Kündigung gestützt wird, ohne seine besonderen Umstände „an sich“, das heißt typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist und

wenn dies der Fall ist,

  • dass dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – unzumutbar ist.

Ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB ist also nur gegeben, wenn das Ergebnis dieser Gesamtwürdigung die Feststellung der Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ist (Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteile vom 09.06.2011 – 2 AZR 381/10 – und vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 –).

Eine außerordentliche Kündigung an sich rechtfertigen können beispielsweise auch grobe Beleidigungen des Arbeitgebers und/oder seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, weil sie einen gewichtigen Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers (§ 241 Abs. 2 BGB) darstellen (BAG, Urteil vom 10. Dezember 2009 – 2 AZR 534/08 – AP BGB § 626 Nr. 226).

Das allein reicht allerdings noch nicht für eine fristlose Kündigung aus.

Vielmehr ist, trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung, bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist, in einer Gesamtwürdigung

  • das Interesse des Arbeitgebers an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses
  • gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen,

wobei eine Bewertung des Einzelfalles unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen hat.

Zu berücksichtigen sind insbesondere regelmäßig

  • das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung – etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlustes und die wirtschaftlichen Folgen -,
  • der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers,
  • eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie
  • die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf.

Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht,

  • wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind,
  • wobei als mildere Reaktion insbesondere die Abmahnung anzusehen ist, wenn schon sie geeignet ist, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck – die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen – zu erreichen.

Das Erfordernis weitergehend zu prüfen, ob nicht schon eine Abmahnung ausreichend gewesen wäre, folgt aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und trägt zugleich dem Prognoseprinzip bei der verhaltensbedingten Kündigung Rechnung (BAG, Urteile vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 – und vom 25.10.2012 – 2 AZR 495/11 –).
Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann.
Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus.
Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 i.V.m. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn

  • bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder
  • es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist.

Darauf hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts (LAG) Baden-Württemberg mit Urteil vom 22.06.2016 – 4 Sa 5/16 – hingewiesen.