Tag Einstellung

Was Arbeitnehmer wissen sollten, wenn sie bei der Einstellung vom Arbeitgeber nach Vorstrafen und Ermittlungsverfahren

…. gefragt werden.

Mit Urteil vom 20.05.2020 – 5 Ca 83/20 – hat das Arbeitsgericht (ArbG) Bonn darauf hingewiesen, dass im Rahmen eines Einstellungsverfahrens kein allgemeines Fragerecht des Arbeitgebers 

  • nach Vorstrafen und Ermittlungsverfahren des Bewerbers jedweder Art 

besteht, sondern Arbeitgeber bei einem Arbeitnehmer 

  • nur Informationen zu solchen Vorstrafen und Ermittlungsverfahren 

einholen dürfen, 

  • die für den zu besetzenden Arbeitsplatz relevant sein, 

bzw. bei einer Bewerbung um ein öffentliches Amt, 

  • die Zweifel an der persönlichen Eignung des Bewerbers für die in Aussicht genommene Tätigkeit begründen könnten.

Nach Auffassung des ArbG ist deswegen,  

  • beispielsweise bei der Bewerbung um eine Ausbildungsstelle als Fachkraft für Lagerlogistik,
  • auch dann, wenn der Bewerber im Rahmen seiner Tätigkeit Zugriff auf verschiedene hochwertige Vermögensgüter des Arbeitgebers haben wird, 

die in einem von dem Stellenbewerber auszufüllenden Personalblatt mit 

  • „ja“ oder „nein“ 

zu beantwortende Frage nach

  • gerichtlichen Verurteilungen / schwebenden Verfahren, 

unzulässig, weil,

  • nachdem nicht jede denkbare Straftat Zweifel an der Eignung eines Bewerbers für die Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik zu begründen vermag, 
  • bei einer Abwägung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Bewerbers,

zu weitgehend, mit der Rechtsfolge, dass

  • der Bewerber zur wahrheitsgemäßen Beantwortung nicht verpflichtet ist und

sollte die Frage von dem Bewerber trotz einer gerichtlichen Verurteilung oder eines ihm bekannten schwebenden Verfahrens wahrheitswidrig mit „nein“ beantwortet worden sein,

  • somit auch keine arglistige Täuschung des Arbeitgebers vorliegt, die ihn zur Anfechtung des Ausbildungsvertrages berechtigt (Quelle: Pressemitteilung des ArbG Bonn).

Schleswig-Holsteinisches OLG lehnt Anklageerhebung gegen Lehrer wegen Freiheitsberaubung

…. und Körperverletzung zum Nachteil einer Schülerin ab.

Mit Beschluss vom 08.08.2019 – 1 Ws 120/19 KL – hat der 1. Strafsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht (OLG) in einem Fall, in dem nach einem Vorfall an einem Gymnasium zwischen Schülern während der Pause, Lehrer darüber

  • mit zwei Schülern sowie einer 14-jährigen Schülerin

in einem Raum ein klärendes Gespräch führen wollten, die 14-jährige Schülerin,

  • als sie während des Gespräches den Raum verlassen wollte,

von den Lehrern zurückgehalten und am Verlassen des Raums gehindert worden war, sich dabei die Schülerin,

  • als die von ihr zuvor bereits geöffnete Tür zuschlug,

zwei Finger eingeklemmt und gebrochen hatte und die Eltern der 14-jährigen Schülerin,

  • nachdem das auf ihre Anzeige hin gegen die Lehrer eingeleitete Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden war,

mit dem von ihnen nach § 172 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) gestellten Antrag die Staatsanwaltschaft zwingen wollten Anklage gegen die Lehrer zu erheben, entschieden, dass

  • das Ermittlungsverfahren gegen die Lehrer zu Recht eingestellt wurde.

Dass

  • weder ein hinreichender Tatverdacht für eine von den Lehrern zum Nachteil der Schülerin begangene Freiheitsberaubung nach § 239 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB),
  • noch ein hinreichender Tatverdacht für eine von den Lehrern zum Nachteil der Schülerin begangene Körperverletzung nach §§ 223, 224 StGB bzw. eine Körperverletzung im Amt nach § 340 StGB

besteht, hat der Strafsenat damit begründet, dass

  • die mit dem Verhindern der Schülerin am Verlassen des Raumes verbundene kurzfristige Beschränkung ihrer Fortbewegungsfreiheit als pädagogische Maßnahme zulässig gewesen sei

und

  • Anhaltspunkte dafür nicht vorlägen, dass
    • der Schülerin die erlittene Verletzung von den Lehrern vorsätzlich zugefügt worden sei oder
    • die Lehrer eine Verletzung der Schülerin für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen haben.

Soweit der Vorwurf einer fahrlässigen Körperverletzung gemäß § 229 StGB in Betracht komme, müsse dieser, so der Strafsenat, im Wege der Privatklage verfolgt werden (Quelle: Pressemitteilung des OLG Schleswig).

BGH entscheidet: Ein in einer Patientenverfügung niedergelegter Wille ist unmittelbar bindend, wenn darin

…. von einem Volljährigen nicht nur lediglich allgemein, sondern hinreichend konkret umschreibend oder durch Bezugnahme auf ausreichend spezifizierte Krankheiten oder Behandlungssituationen schriftlich festgelegt ist,

  • was er in bestimmten Lebens- und Behandlungssituation will und was nicht,
  • d.h. welche ärztlichen Maßnahmen in solchen Behandlungssituationen durchgeführt werden bzw. unterbleiben sollen.

Darauf hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 14. 11.2018 – XII ZB 107/18 – hingewiesen.

Danach bedarf,

  • wenn ein Volljähriger einen entsprechenden eigenen Willen in einer wirksamen Patientenverfügung (§ 1901 a Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) niedergelegt hat und
  • diese auf die konkret eingetretene Lebens- und Behandlungssituation zutrifft,

der Abbruch einer (bereits eingeleiteter) lebenserhaltenden Maßnahme,

  • wie beispielsweise etwa die Einstellung der künstlichen Ernährung und Flüssigkeitszufuhr,

keiner betreuungsgerichtlichen Genehmigung nach § 1904 Abs. 2 BGB.

Denn die von Volljährigen in einer wirksamen Patientenverfügung getroffenen Entscheidungen sind

  • von den Volljährigen selbst
  • in einer alle Beteiligten (Ärzte, Bevollmächtigte, Betreuer, Angehörige, Gerichte usw.) bindenden Weise

getroffen worden.

Wird das Gericht dennoch angerufen,

  • weil eine der beteiligten Personen Zweifel an der Bindungswirkung einer Patientenverfügung hat und
  • kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass eine wirksame Patientenverfügung vorliegt, die auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutrifft,

hat es auszusprechen, dass eine gerichtliche Genehmigung nicht erforderlich ist (sogenanntes Negativattest).

Chefärzte/Chefärztinnen in einer Klinik sind nicht immer (auch) leitende Angestellte

Mit Beschluss vom 21.04.2016 – 5 BV 24/15 – hat die 5. Kammer des Arbeitsgerichts (ArbG) Hamburg darauf hingewiesen, dass ein Chefarzt,

  • der nicht zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von in der Klinik oder in einer Klinikabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist (vgl. § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)),

nur dann leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs 3 S 2 Nr 3 BetrVG ist, wenn er

  • nach dem Arbeitsvertrag und
  • der tatsächlichen Stellung in der Klinik

der Leitungs- und Führungsebene zuzurechnen ist und (auch) unternehmens- oder betriebsleitende Entscheidungen