Tag Ausbildung

Was Eltern über die kindergeldrechtliche Berücksichtigung eines Kindes, das wegen einer Erkrankung

…. keine Berufsausbildung beginnen kann, wissen sollten.

Mit Urteil vom 12.11.2020 – III R 49/18 – hat der III. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) darauf hingewiesen, dass ein Kind unter 25 Jahren, das 

  • einen Ausbildungsplatz sucht,
  • aber wegen einer Erkrankung keine Ausbildung beginnen kann, 

kindergeldrechtlich

  • als ausbildungsplatzsuchendes Kind nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c Einkommensteuergesetz (EStG) 

nur dann zu berücksichtigen ist, wenn 

  • das Ende der Erkrankung absehbar ist.

Ist dieses nicht absehbar, reicht 

  • der Wille des Kindes, 

sich nach dem Ende der Erkrankung um einen Ausbildungsplatz zu bemühen,

  • nicht aus.

Allerdings kann in solchen Fällen, wenn das Kind 

  • wegen einer vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetretenen körperlichern geistigen oder seelischen Behinderung (vgl. dazu § 2 Abs. 1 Satz 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) 

außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, eine kindergeldrechtliche Berücksichtigung 

  • nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG 

in Betracht kommen.

Eltern sind grundsätzlich nicht verpflichtet, dem Kind eine weitere Berufsausbildung zu finanzieren, wenn

…. sie ihrem Kind

  • (bereits) eine angemessene, seinen Begabungen und Neigungen entsprechende Ausbildung finanziert haben und
  • das Kind in diesem erlernten Beruf nach Abschluss der Ausbildung keine Arbeitsstelle findet.

Mit Beschluss vom 27.04.2018 – 7 UF 18/18 – hat der 7. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm in einem Fall, in dem einer Tochter,

  • nachdem diese auf eigenen Wunsch, um den Beruf einer Bühnentänzerin zu erlernen, nach der mittleren Reife die Schule verlassen hatte,

von den Eltern in der Folgezeit an einer Hochschule die Erstausbildung zur diplomierten Bühnentänzerin finanziert worden war und die Tochter nachfolgend,

  • da es ihr aufgrund der zwischenzeitlich verschlechterten Arbeitsmarktsituation nicht gelang eine Anstellung als Tänzerin zu erhalten,
  • die Schulbildung wieder aufgenommen, die allgemeine Hochschulreife erworben sowie

ein Psychologiestudium begonnen hatte, entschieden,

  • dass die Eltern der Tochter für dieses Studium keinen Ausbildungsunterhalt mehr schulden.

Begründet hat der Senat dies damit, dass Eltern,

  • die im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, ihrem Kind eine (erste) Berufsausbildung finanziert haben,
  • die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entsprochen hat,

nicht das Risiko der Nichtbeschäftigung ihres Kindes nach Abschluss dieser geschuldeten Erstausbildung tragen, sondern eine Verpflichtung, die Kosten für eine weitere Ausbildung zu tragen (fortdauernde Unterhaltspflicht) nur in – hier nicht vorliegenden – Ausnahmenfällen in Betracht kommt, etwa, wenn

  • der Beruf aus gesundheitlichen oder sonstigen, bei Ausbildungsbeginn nicht vorhersehbaren Gründen nicht ausgeübt werden kann,
  • die weitere Ausbildung zweifelsfrei als eine bloße im engen sachlichem und zeitlichem Zusammenhang stehende Weiterbildung zu dem bisherigen Ausbildungsweg anzusehen ist und von vornherein angestrebt war oder
  • während der ersten Ausbildung eine besondere, die Weiterbildung erfordernde Begabung deutlich worden ist (vgl. hierzu Bundesgerichtshof (BGH), Beschlüsse vom 03.2017 – XII ZB 192/16 – sowie vom 03.05.2017 – XII ZB 415/16 – und OLG Oldenburg, Urteil vom 02.01.2018 – 4 UF 135/17 –).

OLG Oldenburg entscheidet, wann volljährige Kinder auch nach Abschluss einer Ausbildung noch einen Anspruch gegen die Eltern

…. auf Ausbildungsunterhalt für ein Studium haben können.

Mit Urteil vom 02.01.2018 – 4 UF 135/17 – hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg darauf hingewiesen, dass ein volljähriges Kind, wenn

  • es sich – in Abänderung seiner bisherigen persönlichen sowie beruflichen Pläne – in engem zeitlichen Zusammenhang nach einer abgeschlossenen Ausbildung noch zu einem Studium entschließt und
  • sich Ausbildung und Studium inhaltlich sinnvoll ergänzen,

einen Anspruch gegen die Eltern auf Finanzierung des Studiums haben kann.

Denn, so der Senat, Eltern schulden im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht nach § 1610 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Finanzierung einer Ausbildung, die

  • den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den Neigungen des Kindes am besten entspreche und
  • sich in den Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern halte.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall, in dem vom Senat der Anspruch des Kindes auf Ausbildungsunterhalt für ein Studium bejaht worden ist, hatte das Kind

  • nach einem Realschulabschluss zunächst eine Ausbildung abgeschlossen,
  • anschließend die Fachoberschule besucht und sich auch noch zu einem an die absolvierte Ausbildung anschließendem Fachhochschulstudium entschlossen (Quelle: Pressemitteilung des OLG Oldenburg vom 07.02.2018).

Dazu,

  • wann Eltern ihrem Kind zur Ermöglichung einer (weiteren) Berufsausbildung bzw. in den sogenannten Abitur-Lehre-Studium-Fällen Unterhalt zahlen müssen,
  • welche Obliegenheiten das Kind trifft und
  • wann Kinder keinen Anspruch auf (weiteren) Ausbildungsunterhalt haben bzw. die Leistung von Ausbildungsunterhalt für ein Studium den Eltern unzumutbar sein kann,

vergleiche auch die Beschlüsse des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 08.03.2017 – XII ZB 192/16 – und vom 03.05.2017 – XII ZB 415/16 –.

Was Eltern über ihre Ausbildungsunterhaltspflicht und Kinder über ihren Ausbildungsunterhaltsanspruch wissen sollten

Der Unterhalt den Eltern ihrem Kind schulden umfasst gemäß § 1610 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

  • den gesamten Lebensbedarf
  • einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf.

Danach wird geschuldet eine

  • der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entsprechende und
  • sich in den Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern haltende

Berufsausbildung, wobei (auch) eine fortdauernde Unterhaltspflicht dann in Betracht kommen kann, wenn beispielsweise ein Kind

  • nach Erlangung der Hochschulreife auf dem herkömmlichen schulischen Weg (Abitur)
    • eine praktische Ausbildung (Lehre) und
    • anschließend ein Studium absolviert (sog. Abitur-Lehre-Studium-Fälle), sofern
      • die einzelnen Ausbildungsabschnitte in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen und
      • die praktische Ausbildung und das Studium sich sinnvoll ergänzen.

Auch wenn danach die Voraussetzungen für eine fortdauernde Ausbildungsunterhaltspflicht vorliegen, können allerdings Besonderheiten im Einzelfall dazu führen, dass ein Unterhaltsanspruch nicht mehr besteht bzw. entfällt, weil

  • der aus § 1610 Abs. 2 BGB folgende Unterhaltsanspruch vom Gegenseitigkeitsprinzip geprägt ist und
  • es zu den schützenswerten Belangen der bzw. des Unterhaltspflichtigen gehört, sich in der eigenen Lebensplanung darauf einstellen zu können, wie lange die Unterhaltslast dauern wird.

Darauf hat, laut Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 03.05.2017 – 62/17 –, der u.a. für Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 03.05.2017 – XII ZB 415/16 – hingewiesen und in einem Fall, in dem ein Vater seiner unehelich geborenen Tochter, die er letztmals getroffen hatte, als sie 16 Jahre alt war, das erst sechs Jahre nach dem Abitur begonnene Medizinstudium finanzieren sollte,

  • obwohl er seine Unterhaltszahlungen nach dem Abitur der Tochter eingestellt hatte, nachdem er ihr mitgeteilt geteilt hatte, dass er davon ausgehe, keinen weiteren Unterhalt mehr zahlen zu müssen, eine Reaktion hierauf unterblieben war und
  • er von seiner Tochter über ihre Ausbildungspläne nie in Kenntnis gesetzt worden war,

entschieden, dass dem Vater,

  • weil er erst 6 Jahre nach dem Abitur von der Aufnahme des Studiums seiner Tochter erfahren hatte und zu diesem Zeitpunkt mit der Aufnahme eines Studiums nicht mehr rechnen musste,

die Leistung von Ausbildungsunterhalt nicht mehr zumutbar ist.

Denn was der Vater in dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall nicht wusste, weil die Tochter im dies nicht mitgeteilt hatte, war, dass

  • sie sich nach dem Abitur im Vergabeverfahren der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) um einen Medizinstudienplatz beworben,
  • nachdem ihr kein solcher zugewiesen wurde, eine Lehre als anästhesietechnische Assistentin begonnen und nach 3 Jahren erfolgreich abgeschlossen,
  • in der Folgezeit 2 Jahre in diesem erlernten Beruf gearbeitet, bis ihr schließlich ein Studienplatz zugewiesen wurde und anschließend das Medizinstudium begonnen hatte.

Dazu,

  • wann Eltern in anderen Fällen als denen einer gestuften Ausbildung ihrem Kind ausnahmsweise eine zweite Ausbildung finanzieren müssen,
  • welche Obliegenheiten das Kind trifft und
  • wann Kinder keinen Anspruch auf (weiteren) Ausbildungsunterhalt haben

vgl. BGH, Beschluss vom 08.03.2017 – XII ZB 192/16 –.

Müssen Eltern ihrem Kind zur Ermöglichung einer (weiteren) Berufsausbildung Unterhalt zahlen

….. und wann hat ein Kind keinen Anspruch auf Ausbildungsunterhalt (mehr)?

Der Unterhalt den Eltern ihrem Kind schulden umfasst gemäß § 1610 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

  • den gesamten Lebensbedarf
  • einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf.

Geschuldet wird danach eine Berufsausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspricht und sich in den Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern hält.

  • Eltern, die ihrem Kind eine solche Berufsausbildung gewährt haben, sind grundsätzlich nicht mehr verpflichtet, Kosten einer weiteren Ausbildung zu tragen.

Ausnahmen hiervon bestehen nur unter besonderen Umständen, etwa wenn der Beruf aus

  • gesundheitlichen oder
  • sonstigen,

bei Ausbildungsbeginn nicht vorhersehbaren Gründen nicht ausgeübt werden kann.

Ferner kommt eine fortdauernde Unterhaltspflicht dann in Betracht,

  • wenn die weitere Ausbildung
    • zweifelsfrei als eine bloße in engem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehende Weiterbildung zu dem bisherigen Ausbildungsweg anzusehen ist und
    • von vornherein angestrebt war,
  • wenn während der ersten Ausbildung
    • eine besondere,
    • die Weiterbildung erfordernde Begabung deutlich wurde,
  • oder wenn ein Kind nach Erlangung der Hochschulreife auf dem herkömmlichen schulischen Weg (Abitur)
    • eine praktische Ausbildung (Lehre) absolviert hat und
    • sich erst danach zu einem Studium entschließt (sog. Abitur-Lehre-Studium-Fälle), sofern
      • die einzelnen Ausbildungsabschnitte in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen und
      • die praktische Ausbildung und das Studium sich jedenfalls sinnvoll ergänzen.

Für Ausbildungsabläufe, in denen nach einem Realschulabschluss

  • zunächst eine Lehre,
  • dann die Fachoberschule und
  • später die Fachhochschule

absolviert wird,

  • sind die einzelnen Ausbildungsabschnitte hingegen nur dann als einheitliche, von den Eltern zu finanzierende Berufsausbildung anzusehen,

wenn

  • schon bei Beginn der praktischen Ausbildung erkennbar eine Weiterbildung einschließlich des späteren Studiums angestrebt wurde,

weil auch Eltern sich in ihrer eigenen Lebensplanung in etwa darauf einstellen können müssen, wie lange sie mit einer Unterhaltslast zu rechnen haben (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 17.05.2006 – XII ZR 54/04 –).

In anderen Fällen als denen einer gestuften Ausbildung müssen Eltern ihrem Kind ausnahmsweise auch eine zweite Ausbildung finanzieren,

  • wenn sie das Kind in einen unbefriedigenden, seinen Begabungen nicht hinreichend Rechnung tragenden Beruf gedrängt haben,
  • wenn dem Kind eine angemessene Ausbildung verweigert worden ist und es sich aus diesem Grund zunächst für einen Beruf entschieden hat, der seiner Begabung und seinen Neigungen nicht entspricht oder
  • wenn die erste Ausbildung, wie sich später herausstellt, auf einer deutlichen Fehleinschätzung der Begabung des Kindes beruhte.

Der aus § 1610 Abs. 2 BGB folgende Anspruch ist allerdings vom Gegenseitigkeitsprinzip geprägt.

Der Verpflichtung des Unterhaltsschuldners zur Ermöglichung einer Berufsausbildung stehen auf Seiten des Unterhaltsberechtigten die Obliegenheiten gegenüber,

  • sich unter Berücksichtigung einer gewissen Orientierungsphase, deren Dauer von Fall zu Fall unterschiedlich sein kann und sich jeweils nach Alter, Entwicklungsstand und den gesamten Lebensumständen des Auszubildenden richtet, um einen entsprechenden Ausbildungsplatz zu bemühen,
  • die Ausbildung in angemessener Zeit planvoll und zielstrebig aufzunehmen sowie
  • sie mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener und üblicher Zeit zu beenden.

Zwar müssen Eltern nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) Verzögerungen der Ausbildungszeit hinnehmen, die auf ein vorübergehendes leichteres Versagen des Kindes zurückzuführen sind.

Verletzt das Kind aber nachhaltig seine Obliegenheit, kann dies dazu führen, dass

  • es seinen Unterhaltsanspruch einbüßt und

sich darauf verweisen lassen muss,

Darauf hat der XII. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 08.03.2017 – XII ZB 192/16 – hingewiesen.